Luzerner Musiker will Banken an die Zügel nehmen

Dave Doran trommelt für die Vollgeld-Initiative

Mit dem Vollgeld-System will Dave Doran das Risiko der Bankengier minimieren.

(Bild: Remo Wiegand)

Emeritierte Professoren, Yogalehrerinnen und Künstler: Die Initianten und aktiven Unterstützer der Vollgeld-Initiative sind ein kleiner, bunter Haufen. Zu ihnen gehört auch der Schlagzeuger und Luzerner Vollgeld-Kampagnenleiter Dave Doran. Warum setzt er sich für die weitgehend chancenlose Initiative ein, die er selbst als Partykiller bezeichnet?

Ein vierstöckiges Häuschen mit Patina und blauen Fensterläden, ein wilder Garten, der von Hasen, Hühnern und Goldfischen bevölkert wird, ein Gartengatter, das mittels origineller Seilvorrichtung auch vom ersten Stock des Hauses geschlossen werden kann, wenn der Fuchs den Hasen nicht nur gute Nacht sagen will.

Hier, in diesem verwunschenen, kleinen Stadtparadies zuoberst auf dem Luzerner Bramberg, wohnt Dave Doran mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Die Teenager tollen gerade unbeschwert im Garten herum. Zugleich sind sie drei wandelnde Fragezeichen: «Warum gibt es Krieg?», wollten sie schon wissen. Oder: «Wer regiert die Welt?» Oder auch: «Woher kommt unser Geld?»

Ja, genau, woher eigentlich? Eine grundlegende Frage, die Dave Doran schon lange beschäftigt.

«Kaum zu glauben»

Dave Doran stammt aus einer Musikerdynastie. Sein irischer Vater war Balladensänger, seine beiden Geschwister sind Jazzmusiker wie er. Gar nicht in die Wiege gelegt wurde ihm die Politik. Nur einmal wurde es in Daves Teenager-Jahren politisch, als er sich für eine Reichtumssteuer einsetzte. «Ich war so enttäuscht über die Ablehnung der Initiative, dass ich fortan die Finger von der Politik liess», erinnert sich Doran. Danach setzte er ganz auf seine Schlagzeugkarriere, die Jazzschule, inzwischen Musikhochschule, dann kam die Familie. «Da wurde mir bewusst, dass ich eine Mitverantwortung für diese Gesellschaft habe.»

«Geld regiert die Welt – doch wer regiert das Geld?»

Die Vollgeld-Initiative, über die am 10. Juni abgestimmt wird, will erreichen, dass nur noch die Nationalbank Geld herstellen kann. Heute produzieren auch Geschäftsbanken über die Kreditvergabe Geld und beeinflussen damit die Wirtschaft. Mit der Vollgeld-Reform werde Geld wieder «zu einem öffentlichen Gut, ein Service Public, von dessen Herstellung die Allgemeinheit profitiert – und nicht wie heute die Aktionäre und Manager von Grossbanken», schreiben die Initianten.

Die Parteien der Schweiz, wo vor Politexperimenten traditionell zurückgeschreckt wird, sind fast geschlossen gegen die Initiative. Eine Ausnahme bildet die SP des Kantons Schwyz, die die Ja-Parole herausgegeben hat. In den kantonalen Unterstützungskomitees tummeln sich mehrere Querdenker und Kreativköpfe. Bekanntester Zentralschweizer Unterstützer der Vollgeld-Initiative ist Emil Steinberger. «Die Idee ist gut, also wird sie auch erfolgreich sein», lässt sich der 85-jährige Komiker auf der Webseite sec vernehmen.

Doran begann sich des Themas Geld anzunehmen. Durch eine Kollegin stiess er auf den Verein «Monetäre Modernisierung», der hinter der Vollgeld-Initiative steht: «Ich entdeckte, dass unser Geldsystem auf einer Ungerechtigkeit aufbaut, die kaum zu glauben ist», erzählt er. Indem die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe Geld selber herstellen dürfen, hätten sie ein ebenso lukratives wie betrügerisches Geschäftsmodell entwickelt. Die Vollgeld-Initiative will dies nun ändern. Sie verlangt, dass nur noch die Nationalbank Geld schöpfen darf. Was das bringt oder schadet, darüber debattieren Ökonomen ziemlich aufgeregt.

Otto und Anna Normalverbraucher lässt die Initiative eher ratlos zurück. Auch Doran räumt ein, dass die Menschen von der Vollgeld-Reform kaum etwas mitbekommen würden. Es geht vor allem um Grundsatzfragen von Gerechtigkeit, Macht und Vertrauen, um Staat versus Privatwirtschaft. Und natürlich um die Wirtschaftskrise von 2008, die gemäss den Initianten der Gier der Geschäftsbanken geschuldet war, deren negative Folgen mit einem Vollgeld-System minimiert werden könnten.

Keine Polit-Konzerte

So spekulativ ökonomisch die Vollgeld-Frage daherkommt, so schwer fällt es Doran, sein Umfeld mit seinem Anliegen zu erreichen. Obwohl an seinem Haus mehrere Abstimmungsplakate hängen, sei er mit Nachbarn noch kaum darüber ins Gespräch gekommen. An geselligen Anlässen sei das Thema Geld gar ein regelrechter «Partykiller», sagt Doran.

Kann der Schlagzeuger seine politische Leidenschaft wenigstens irgendwie über seine Musik ausdrücken? Doran, der auch zu Rap, Hip-Hop und Drum’n’Bass auf die Pauken haut, denkt eine Weile nach. «Das läuft schon eher getrennt.» Am ehesten gebe es eine Beeinflussung zwischen Musik und Politik im Projekt «XL Target» zusammen mit dem afroamerikanischen Sänger Joseph Bowie. «Mit ihm rede ich viel darüber», berichtet Doran, «und ich glaube, dass ich seine Texte mit meinem Thema auch schon beeinflusst habe.»

«Wenn ein UBS-Chef allen Ernstes behauptet, die Geschäftsbanken würden kein Geld schöpfen, dann geht es nicht um einen Glauben. Dann ist das einfach falsch.»

Was er hingegen (noch) nie gemacht hat: die Bühne eines Konzertes für Politwerbung zu benutzen. Der Musiker bezweifelt, dass das gut ankäme. Wenig ermutigend ist dabei auch manches Gespräch in der Musikszene, in dem er mit dem Geldthema auf taube Ohren stiess. «Viele meiner Kollegen wollen einfach nicht glauben, wie unser Geldsystem funktioniert», findet Doran.

Eine Debatte auslösen, das will Dave Doran erreichen.

Eine Debatte auslösen, das will Dave Doran erreichen.

(Bild: Remo Wiegand)

Der Satz umreisst nicht schlecht das Problem der Vollgeld-Initianten: Die Frage nach dem Mammon unterteilt Menschen in Ungläubige und Bekehrte. Letztere lesen sich oft ein immenses Wissen an, das wenige sonst verstehen, sie riskieren, sich in eine Parallelwelt unter Gleichgesinnten zu manövrieren, und entfremden sich mitunter von Freunden und Familienmitgliedern. Es ist das Muster, in das auch Verschwörungstheoretiker oft geraten, deren Milieu der Vollgeld-Initiative durchaus auch zugeneigt ist.

Zumindest die Konfliktlinien kommen Dave Doran bekannt vor: «Von meiner Frau höre ich manchmal, dass ich zu emotional argumentiere», bekennt er, «mein Ausdrucksmittel ist die Musik und weniger die Sprache.» Von einer Nähe der Vollgeld-Initiative zu abgespacten Verschwörungstheorien will er aber nichts wissen: «Es geht hier um Facts und um Regeln», argumentiert Doran. «Wenn ein UBS-Chef allen Ernstes behauptet, die Geschäftsbanken würden kein Geld schöpfen, dann geht es nicht um einen Glauben. Dann ist das einfach falsch. Punkt.»

Es dürfte kaum reichen

Am 10. Juni kommt die Vollgeld-Initiative zur Abstimmung. Dave Doran wird bis dahin an Vollgeld-Stammtischen im Restaurant Schlüssel, bei Standaktionen oder bei der nationalen «Spärsäuli Vollgeld-Tour» für das Anliegen weibeln. Welches Resultat hält er bei der Volksabstimmung für realistisch? «30 Prozent Ja-Stimmen wären ein gutes Resultat», sagt Doran. «Oder 51 Prozent», schiebt er schmunzelnd nach.

Haut normalerweise nicht politisch auf die Pauke, sondern trommelt an der Musikhochschule.

Haut normalerweise nicht politisch auf die Pauke, sondern trommelt an der Musikhochschule.

(Bild: zvg)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Jonas Erba
    Jonas Erba, 29.04.2018, 22:18 Uhr

    Auch dieser Artikel könnte optimistischere Töne anschlagen. Laut der aktuellen Tamediaumfrage sieht es positiver aus, als in diesem Artikel dargestellt. Es sind 42 % JA-Stimmen gegen 45 % NEIN-Stimmen. Danke für diesen Artikel Herr Wiegand.

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