Thomas Brändle kämpft für die Vollgeld-Initiative

Der Zuger Freisinnige, der den Banken an den Kragen will

Thomas Brändle, Freisinniger aus Unterägeri, engagiert sich als einziger Zuger für die Vollgeld-Initiative, die im Juni landesweit zur Abstimmung kommt.

(Bild: woz)

Früher war der Freisinnige Kantonsrat aus Unterägeri ein bekennender Freigeist. Er schrieb Bücher und reiste durch die halbe Welt. Nun hat Thomas Brändle die Bäckerei seines Vaters übernommen und ist bekennender KMUler. Das wirkt sich auch auf eine politische Initiative aus, die er als einziger Zuger aktiv propagiert.

Spätnachmittags im Café Brändle in Unterägeri. Im ersten Haus am Platz an der Zugerstrasse herrscht ordentlich Betrieb. Patron Thomas Brändle steht lässig an einem Tisch und plaudert mit einigen Stammgästen. Alle paar Minuten begrüsst er Neuankömmlinge aus dem Dorf – mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Ein Wirt ist ein Wirt und muss eben immer parat sein. Auch nachts in der Backstube (zentralplus berichtete).

Vom Literaten zurück zum Bäcker

Vor 13 Monaten veränderte sich das Leben von Thomas Brändle drastisch. Der gelernte Bäcker, Konditor und Confiseur, der 2004 aus dem elterlichen Betrieb ausgestiegen war, hatte sich entschlossen, Bäckerei und Café zu übernehmen. Dieses umtriebige und anstrengende Business ist Thomas Brändle, dem einstigen Bohème mit literarischen Ambitionen, anfangs nicht leichtgefallen.

Es war sein spontaner Entscheid – um den Untergang des gemütlichen Traditions-Cafés im Ägerital zu verhindern. Denn der vorherige Pächter hatte den Betrieb finanziell ruiniert. «Das Geschäft hätte schliessen müssen, wäre ich nicht eingestiegen», sagt Brändle.

«Ich muss jetzt jede Haselnuss, die in meinem Betrieb verarbeitet wird, deklarieren.»

Thomas Brändle, Bäcker und Cafébetreiber

Der heute 48-Jährige hat Verantwortung übernommen. Im Sinn der Familie. Seine literarische Vergangenheit ist nun Geschichte und in einem Schaukasten im Windfang am Eingang zum Café und zur Bäckerei zu bestaunen. Gleichzeitig ist der kritische Weltenbummler vor acht Monaten auch noch stolzer Vater geworden. Das Leben eines bürgerlichen Politikers hat definitiv Grundformen einer echten bürgerlichen Existenz angenommen.

«Ich muss jetzt jede Haselnuss, die in meinem Betrieb verarbeitet wird, deklarieren», berichtet der KMUler gegenüber zentralplus, nachdem er im hinteren Teil des Cafés Platz genommen hat und sich etwas Zeit zum Verschnaufen gönnt.

25 Angestellte, Löhne, Reparaturen, Miete, Lieferantenrechnungen

Der Alltag als KMUler mit 25 Angestellten habe seine Sinne sichtlich geschärft. Auch gegenüber den Banken. Denn er stehe unter ökonomischem Druck, müsse Löhne, Reparaturen, Lieferanten und nicht zuletzt die Miete an seinen Bruder fürs Café bezahlen.

«Banken sollen bankrott gehen können, ohne dass das Geld der Sparer ebenfalls verloren geht.»

Thomas Brändle, früherer FDP-Kantonsrat

Zwar war Brändle schon immer als Freisinniger als Rebell und Bankenkritiker bekannt. Nun will er den Banken im Rahmen der Vollgeld-Initiative vollends an den Kragen. Deren Machenschaften hat er in seinem ersten Roman «Das Geheimnis von Montreux» schon angeprangert. Und schon 2007 ist dem FDP-Politiker im Zuger Kantonsrat, in dem Brändle von 2003 bis 2010 politisierte, wegen allzu kritischer Äusserungen Redeverbot erteilt worden. Doch nun geht er richtig in die Offensive.

Laut Vollgeld-Initiative soll die Nationalbank in Bern die volle Kontrolle über das Geld in der Schweiz haben – gemäss Artikel 99, Absatz 2, der Bundesverfassung: Der Bund allein schafft Münzen, Banknoten und Buchgeld als gesetzliche Zahlungsmittel.

Laut Vollgeld-Initiative soll die Nationalbank in Bern die volle Kontrolle über das Geld in der Schweiz haben – gemäss Artikel 99, Absatz 2, der Bundesverfassung: Der Bund allein schafft Münzen, Banknoten und Buchgeld als gesetzliche Zahlungsmittel.

(Bild: flickr.com)

Denn er will im Duktus der Vollgeld-Initiative den Banken ihre bisherige Oberhoheit über das Buchgeld, sprich, über das elektronische Geld nehmen – um zukünftige Finanzkrisen und Bankenabstürze zu verhindern. Denn das Dogma «Too big to fail», das auch für Banken in der Schweiz gilt und durch das die UBS 2008 mit 68 Milliarden Franken an Steuergeldern vor dem Untergang bewahrt wurde, soll laut Brändle nicht mehr angewandt werden.

Geldschöpfung unter demokratische Aufsicht stellen

«2008 ist mit der Finanzkrise alles so eingetroffen, wie ich es in meinem Buch angedeutet habe», sagt Brändle. Für ihn und die anderen 12 Initianten der Vollgeld-Initiative soll es künftig nicht mehr möglich sein, Steuergelder anzuzapfen, um Banken, die sich verspekuliert haben, zu retten. «Banken sollen bankrott gehen können, ohne dass das Geld der Sparer ebenfalls verloren geht.»

Damit dies gar nicht mehr passiert, müsse die Nationalbank wie über die Münzen und das Papiergeld auch die volle Souveränität über das elektronische Buchgeld erhalten. Quasi die Kontrolle über das «volle Geld», indem dessen Wertschöpfung unter demokratische Aufsicht gestellt wird. Brändle: «Die Nationalbank hat die Geldmenge gemäss Bundesverfassung zum Wohle der real wertschöpfenden Volkswirtschaft zu steuern und nicht wie die Banken für private Interessen.»

Dsa ist der Missstand, den die Vollgeld-Initiative heutzutage beklagt: Mehr als 80 Prozent der Geldschöpfung ist in privater Hand

Das ist der Missstand, den die Vollgeld-Initiative heutzutage beklagt: Mehr als 80 Prozent der Geldschöpfung ist in privater Hand.

(Bild: zvg)

Denn im Augenblick gebe es zwei Arten von Geld: die Münzen und die Banknoten – sowie das restliche elektronische Buchgeld, das rund 80 bis 90 Prozent ausmacht, über das die Nationalbank keinerlei Kontrolle ausübe, gibt Brändle zu bedenken. Früher sei das gesamte Geld bis in die 1970er-Jahre ja noch durch den Goldstandard gesichert gewesen. Doch heutzutage gelte das ja längst nicht mehr. Zum Goldstandard von Bretton Woods will Brändle aber nicht zurück.

Staatskapitalistische Züge

Dabei habe er grundsätzlich überhaupt nichts gegen elektronisches Geld – aber die Nationalbank soll eben dessen Umfang regulieren. Die Banken könnten dann die Verteilung des elektronischen Geldes wie bisher an den Kunden leisten. Grund: Das Buchgeld der Banken sei eben nicht wirklich reell, sondern allenfalls durch den Markt, den Finanzmarkt und die Börse getrieben.

Doch ist dieses hehre Ansinnen der Vollgeld-Initiative, das schon fast staatskapitalistische Züge trägt, nicht völlig utopisch? Schliesslich würde es die Banken komplett ihrer lukrativen Kreditgeschäfte berauben – ganz zu schweigen davon, dass Banken ohne Kreditgeschäfte und Spekulationen sicherlich gar kein Geld mehr verleihen würden.

«Viele Utopisten haben am Ende Veränderungen bewirkt.»

Thomas Brändle

Banker argumentieren darüber hinaus, dass sich die Kreditvermittlung an Private und Unternehmen teurer und komplizierter gestalte, denn das Kreditvolumen sei dann ja nicht mehr vom Markt, sondern zentral und nach dem Ermessen der Nationalbank gesteuert. Ausserdem verlören die Schweizer Banken zu Hause und im Ausland ganze Geschäftsfelder, weil diese sich dann eben nicht mehr lohnten.

Brändle schüttelt den Kopf. «Die Vollgeld-Initiative bringt den Banken keine finanziellen Nachteile, denn ob sie kostenlos selbst Geld erzeugen oder zu null Prozent von der Nationalbank leihen, macht keinen Unterschied.» Allerdings räumt er ein: «Die Investmentbanker der Schweizer Banken müssten bei Annahme der Vollgeld-Initiative wohl nach London auswandern.»

Wahlkampagne zur Vollgeld-Initiative.

Wahlkampagne zur Vollgeld-Initiative.

(Bild: zvg)

Das Ziel hinter dieser Vollgeld-Initiative ist aus Brändles Sicht aber auch, das Geld dort einzusetzen, wo es wirtschaftlich Sinn macht. Hinter dieser Überlegung steckt ein moralischer Ansatz. Ein freisinniger Ansatz, den Brändle als «Ordo-Liberaler», wie er sich selbst bezeichnet, mit gutem Gewissen vertritt. Denn es gehe ihm eben nicht – wie den Neo-Liberalen – nur um die Freiheit des Markts, sondern vor allem auch um die Freiheit des einzelnen Bürgers.

Nur zwischen 10 und 20 Prozent für die Initiative?

«Ich kann Moral und Politik eben nicht voneinander trennen», so Brändle. Deshalb will er auch die Geldschöpfung nicht mehr privaten Banken überlassen, sondern in die Hände der vertrauenswürdigeren Nationalbank übergeben.

Doch ist diese geradezu sozialromantische, pro mittelständische Vollgeld-Initiative an der Urne nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt? «Wahrscheinlich wird es nicht mehr als zwischen 10 und 20 Prozent Ja-Stimmen geben», ist Brändle realistisch. «Doch viele Utopisten haben am Ende konkrete Veränderungen bewirkt.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Jillnu
    Jillnu, 13.04.2018, 17:46 Uhr

    Vergessen gehen in der Diskussion die weitreichenden Nachteile für den Durchschnittsbürger und Schweizer KMUs. Kredite werden unter Vollgeld knapper und teurer, die Kosten für ein gebräuchliches Bankkonto erhöhen sich. Trotz dieser zusätzlichen Belastung profitieren sie nicht von der versprochenen höheren Sicherheit.

    NEIN zu Vollgeld – Planwirtschaft funktioniert auch im Geldmarkt nicht!

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  • Profilfoto von Nic Baschung
    Nic Baschung, 05.04.2018, 13:39 Uhr

    Hochachtung vor Menschen, die Moral nicht von Politik trennen können. Würde man nach diesen Kriterien den Politstall ausmisten, blieben wohl nur noch Vollgeldbefürworter übrig – also etwa 10 – 20 %.

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