Verkehr: Stadt Luzern nimmt sich Bern zum Vorbild

Ab auf die Strasse: Stadtrat begrüsst Begegnungszonen

Das Kleinstadtfest lockte viele Menschen an.

(Bild: Stefan Kämpfen)

Tempo 20 und Vortritt für Fussgänger: Begegnungszonen gibt es in der Stadt Luzern bislang nur wenige. Das könnte sich bald ändern. Der Stadtrat will das «Berner Modell» übernehmen, mit dem Anwohner für ihr Quartier eine Begegnungszone verlangen können. Auf eigene Faust loslegen will Luzern aber nicht.

Auf der Strasse eine Runde Badminton spielen, Seilhüpfen oder auch mal den Grill aufstellen: So stellt sich Jules Gut (GLP) im Idealfall eine Quartierstrasse vor. Damit das möglich ist, muss die Stadt Luzern allerdings den Weg bahnen für mehr Begegnungszonen, wie Gut in einem Postulat fordert. Als Vorbild schwebt ihm die Stadt Bern vor, wo inzwischen rund 100 Begegnungszonen existieren.

Mit seiner Forderung rennt Jules Gut offene Türen ein. Der Stadtrat stimmt dem Vorstoss zu. Bislang kennt die Stadt solche Zonen nur an einzelnen Orten, etwa an der Bahnhofstrasse, in der Kleinstadt, an der Steinenstrasse oder am Wesemlinring.

Wird die Stadt Luzern also bald zur grossen Flaniermeile? Davon dürfte man noch weit entfernt sein. Denn der Stadtrat will sich am «Berner Modell» orientieren. Das heisst: Die Initiative dazu muss von der Bevölkerung kommen. Nach welchen Grundsätzen vorgegangen wird, soll das Tiefbauamt ausarbeiten, vorausgesetzt, das Stadtparlament gibt dem Ansinnen Mitte Mai seinen Segen. Die Stadt Bern hat zum Beispiel in einem Flyer für Quartierbewohner das konkrete Vorgehen und die Bedingungen für eine Begegnungszone zusammengestellt.

Gewerbe und Flaniermeile – das gehe zusammen

Jules Gut zeigt sich sehr zufrieden mit diesem Signal. «Damit können die Quartierkräfte das Heft selber in die Hand nehmen, müssen aber von sich aus den ersten Schritt machen, wenn sie eine Begegnungszone wollen.» Er ist überzeugt, dass die Stadt die nötigen Kapazitäten freischaufeln kann, auch wenn die Umsetzung von Begegnungszonen laut Stadtrat nicht oberste Priorität hat.

«Wieso man in der Stadt Luzern nicht öfter Begegnungszonen schafft, war mir immer ein Rätsel.»

Jules Gut, GLP-Grossstadtrat

Widerstand von Autofahrern oder vom Gewerbe sei zwar denkbar, sagt Jules Gut. Gerade die neu gestaltete Kleinstadt zeige aber, dass Gewerbe und Flanierzonen gut nebeneinander funktionieren. Zudem weist der GLP-Fraktionschef darauf hin, dass ein grosser Teil der Stadtluzerner Haushalte ohne Auto auskommt. Aber auch in Neubausiedlungen auf dem Land erfreuten sich Begegnungszonen grosser Beliebtheit. «Wieso man das in der Stadt Luzern nicht öfter macht, war mir immer ein Rätsel.»

Was darf man in einer Begegnungszone?

Begegnungszonen sind ein Verkehrsregime, das 2002 in der Schweizer Strassenverkehrsgesetzgebung verankert wurde. Ursprünglich für städtische Flanierzonen gedacht, halten sie zunehmend Einzug in Wohnquartiere. In Begegnungszonen gilt: Tempo 20, Fussgänger haben Vortritt und dürfen die ganze Strasse nutzen, den Verkehr aber nicht unnötig behindern. Parkieren ist nur an bestimmten Standorten erlaubt, Fussgängerstreifen hat es keine.

Für eine Begegnungszone braucht es jeweils ein verkehrstechnisches Gutachten. Es zeigt auf, welche Massnahmen es braucht, um das Verkehrsregime durchzusetzen.

Eine Antwort darauf liefert der Stadtrat gleich selber. Bislang setzte die Stadt Luzern hauptsächlich auf Tempo-30-Zonen. Auch, weil eine Begegnungszone bezüglich Verkehrssicherheit nicht a priori eine Verbesserung bedeute. Hat es in der Zone beispielsweise eine Reihe von Parkplätzen, schränke das die Sicht der spielenden Kinder ein, argumentiert der Stadtrat – und folgert: Anwohner müssten für eine Begegnungszone womöglich Strassenparkplätze opfern. Was angesichts der oft emotional geführten Parking-Debatte fast wie eine Drohkulisse wirkt.

Jules Gut gibt sich diesbezüglich allerdings gelassen. «Tempo 20 heisst nicht per se, dass Parkplätze abgebaut werden.» Womöglich könnten sogar zusätzliche Parkplätze als «Hindernisse» dafür sorgen, dass die Geschwindigkeit gedrosselt werden muss. Das werde sich im Einzelfall zeigen müssen.

Stadt wird nicht selber aktiv

Jules Gut sieht in Begegnungszonen einen grossen Vorteil: Fussgänger haben grundsätzlich Vortritt (siehe Box). «In der Stadt Luzern gibt es genügend Strassen oder Abschnitte, die der Bevölkerung gehören sollten.» Konkrete Beispiele, wo sich Begegnungszonen aufdrängen, hat Jules Gut aber nicht im Kopf. Er hatte eine solche kürzlich für die Luegeten- und Trüllhofstrasse in der Nähe des Kantonsspitals gefordert, scheiterte aber im Parlament.

Ob das Instrument tatsächlich genutzt wird? «Das ist die grosse Frage», sagt Jules Gut. «Wenn es niemand nutzt, zeigt das, dass kein Bedürfnis besteht.» Er sei aber positiv gestimmt. Und zumindest Anzeichen in diese Richtung gibt es: So machten sich letztes Jahr Anwohner des Gebiets Känzeli an der Bergstrasse mit Unterschriften für eine Begegnungszone stark.

Der Stadtrat steht zusätzlichen Begegnungszonen grundsätzlich positiv gegenüber. Selber aktiv werden will er aber nicht. Genau das fordern die Grünen in einem zweiten Postulat zum Thema. Die Stadt sollte demnach prüfen, auf welchen Nebenstrassen neue Begegnungszonen Sinn machen. Eine solch systematische Analyse erachtet der Stadtrat aber als zu aufwendig und nicht zweckmässig.

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