Josef Lang und Hanspeter Uster über Solidarität

Die Zuger Linke und ihr historischer Widerstand gegen das «Zuger System»

Alt-Nationalrat Josef Lang und Alt-Regierungsrat Hanspeter Uster (rechts) referierten über die Geschichte des Kampfes der Zuger Linken für Solidarität. Ganz links: Moderatorin Christina Gut von den Jungen Alternativen.

(Bild: woz)

«50 Jahre 1968 und die alternative Zuger Linke im Zeichen der globalen Solidarität»: Alt-Regierungsrat Hanspeter Uster und Alt-Nationalrat Josef Lang referierten am Mittwochabend im Siehbachsaal über Momente des Kampfes der Linken gegen das Zuger System. Mit teils abenteuerlichen Schlüssen.

Jetzt wissen wir wirklich, warum Republikaner Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde – und nicht die demokratische Hillary Clinton. «Weil Bill Clinton den Zuger Rohstoffhändler Marc Rich am Ende seiner Amtszeit 2001 begnadigte.»

Eine gewagte und vielleicht die interessanteste These eines «memoirenhaften» Abends, an dem Alt-Nationalrat der Zuger Grün-Alternativen, Josef Lang, und Ex-Marxist und Alt-Regierungsrat Hanspeter Uster an wichtige Momente des Kampfes in Zug gegen die Folgen der Steuergeschenke an internationale Holdings erinnerten. Doch dazu später.

Jean Ziegler als Videobotschafter

Unter dem Titel «50 Jahre 1968» würdigte die Alternative – die Grünen Zug, die Junge Alternative Zug und das Denknetz Schweiz dieses Engagement und thematisierte die Bedeutung der Zuger linken Solidarität mit den Ärmsten der Welt. Über eine Videobotschaft war am Mittwochabend selbst der weltberühmte Schweizer Soziologe und wohl bekannteste Globalisierungskritiker Jean Ziegler anwesend.

Doch die zahlreichen Anwesenden im Siehbachsaal waren am meisten gespannnt auf die Ausführungen der beiden früheren Impresarios der Zuger alternativen Linken, Hanspeter Uster und Josef Lang.

«In den 50er-Jahren führte die Zuger Steuerverwaltung nämlich ohne demokratische Debatte das fortan wichtigste Zuger Steuerprivileg ein: dasjenige der ‹gemischten Gesellschaften›.»

Hanspeter Uster, Alt-Regierungsrat

Uster alias «Knuspi» versuchte in einem kurzen Abriss über die Geschichte der Zuger Steueroase und ihre sozialen und politischen Folgen zu referieren. Er machte dem Publikum klar, dass in den 50er-Jahren in Zug die entscheidenden Weichen für den späteren ausbeuterischen einheimischen Reichtum gestellt wurden.

«In diesen Jahren führte die Zuger Steuerverwaltung nämlich ohne demokratische Debatte das fortan wichtigste Zuger Steuerprivileg ein: dasjenige der ‹gemischten Gesellschaften›», erklärte Uster. Dieses kam – und komme immer noch – insbesondere global tätigen Handelsfirmen entgegen, die ihre Hauptgeschäfte im Ausland ausüben, aber in der Schweiz eine nebengeschäftliche Tätigkeit von unter 20 Prozent verfolgen.

Erinnerung an frühere Demo-Tage: Hanspeter Uster und Manuela Weichelt gegen die «Prestige»-Tankerkatastrophe 2002.

Erinnerung an frühere Demo-Tage: Hanspeter Uster und Manuela Weichelt gegen die «Prestige»-Tankerkatastrophe 2002.

(Bild: woz)

Im Unterschied zu Domizilgesellschaften, die in der Schweiz keine Geschäftstätigkeiten verrichten dürfen, sei es gemischten Gesellschaften erlaubt worden, so Uster, ihr Business in eigenen Büros und mit eigenem Personal in Zug auszuüben. Der Clou: «Ihr im Ausland erzielter Ertrag wurde und wird nur zu einem Viertel besteuert, der Rest ist im In- und Ausland steuerfrei – Geld, das eben vor allem jenen armen Ländern dann fehlt.»

Nicht nur Briefkastenfirmen blühten auf

Und während zahlreiche andere Kantone damals allein auf die Holding- und Domizilgesellschaften gesetzt hätten, so Uster, sei diese zugerische Spezialität einer der wichtigsten Vorteile im Steuerwettbewerb des Kantons Zug und Schlüsselfaktor für die Ansiedlung von Handelsfirmen gewesen. Ab den späten 50er-Jahren habe, so Uster, der Kanton Zug dann einen schweizweit einzigartigen Firmenzuwachs verzeichnet.

Nicht nur die sogenannten Briefkastenfirmen erlebten auf diese Weise als Statusgesellschaften, die keine Gewinnsteuer und nur eine minimale Kapitalsteuer bezahlen, eine wunderbare Vermehrung: 2015 waren es 6’800 Briefkastenfirmen in Zug.

Auch die Holdinggesellschaften – für die in Zug schon 1921 Steuerprivilegien eingeführt worden waren –, die Domizilgesellschaften und die gemischten Gesellschaften blühten auf. Gesamthaft verzeichnete der Kanton Zug Ende 2015, bei einer Wohnbevölkerung von 122’134 Personen,  laut der Zuger Statistik 2016 25’036 Kapitalgesellschaften und Genossenschaften.

«Ein Zuger Regierungsrat protestiert niemals gegen eine Zuger Firma.»

Hanspeter Uster, von einem Zuger SVP-Politiker kritisiert

Doch Uster verblieb nicht nur bei trockenen Zahlen. Er erinnerte auch an die grösste Nachkriegsdemonstration in Zug infolge der Katastrophe der «Prestige»: Dieser Tanker brach im November 2002 im Meer auseinander und verursachte eine Ölpest an der Küste Galiziens.

Gechartet hatte diesen Tanker eine Zuger Firma: die «Crown Resources». Uster: «Ein Zuger SVP-Politiker kritisierte mich damals mit den Worten: ‹Ein Zuger Regierungsrat protestiere niemals gegen eine Zuger Firma›.» Ein Spruch, auf den er heute noch stolz sei. 

Auf alten Demo-Fotos, die danach Alt-Nationalrat Josef Lang dem Publikum zeigte, sind Hanspeter Uster und die heutige Frau Landammann Manuela Weichelt zu sehen.

Lang selbst liess dann in seinem Referat Debatten und Kampagnen zu Steuerdumping und Rohstoffmultis in Zug aufleben.

«Ist es wirklich die Aufgabe der Linken, die Beute aus der Ausbeutung hierzulande etwas besser zu verteilen?»

Josef Lang, Zugs Alt-Nationalrat

Wobei er die «Verständigungslösung» der Zuger SP gegenüber den antidemokratischen Praktiken der Rohstoffmultis mit der Grundsatzfrage infrage stellte: «Ist es die blosse Aufgabe der Linken, die Beute aus der Ausbeutung hierzulande etwas besser zu verteilen?» Womit er etwa die höheren Kinderzulagen ansprach, welche die SP zugunsten der Zuger Steuergeschenke an die internationalen Firmen bei der Regierung durchgesetzt hatte.

Im Wesentlichen skizzierte Lang leidenschaftlich seinen Widerstand gegen das Imperium Marc Rich – ein Kampf, den selbst das «Wallstreet Journal» 2001 in einer Titelkolumne würdigte, mit der Überschrift: «Schweizer Stechfliege verwandelt Marc-Rich-Bashing in eine echte Karriere».

«Die Schwachstelle ist nicht das Geld von Marc Rich, sondern sein Image.»

Josef Lang

Wobei Zugs Rohstoffmulti-Gegner Nummer eins dem Publikum dann nochmals in aller Ausführlichkeit sein Engagement 1991 für die Belegschaft des amerikanischen Aluminiumwerks in dem kleinen Ravenswood schilderte – wo Marc Rich sämtliche 1’700 Arbeiter einfach entlassen hatte.

Josef Lang liess seinen Kampf gegen die Zuger Rohstoffmultis aufleben.

Josef Lang liess seinen Kampf gegen die Zuger Rohstoffmultis aufleben.

«Ich sagte den Leuten von der Gewerkschaft United Steelworkers, dass die Schwachstelle nicht das Geld von Marc Rich, sondern sein Image ist», erzählte Lang. Marc Rich drohten damals 325 Jahre Gefängnis für den laut Behörden grössten Steuerbetrug in der Geschichte der USA.

«Rich wollte in den USA wieder normal wirtschaften können. Von Insidern wusste ich, dass er deshalb mit der Bush-Regierung verhandelte», so Lang.

Die Sache mit Hillary Clinton

Doch der Medienhype in Zug und die Gewerkschaften in den USA hätten Rich schliesslich das Genick gebrochen. «Die Bush-Administration konnte es sich nicht mehr erlauben, Rich entgegenzukommen», sagte der Alt-Nationalrat. Und Rich habe mit den Gewerkschaften ein Abkommen aushandeln müssen. «In Zug selber führte die Niederlage von Ravenswood zu Richs Rückzug und zur Namensänderung in Glencore.»

Als Bill Clinton dann aber, wie gesagt, 2001 Rich begnadigte, hätten dies viele Stahlarbeiter aus den «Roastbelts» in Pennsylvania, Wisconsin und Michigan nicht vergessen und es Hillary Clinton Jahre danach heimgezahlt. Josef Lang: «Wie wir wissen hat Clinton zwar 300’000 Stimmen mehr als Trump erhalten – jedoch fehlten ihr am Ende eben 46 Wahlmänner aus diesen Bundesstaaten.»

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