Weshalb der Zwist vor Gericht enden könnte

Knatsch in Luzern Süd: Kriens pocht auf Ersatz für Bahnübergang

Die Zentralbahn will unter anderem diesen Bahnübergang auf Krienser Boden schliessen.

(Bild: giw)

Der Krienser Gemeinderat wehrt sich vehement gegen die Streichung zweier niveaugleicher Bahnübergänge in Luzern Süd. Sowohl Horw als auch die Zentralbahn sind entschlossen, die Übergänge aufzuheben. Das Bahnunternehmen beisst mit seinem Ersatzangebot in Kriens jedoch auf Granit. Nun droht der Gang vor Verwaltungsgericht.

Die Kuonimatt ist dem Horwer Dorfkern weit näher als das Stadtzentrum von Kriens – nur das Bahntrassee trennt das Quartier mitten im Boomgebiet Luzern Süd von den Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum der Seegemeinde. Und da liegt der Anstoss der Zankerei.

Ersatz für 6 Millionen Franken

Wer in der Umgebung aufgewachsen ist, weiss: Rasch können Fuss- und Velofahrer von der alteingesessenen Gartensiedlung auf die andere Seite gelangen – über zwei niveaugleiche Bahnübergänge. Einer liegt gerade noch auf Krienser Boden, der andere gehört knapp zur Gemeinde Horw. Beide sind nur wenige Meter voneinander entfernt und für Autofahrer seit ein paar Jahren gesperrt.

Die kleine Strasse quert den Bahnübergang von Horw in das mehrheitlich auf Krienser Boden liegende Kuonimatt-Quartier.

Die kleine Strasse quert den Bahnübergang von Horw in das mehrheitlich auf Krienser Boden liegende Kuonimatt-Quartier.

(Bild: giw)

Doch mit dem Status quo soll bald Schluss sein – die Zentralbahn möchte die zwei Übergänge schliessen. Als Ersatz baut Horw eine Unterführung in der Wegmatt für rund sechs Millionen Franken – ein paar hundert Meter in Richtung dem Seebecken. Die Lösung hat Horw entwickelt, welche ein Konzept beauftragte, das die Wegbedürfnisse der bisherigen und zukünftigen Bewohner im Gebiet untersuchte.

Die Zentralbahn argumentiert auch mit der Sicherheit – immer wieder komme es zu gefährlichen Situationen, weil Fussgänger die Schienen bei geschlossenen Schranken im letzten Moment vor einer Zugdurchfahrt queren. Ausserdem erfüllt die Zentralbahn den Auftrag des Bundes, wonach niveaufreie Bahnübergänge durch Unter- oder Überführungen zu ersetzen sind.

Horw profitiert von der Aufhebung – Kriens nicht

Mit dem Wechsel zum beinahe Siebeneinhalb-Minuten-Takt auf der S-Bahn-Strecke zwischen Horw und dem Hauptbahnhof Luzern ab dem Jahr 2021 sind die Schranken immer öfters unten. «Der Nutzen der Bahnübergänge wird dadurch längerfristig immer eingeschränkter und die Wartezeiten nehmen zu», sagt Gunthard Orglmeister, Leiter Infrastruktur der Zentralbahn.

Natürlich geht es auch ums Geld: Die Zentralbahn muss ihr Stellwerk in Horw erneuern – betroffen ist auch die Steuerung der zwei Barrieren. Wenn diese bleiben, würde die Erneuerung laut Orglmeister gegen 350’000 Franken mehr kosten. Als Kompensation für die Schliessungen erhält Horw finanzielle Unterstützung für die geplante Unterführung Wegmatt: rund eine halbe Million Franken für den in Horw liegenden Bahnübergang. Kriens könnte eine ähnlich hohe Entschädigung erhalten von der Zentralbahn für die zweite Bahnkreuzung.

Zusätzlich angeheizt wird der Knatsch zwischen Horw und Kriens, weil die Beiträge an die Schliessung der bestehenden Bahnübergänge knüpft: «Wenn die beiden Übergänge nicht geschlossen werden, müssen wir auf einen Beitrag für die Wegmatt-Unterführung und Massnahmen in Kriens verzichten. Wir dürfen öffentliche Mittel nur für die Ersatzmassnahmen im Zusammenhang mit der Schliessung einsetzen», sagt Orglmeister.

Die beiden Übergänge in Rot sollen weichen.

Die beiden Übergänge in Rot sollen weichen.

(Bild: giw / Karte: Google Maps)

Kriens sieht keinen Grund für Verhandlungen

Wenig überraschend kommen die Pläne zur Aufhebung nicht gut an: Der Gemeinderat hat Ende März Einsprache eingereicht. Der Erhalt der beiden Übergänge ist für Matthias Senn, Bauvorsteher von Kriens, wichtig. Die Exekutive wurde vom Parlament mit einem Vorstoss aufgefordert, ein Veto einzulegen: «Diese Wege müssen insbesondere für Velofahrer und Fussgänger beibehalten werden – gerade weil das Gebiet so stark wächst.»

Für Senn braucht es eine attraktive Verbindung für Fussgänger und Velofahrer. «Man kann die Übergänge nicht einfach aufheben.» Es bestehen laut Senn Verträge mit der Zentralbahn und Horw, die den Betrieb der beiden Bahnkreuze bis ins Jahr 2030 zusichern. Man sah deshalb vorgängig keinen Grund, mit Horw und dem Bahnunternehmen an einem Tisch über die Aufhebung zu verhandeln.

Umweg aus Sicht der Zentralbahn zumutbar

Betreibt Horw Wortbruch? «Überhaupt nicht. Wir sind von der geplanten Unterführung Wegmatt überzeugt», sagt der Horwer Gemeindepräsident Ruedi Burkard. Er ist erstaunt über das Vorgehen von Kriens: «Ich weiss nicht, weshalb Kriens nicht früher den Kompromiss gesucht hat.» Und Orglmeister von der Zentralbahn sagt: «Der bestehende Vertrag ist durchaus verhandelbar – ich bin zuversichtlich, dass wir eine Schliessung auf juristischem Weg erreichen können.»

«Kriens war mit dem Mittelweg nicht zufrieden.»
Ruedi Burkard, Gemeindepräsident Horw

Dass die Anwohner nun einen leicht längeren Umweg zu Fuss oder mit dem Velo gehen müssen, hält Orglmeister für zumutbar. Denn neben der geplanten Unterführung Wegmatt besteht auch eine am Krienser Bahnhof Mattenhof. In Zukunft würden nur wenige Hundert Meter die beiden Gleisquerungen trennen.

Horw vermisste Kriens am Verhandlungstisch

Burkard sagt, man habe vonseiten Horws immer eine Lösung angestrebt, bei der einer der beiden Übergänge erhalten bleiben sollte, und den Nachbarn an den Tisch gebeten. «Kriens war aber mit dem Mittelweg nicht zufrieden.» In einem derart urbanen Gebiet, wie es nun entsteht, wertet Burkard die Aufhebung der zwei Niveauübergänge als notwendig.

«Sicher wäre es für den Langsamverkehr im betroffenen Quartier wünschenswert, wenn zumindest einer der beiden Querungen bestehen bliebe.» Für die Horwer auf der Schienenseite ennet des Dorfzentrums sei es wichtig, möglichst ungehindert an die Flanier- und Einkaufsmeile von Horw zu gelangen.

Nur für Velo- und Fussgänger: Der Bahnübergang

Nur für Velo- und Fussgänger: Der Bahnübergang

(Bild: giw)

Unterführung für Rollstuhlfahrer nicht geeignet

Burkard wünscht sich dabei eine Unterführung anstelle des bestehenden ebenen Übergangs. «Das wäre die optimale Lösung aus unserer Sicht.» Doch da zeigen sich die Probleme der Nachbarstadt: «Wäre die Stadt Kriens finanziell besser aufgestellt, würde sie diese Unterführung realisieren», vermutet Burkard.

Auch Verbände setzen sich zur Wehr

Auch die Verbände VCS und Pro Velo haben mit Unterstützung der Anwohner Einsprache eingereicht. Insbesondere weil die Ersatzlösung Horwer Wegmatt für rote Köpfe sorgt bei den Umweltverbänden. Denn sie beinhaltet eine 180-Grad-Kurve. Aus Sicht von VCS-Präsident und Nationalrat Michael Töngi ist das ein «unbrauchbarer» Ersatz für Freunde des Drahtesels. Anders gehe es nicht, erklären Horw und Zentralbahn, denn eine Überbauung verhindert eine gestreckte Ausfahrt auf beiden Seiten der Unterführung.

Der Krienser Bauvorsteher betont, dass es nicht nur um die Kosten geht. «Eine Unterführung ist nicht einfach zu bauen an dieser Stelle.» Es besteht bereits eine Vorstudie für eine Rampe auf der Krienser- respektive Horwerstrasse. «Diese wäre jedoch relativ steil und für Velofahrer geeignet – aber nicht für Rollstuhlfahrende», sagt Senn.

«Entschädigung hätten wir auch sonst erhalten»

Orglmeister sagt, die Zentralbahn sei zuversichtlich, mit allen Einsprechern eine Einigung erzielen zu können. Derzeit bereite man einige Vorschläge für Kriens vor, die man mit den Betroffenen besprechen würde. «Wir sind in Gesprächen mit dem Krienser Tiefbauamt. Es ist unser Anliegen, zusammen mit allen Betroffenen eine gute Lösung zu finden, die für alle tragbar ist und auch langfristig die Sicherheit gewährleistet.» Vorstellbar wäre laut dem Leiter Infrastruktur bei der Zentralbahn beispielsweise ein finanzieller Beitrag an die Velo- und Fussgängerinfrastruktur von Kriens und eine Verbesserung an der geplanten Unterführung Wegmatt.

Der Gemeinderat Kriens erachtet das Angebot der Zentralbahn, als Ersatz für die Bahnquerung einen Beitrag an die Veloinfrastruktur von Kriens zu leisten, als ungenügend. «Dafür müssten wir keine Einsprache machen, diese Entschädigung hätten wir auch sonst erhalten.»

Zentralbahn wünscht Einigung bis im Sommer

Der Krienser Gemeinderat bevorzugt parallel zum weiteren Betrieb der Niveauübergänge eine Machbarkeitsstudie, die unterschiedliche Alternativen beurteilt. Unter anderem auch eine Bahnüberführung und eine Variante, die neben einer Unterführung auch einen Lift vorsieht. «Wir werden einen solchen Studienauftrag im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit der Zentralbahn vorschlagen.» Senn betont, an einer einvernehmlichen Lösung interessiert zu sein.

Das Bahnunternehmen möchte laut Orglmeister bis im Sommer eine Lösung vorweisen können. Sollte es keine Verhandlungslösung geben, muss sich erst das Bundesamt für Verkehr äussern. Gegen einen Entscheid des Bundesamtes für Verkehr könnten die Gemeinde Kriens oder andere Einsprecher beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen Beschwerde einlegen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Dave van Gestern
    Dave van Gestern, 09.04.2018, 14:52 Uhr

    Diejenigen Politiker, die in solchen Fällen einen hunderte Meter langen Umweg als „zumutbar“ bezeichnen sind immer diejenigen, die nicht im betroffenen Gebiet wohnen und sowieso immer mit dem Auto unterwegs sind. Ich als Kuonimättler hoffe, dass ein ebenerdiger Übergang erhalten bleibt, Unterführungen sind für viele Leute keine ideale Lösung – aus verschiedenen Gründen.

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