Regierungsrat Stephan Schleiss als Jäger

Auf der Pirsch mit dem künftigen Zuger Landammann

Jagen ist sein Hobby: Der nächste Zuger Landammann Stephan Schleiss ist einer von 230 Patentjägern im Kanton.

(Bild: woz)

SVP-Regierungsrat Stephan Schleiss wurde jüngst wieder gewählt für weitere vier Jahre. Damit ist seine Jagd nach Stimmen vorerst gestillt. Doch den neuen Zuger Landammann treibt eine echte Jagdleidenschaft um – wie zentralplus bei einer Begegnung mit dem 45-Jährigen auf dem Zugerberg erlebte.

Wie ein Zinnsoldat steht er mitten im Tann. Mit dem Rücken ist er an einen Baumstamm gelehnt. Vor ihm breitet sich ein wildes Dickicht aus. Einer seiner Jagdgefährten hat vor wenigen Minuten mit dem Horn mitgeteilt, dass man nun versucht, die Rehe aus dem Unterholz zu treiben. Und zwar genau vor die Schrotflinten der in strategischen Abständen aufgestellten Jäger.

Der «Regierungsrat», der Jäger

Stephan Schleiss, in der Zuger Regierung als Bildungsdirektor oftmals mit intellektuellen Herausforderungen konfrontiert, steht hier im Wald seinen Mann als Vertreter einer früheren Zivilisationsstufe. Sprich: Als Jäger. Er wirkt leicht angespannt. Gerade hat er mit dem Entfernungsmesser festgestellt, dass er sich zunahe am Dickicht platziert hat.

Der Zuger Bildungsdirektor im Wald: Konzentriert, mit der Schrotflinte im Anschlag wartet Stephan Schleiss darauf, dass der Bock aus dem Dickicht springt.

Der Zuger Bildungsdirektor im Wald: Konzentriert, mit der Schrotflinte im Anschlag wartet Stephan Schleiss darauf, dass der Bock aus dem Dickicht springt.

(Bild: woz)

«Man muss die optimale Schussdistanz von 15 bis 35 Meter immer versuchen auszunutzen. Bei geringerer Distanz ist die Schrotgarbe noch zu klein beziehungsweise verletzt die Schussgarbe das Fleisch zu sehr», sagt der «Regierungsrat» – wie er von seinen Jagdkollegen im Wald halb stolz und bewundernd angeredet wird – ohne nicht jeweils einen Schuss Witz beizumischen. «Ich muss deshalb etwas weiter weg.»

Mucksmäuschenstill im Brombeergestrüpp

Sagts. Dann ist er mitten im Brombeergestrüpp des Hochwalds ideal platziert – die Büchse im Anschlag. Minutiös registriert er mucksmäuschenstill jedes Geräusch um ihn herum: zwitschernde Vögel, Flugzeuge am Himmel, das Rauschen des Bachs.

Er ist jederzeit bereit für den Bock, der aus dem Dickicht schiessen könnte, um diesen dann – paff! paff! – mit einer Schrotladung niederzustrecken. Doch es tut sich zu dieser frühen Morgenstunde noch nicht viel. Lediglich das Rascheln der Treiber, gemischt mit Hundegebell, ist zu vernehmen. Wenige Minuten später tutet das Horn erneut. Abbruch.

«Die Jagd hilft die Natur im Gleichgewicht zu halten – denn Rehe haben im Wald keine natürlichen Feinde. Und wenn es zu viel Wild gibt, nehmen die Schäden an den Bäumen überhand», erklärt Hobbyjäger Stephan Schleiss.

«Die Jagd hilft die Natur im Gleichgewicht zu halten – denn Rehe haben im Wald keine natürlichen Feinde. Und wenn es zu viel Wild gibt, nehmen die Schäden an den Bäumen überhand», erklärt Hobbyjäger Stephan Schleiss.

(Bild: woz)

Leicht enttäuscht knickt er den Lauf seines Gewehrs, nimmt die Schrotmunition aus seiner Waffe und steckt sie wieder in die Tasche seiner orangeroten Signalweste. Und zurück zum Sammelplatz.

«Wer Fleisch isst, lässt andere für sich töten – da töte ich lieber selbst und leiste dabei noch etwas Gutes für die Natur.»

Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor und Patentjäger

Stephan Schleiss ist gemäss Zuger Jagdverwaltung einer von rund 230 Patentjägern im Kanton, die sich die heimischen Jagdreviere aufteilen – auf der Suche nach dem geschossenen Bock. Dabei ist der 45-jährige Politiker nicht der Meinung, dass Jagen etwas moralisch Verwerfliches ist.

«Die Jagd hilft die Natur im Gleichgewicht zu halten – denn Rehe haben im Wald keine natürlichen Feinde. Und wenn es zu viel Wild gibt, nehmen die Schäden an den Bäumen überhand», erklärt der Hobbyjäger total rational. Aber bedeutet Jagen letztendlich nicht doch nur, Tiere zu töten für ein gutes Stück Fleisch? «Wer Fleisch isst, lässt andere für sich töten», argumentiert der Regierungsrat. «Da töte ich lieber selbst und leiste dabei noch etwas Gutes für die Natur.»

Pause nach dem «Trieb»: Der Zuger Regierungsrat (links) ist auch unter seinen Jagdkollegen «der Regierungsrat».

Pause nach dem «Trieb»: Der Zuger Regierungsrat (links) ist auch unter seinen Jagdkollegen «der Regierungsrat».

(Bild: woz)

Es muss aber irgendwie mehr sein als nur das – damit die Jäger zu nacht schlafender Stunde aus ihren warmen Betten kriechen, um sich im frostigen Wald mit anderen zu treffen. Mit anderen Männern zu treffen, wohlgemerkt.

Von Alpha-Weibchen und «Rolf, dem Raser-Golf»

Denn die Jäger sind natürlich eine exklusive Herrenrunde, wo zwischendurch neben der Frage etwa, ob Villiger nun zurücktritt oder nicht, auch über Alpha-Weibchen, Netflix-Jagdserien und «Rolf, den Raser-Golf», der zu früher Stunde schon viel zu schnell durch den Wald auf dem Zugerberg heizt, geklönt wird.

«Wenn ich mich in den Umriss eines Baumes einfüge, bin ich für ein Reh noch weniger erkennbar.»

Stephan Schleiss

Inzwischen haben sich die Jäger um den nächsten «Trieb» gruppiert – in der Hoffnung, auf einen «faissen» Bock zu stossen. Wieder steht Schleiss wie angewurzelt am Baum. «Wenn ich mich in den Umriss eines Baumes einfüge, bin ich für ein Reh, das ja auf Bewegungen reagiert, noch weniger erkennbar», sagt der Zuger Jäger vielversprechend.

Es riecht überall nach Pilzen

Wieder vergehen zig Minuten in fast meditativer Ruhe. Jagen hat nicht zu übersehende Ähnlichkeiten mit dem Angeln – da müssen sich die Fischer ja auch in Geduld üben, bis einer an den Haken kommt. Die Morgensonne strahlt inzwischen durch die Bäume hindurch. Es riecht appetitlich nach Pilzen überall – und so mancher leckere Steinpilz sticht einem ins Auge und weckt Hungergefühle.

Romantisch: die Hochmoor-Landschaft auf dem Zugerberg. Doch dann fallen Schüsse.

Romantisch: die Hochmoor-Landschaft auf dem Zugerberg. Doch dann fallen Schüsse.

(Bild: woz)

Allein – auch hier tutet nach einer halben Stunde wieder das Horn. Niente. Nada. Weit und breit kein Bock in Sicht. «Dabei hatte ich hier irgendwie ein gutes Gefühl», sagt der Regierungsrat mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme. Sagts und streift erst einmal einen Pullover ab. Er ist ins Schwitzen gekommen. 

«Nun gehen wir aber ins Ried und holen uns endlich die Geiss. Jetzt ist fertig!»

Thomas Müller, Jagdleiter

Jetzt gibts erst einmal eine kurze Pause mit den anderen. Ein Schluck Mineralwasser aus der Flasche. Ein paar Züge an der Zigarette. Die Treiber berichten über ihre fruchtlosen Umtriebe. Doch langsam wächst sich die Waidmannslust zum geballten Jadtrieb aus. «Nun gehen wir aber ins Ried und holen uns endlich die Geiss. Jetzt ist fertig», sagt Jagdleiter Thomas Müller wild entschlossen. «Kommt Ihr?!»

Der perfekte Schlachtplan

Wenige forsche Schritte später durch den Wald stehen die Jäger plötzlich im Hochmoor. Die Morgensonne beleuchtet den nebelumfangenen Rigi. Die taunassen Grasshalme glitzern romantisch in den Sonnenstrahlen. Und die Birken wirken wie personifizierte Gefühle mitten in der idyllischen Landschaft.

Eigentlich müsste man nun ein Gedicht von William Wordsworth oder von Conrad Ferdinand Meyer rezitieren. Doch die Jäger haben anderes vor. Sie beratschlagen den perfekten Schlachtplan.

Jagen macht hungrig: Ein Blick in die Znünibox von Stephan Schleiss.

Jagen macht hungrig: Ein Blick in die Znünibox von Stephan Schleiss.

(Bild: woz)

«Stephan, wenn Du willst, kannst Du dich da drüben aufstellen, Du weisst ja, die Rehe flüchten immer gerne aus dem Dickicht in den Hochwald», sagt Jagdleiter Müller zu Schleiss. Dieser nimmt dankbar seine Schussposition ein – klingen doch die Worte des Jagdleiters erfolgversprechend.

Auch die anderen haben sich mittlerweile ums schilfige Unterholz postiert. Dann machen sich wieder die Treiber mit ihrem Geraschel und Gelärme ans Werk.

«Ich war schon ein bisschen angespannt und auch ein bisschen nervös».

Jäger, der den Bock getroffen hat

Wieder minutenlang nur poetische Stille. Dann plötzlich bricht ein Bock aus dem Schilf heraus. Einer der Jagdkollegen von Stephan Schleiss schiesst zweimal, während der Rehbock im Schlingerkurs Richtung Hochwald davongaloppiert.

Die «Nachsuche» beginnt

Sofort platziert der Jagdleiter ein Zeichen auf dem Boden, um zu markieren, wo die Fährte des offenbar zweimal getroffenen Tiers beginnt. «So wie der Bock geflüchtet ist und dabei seine Läufe nach sich gezogen hat, ist es klar, dass wir ihn getroffen haben», sagt einer der Waidmänner mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht.

Der Regierungsrat im Wald: Das Warten auf den Bock erfolgt in meditativer Stille.

Der Regierungsrat im Wald: Das Warten auf den Bock erfolgt in meditativer Stille.

(Bild: woz)

Plötzlich knallt ein weiterer Schuss jenseits des Dickichts. Euphorie macht sich unter den Jägern breit. Endlich. «Ich war schon ein bisschen angespannt und auch ein bisschen nervös», sagt der Schütze, der dem flüchtenden Bock zwei Schrotsalven hinterhergejagt hat. Die Jäger werden ihn später suchen.

Zuerst starten sie nämlich die «Nachsuche» nach der ebenfalls getroffenen und geflüchteten Geiss auf der anderen Seite des Hochmoors. Zur «Nachsuche» sind die Waidmänner ja gesetzlich verpflichtet – damit angeschossene Tiere nicht elend verenden.

Erlegte Geiss wird mit blossen Händen ausgeweidet

Suchhündin Bella nimmt mit ihrer feinen Nase die Ortung auf, und die Jäger verteilen sich wieder auf neuen Posten im Ried – nachdem sie zuvor erstmal spontan einige «Glückshappen» zu sich genommen haben. Einer hat mit dem Jagdmesser Stücke eines sehr rezenten Engadiner «Bergführerkäses» geschnitten. Dazu gibts Senf aus der Tube.

«Die könnte man sofort einem Wirt zum Braten geben – mit Rösti kombiniert schmeckt das hervorragend.»

Stephan Schleiss

Eine halbe Stunde später, nach drei, vier weiteren Gewehrsalven, liegt die erlegte Geiss vor den Augen der Jäger auf dem Gras am Sammelplatz. Ihr wird gleich der Bauch aufgeschnitten und mit blossen Händen die Eingeweide entfernt. «Leberli» und «Nierli» werden abgeschnitten und getrennt in einem Plastiksack verpackt.

«Die könnte man sofort einem Wirt zum Braten geben – mit Rösti kombiniert schmeckt das hervorragend», schwärmt Stephan Schleiss. Doch vorerst kommen das ausgeweidete Reh und die Innereien in einen Sack und wird im Wald zum Abtransport in die Kühlzelle der Jagdgruppe im Vordergeissboden abgelegt. Denn da ist noch der angeschossene Bock, den es noch zu finden gilt.

Statt des Bocks schiessen die Jäger ein Kitz, das aus dem Gestrüpp aufschreckt.

Statt des Bocks schiessen die Jäger ein Kitz, das aus dem Gestrüpp aufschreckt.

(Bild: woz)

Doch Bella, die Hundedame mit der feinen Nase tut sich dieses Mal schwer mit der Suche. Kein Wunder. Der Bock ist ja ins Gestrüpp des Unterholzes geflüchtet – da kann sich die Spur auch mal für die feinste Spürnase verlieren. Nach knapp einer Stunde macht sich Ratlosigkeit breit. Dann fällt wieder ein Schuss. Statt des Bocks, der wie vom Erdboden verschluckt scheint, hat ein Jäger ein Kitz getroffen.

Statt dem Bock – ein Kitz

Für Stephan Schleiss und seine Jagdfreunde hat sich der Tag trotzdem gelohnt. Zufrieden wird in der Beiz eingekehrt. Doch die Suche nach dem ominösen Bock – die treibt sie auch weiterhin um. «Vielleicht finden wir ihn noch heute Nachmittag», sagen sie. Und hoffen auf neues Waidmannsheil. 

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