300-Jahr-Jubiläum – so geht Politmarketing

Was der Freisinn cleverer macht als andere Zuger Parteien

Traumpaar der Stadtzuger FDP: Eliane Birchmeier (links) und Karl Kobelt.

(Bild: mam)

120 Jahre FDP des Kantons Zug, 120 Jahre FDP der Stadt Zug, 60 Jahre FDP-Frauen: Die Zuger Freisinnigen feiern sich an diesem Wochenende selbst. Der Anlass liefert auch Antworten auf die Frage, warum die Freisinnigen trotz Problemen immer noch politisch erfolgreich sind. Eine Analyse.

Natürlich ist es kein Zufall, dass die Zuger FDP sich am Wochenende mit einem 300-Jahr-Jubiläum selbst feiert. Es ist Wahljahr und andere Parteien nutzen auch jede Möglichkeit zur Selbstbeweihräucherung und Aussendarstellung. Der Anlass «50 Jahre 1968» etwa war eine solche Gelegenheit, welche von den Alternativen – die Grünen Zug soeben genutzt wurde (zentralplus berichtete).

Dennoch erlaubt das multiple Jubiläum fünf Feststellungen über den Zustand der Zuger FDP. Und es zeigt, was die anderen Parteien von den Freisinnigen lernen können.

1. Die Planung des Wahlkampfs ist durchdacht

Die FDP war die erste, welche im letzten Herbst den Wahlkampf eröffnet hat – über ein Jahr vor den eigentlichen Gesamterneuerungswahlen. Das ist in Zug unüblich, in alten Zeiten wurden die Kandidaten jeweils erst nach den Sommerferien und wenige Monate vor der Wahl so richtig aktiv.

Dieser frühe Zeitpunkt erlaubte es der FDP, ihre Kandidaten sorgfältig aufzubauen und zu einem ersten Kürlaufen an die Zuger Messe zu schicken. Was natürlich auch nötig ist, denn im Regierungsrat muss man die beiden Sitze der abtretenden Magistraten Matthias Michel und Urs Hürlimann mit Newcomern verteidigen.

Andreas Hostettler (links) und Florian Weber werden von der FDP für die Regierungsratswahlen aufgestellt.

Regierungsratskandidaten Andreas Hostettler (links) und Florian Weber: zeimlich unbekannt, aber bereits auf Plakaten präsent.

(Bild: mam)

Zwar kann man der politischen Führung der kantonalen FDP durchaus Fehler vorwerfen – die Nichtnomination der Steinhauserin Carina Brüngger als Regierungsratskandidatin etwa wird von vielen Beobachtern für unklug gehalten. Aber die Wahlkampfplaner der FDP haben bisher vieles richtig gemacht. Auch die Organisation der «Jubiläumssause» war von langer Hand vorbereitet.

2. Das Politmarketing kaschiert geschickt vorhandene Schwächen

Die FDP ist national wieder im Aufwind, aber im Kanton Zug läuft der politische Trend bei Wahlen allzu oft gegenläufig. Das ist für die FDP ebenso ein Problem wie die Sitzverteidigung im Regierungsrat mit neuen, relativ unbekannten Kandidaten, die zudem dafür sorgen könnten, dass die Zuger Regierung zum reinen Männergremium wird. Was also tut man in einem solchen Fall?

Man fliegt Hoffnungsträger von auswärts ein, profilierte Köpfe wie die Sankt Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter, welche die Festansprache halten wird.

Zudem fehlen der Zuger FDP die ganz jungen Nachwuchshoffnungen, wie sie etwa die Wettbewerber bei der kantonalen CVP in den letzten Jahren aufgebaut haben. Auch hier helfen Gäste: Der Luzerner Ständerat Damian Müller versprüht ebenso Jugendlichkeit wie die Parteipräsidentin und Schwyzer Nationalrätin Petra Gössi, die für Aufbruch steht.

3. Man hat selber hinzugelernt – von der SVP

In den Nullerjahren durchlebte die FDP eine Krise. Die ökonomischen Krisen und die ganzen Diskussionen um unethische Abzocke von Wirtschaftsführern schadeten der FDP, die immer noch als die Wirtschaftspartei schlechthin gilt.

Darauf versuchte man pragmatisch zu reagieren – und gab ein Stück Gesellschaftsliberalismus auf. Der damalige Zuger Ständerat Rolf Schweiger, der in seiner Jugend gegen das Tanzverbot an hohen Feiertagen in Zug angekämpft hatte, entdeckte nun plötzlich seine Liebe zu Zucht und Ordnung, regte sich über Veloklau und Jugendkriminalität auf und schrie nach mehr Polizei und Härte.

Diese Linie hat sich fortgesetzt: Die beiden Gäste der Jubiläumssause, Karin Keller-Sutter und Damian Müller, können getrost als Law-and-Order-Politiker der neuen Generation gelten.

Insofern hat sich die FDP – die in Zug früher links von der CVP stand – nach rechts, der SVP zugewandt. Auch in anderen Belangen ist diese Hinwendung sichtbar – in den Parlamenten nämlich. Wer Debatten im Zuger Kantons- und vor allem im Stadtparlament mitverfolgt, erlebt Freisinnige, die sich mit SVPlern darum duellieren, wer populistischer und ideologischer auftritt. Die Verkehrspolitik der Stadt Zug liefert Anschauungsbeispiele dazu. Oder die Spardebatten im Kantonsrat.

Wie die SVP spielt die FDP nun Opposition in der Legislative, obwohl sie gleichzeitig mitregiert – alle Regierungen im Kanton Zug sind grossmehrheitlich bürgerlich.

Die einzige bürgerliche Partei, die zu Kompromissen bereit und immer noch staatstragend ist, weil sie ihre Regierungsräte am besten stützt, ist die CVP. Nur: Die CVP mag sich im Kanton Zug stabilisiert haben, aber die SVP ist jene Partei, die in den letzten 25 Jahren mit Abstand und überall am meisten Terrain gutgemacht hat – und somit zum Nachahmen einlädt.

4. Die FDP hat ihr Image als moderne Partei aufpoliert

Nach den Problemen der Nullerjahre hat die FDP ihr Image als Klientelpartei der Hochfinanz korrigiert. Zum Beispiel mit geeigneten Köpfen, welche sie repräsentieren: Die Parteipräsidentin Petra Gössi können sich wohl die meisten bei einer Velotour vorstellen oder auf einer Weltreise, aber nur die wenigsten bei einem dekadenten 1000-Dollar-Dinner einer Grossbank oder bei einem Millionenschacher um einen goldenen Fallschirm.

Von der SVP übernommen hat sie die Neigung zur Volkstümlichkeit. Zwar gibt es auch beim Jubiläumsfest der Zuger FDP wieder ein kostenpflichtiges Galadinner, aber generell geht der Trend bei Feierlichkeiten der FDP in Richtung Wurst- und Volksfest. Exklusive Cüplipartys im Hinterzimmer von Konzernzentralen sind passé.

Patrick Mollet, Vizepräsident der FDP-Kantonalpartei.

Patrick Mollet, Vizepräsident der FDP-Kantonalpartei.

(Bild: mam)

Daneben kann die Partei bei der Imagekorrektur auf traditionelle Fortschrittlichkeit zurückgreifen. Es ist kein Zufall, dass die erste Frau im Zuger Regierungsrat eine Freisinnige war und der Frauenanteil bei freisinnigen Vertretungen in den Parlamenten vergleichsweise hoch ist.

Die FDP-Frauen, welche ihr 60-Jahr-Jubiläum feiern, mögen zwar unfeministisch politisieren und stundenlange Genderdiskussionen vermeiden. Sie sind aber jene politische Frauengruppierung, welche im Kanton Zug am meisten Öffentlichkeitswirkung hat.

Und noch eins: Auch bei der Zuger FDP politisieren viele Manager, Finanzer oder Wirtschaftsanwälte. Aber daneben gibt es auch immer noch die Freisinnigen, die nicht bankennah sind, und auch nicht aus der Stadt kommen, wo die FDP traditionell stark ist.

Historische Zentren des Liberalismus im Kanton Zug sind auch Baar, Cham oder Unterägeri. Gerade die Freisinnigen aus Unterägeri – alt Ständerat Andreas Iten und Ständerat Joachim Eder, beide Lehrer von Beruf – stehen für einen Liberalismus, der nicht nur wirtschaftsfreundlich, sondern auch gesellschaftsliberal ist und der die Schweiz gross gemacht hat. 

5. Der Freisinn feiert die gloriose Vergangenheit und hält Werte hoch

Seit Ronald Reagan weiss man, dass abstrakte Werte bei der politischen Ausmarchung mehr Gewicht haben als die Fähigkeit, differenzierte Lösungen für Probleme anbieten zu können. Das kommt der FDP zugute, die für Fortschritt und Freiheit steht. Denn besser geht’s nicht – kaum jemand hat etwas gegen Fortschritt und Freiheit an sich.

Indem sie Jubiläumsveranstaltungen durchführt, kann die Zuger FDP diese Werte beschwören und auch auf ihre ruhmreiche Vergangenheit hinweisen. Immerhin ist die moderne Schweiz, die 1848 entstand, so etwas wie eine liberale Erfindung (auch wenn sie erst mit der Verfassungsrevision von 1874 so richtig toll wurde).

Die Zuger Freisinnigen können aus dieser goldenen Vergangenheit sogar einen veritablen Helden vorweisen – auch wenn der lebte, bevor die FDP offiziell gegründet wurde. Georg Joseph Sidler hiess er.

Er wurde 1782 geboren, also noch in der alten Zeit, im Ancien Régime. Er war Stapi in Zug, Landammann, Standesvertreter und Kantonsgerichtspräsident und spielte eine wichtige Rolle in den 1830er-Jahren. Nach der Gründung der modernen Schweiz war er der erste Alterspräsident im Nationalrat.

Wer Sidlers weise Reden heute liest, denkt: Wow, da spricht ein Zuger Mandela! Was vielleicht auch die Wertschätzung des Historikers und grünalternativen Politikers Josef Lang erklärt, der mehrfach über Sidler publiziert hat. Er nennt Georg Joseph Sidler einen Propheten.

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 09.06.2018, 17:02 Uhr

    Mir blutet das Herz, wenn ich jetzt schon merke, dass der ganze Regierungsrats-Wahlkampf für die Füchse ist, denn mit diesen beiden Kandidaten und dieser Strategie, würde es mich überraschen, wen sie zwei Sitze machen. Das Zuger Volk ist nicht dumm und es ist offensichtlich das einer der beiden Kandidaten um jeden Preis diesen Sitz will. Zudem grenzt sich die FDP noch zu wenig von den Neoliberalen ab und was die Neoliberalen liberal nennen hat mit echtem politischen Liberalismus nichts zu tun. Ich warte immer noch darauf, das sich die FDP wirklich fundiert mit ihren Werten auseinander setzt und bin bereit hier mit zu wirken, den ich merke langsam, dass ich mich lange auf einem falschen Weg befand und Provokation für richtig fand, aber diese «Trotzphase» ist vorbei und ich will , das die FDP wieder eine echte liberale Wirtschaftspartei wird, aber eine Partei eine menschlichen Wirtschaft. Sie darf hierbei ruhig rechts sein, aber rechts im Sinne einer Soziale Marktwirtschaft wie sie es in den 80er-Jahren hoch hielt und nicht im Sinne eines Raubtier-Kapitalismus, wie er heute vorherrscht und würde sie sich auch noch mit der katholischen Soziallehre beschäftigen, in der Eigentum noch verpflichtete könnte sie sich sogar von der CVP und ihrem Wischi- Waschi abgrenzen. Von der SVP rede ich schon gar nicht, den ausser Blocher hat in der ganzen SVP kein einziger eine Ahnung von Geschichte und politischer Philosophie. Die FDP braucht es heute je länger je mehr, aber eine liberale FDP, welche sich den Trends Zeit entgegensetzt und für echte Eigenverantwortung und Selbstbestimmung und gegen die Staatsbevormundung agiert und sich auch getraut dem Volk klaren Wein ein zu schenken statt ihm nach dem Mund zu reden und auch mal klar zu machen, das wer absolute Sicherheit will damit jede Selbstverantwortung begräbt und am Schluss keine Sicherheit erhält sondern einem Beamtenstaat, welcher jeden einschränkt und nichts bringt. Eine solche FDP wäre au nicht auf billige Marketingstrategie wie die 300-Jahr – Feier angewiesen. sondern würde wieder die Schweiz zum Wohle aller und nicht nur Weniger gestalten. Ich bleibe ein liberaler Freisinniger, aber will meine FDP zurück. Dass die FDP so progressiv wird wie im 19. Jahrhundert ist wohl ein Wunschtraum, aber bedenkt bitte, genau diese progressive FDP hat unseren Staat massgeblich gestaltet

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