Bundesgericht beschränkt Limite – Zug zu hoch

«Zuger Finish»: 20 Franken pro Tag Lageressen

Nach Berlin fahren wohl die wenigsten Zuger Schüler: Und doch kostet so manche Klassenreise die Eltern mehr «Stutz» als ihnen lieb ist.

(Bild: flickr.com)

Schule bildet nicht nur. Schule kostet auch. Eltern müssen immer wieder das Portemonnaie zücken für Kosten, die ihren Kindern an öffentlichen Schulen abverlangt werden. Ein Bundesgerichtsurteil definiert nun eine Limite für Klassenausflüge – unter die in Zug üblichen Kosten.

Müssen Eltern gegebenenfalls Geld zuschiessen, wenn ihre Kinder ins Schullager verreisen? Ins obligatorische, wohlgemerkt. Nicht ins freiwillige Skilager etwa.

Ein jüngstes Bundesgerichtsurteil, das Beschwerden von Eltern im Kanton Thurgau guthiess, die unter anderem gegen Kostenbeteiligungen bei Schulreisen protestierten (siehe auch Box), hat dazu eine klare Meinung. Es dürften von Eltern keine Pauschalbeiträge für Schullagerwochen verlangt werden. «Denn alle notwendigen und unmittelbar dem Unterrichtszweck dienenden Mittel müssen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.»

Dazu gehören laut Bundesgericht auch die Kosten für Exkursionen und Lager, sofern diese obligatorisch seien. Man dürfe Eltern nur solche Kosten auferlegen, die sie aufgrund der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen. Dies seien einzig die Verpflegungskosten. Wobei diese Verpflegungskosten in den Augen der Bundesrichter je nach Alter des Kindes täglich nur zwischen zehn und 16 Franken betragen sollen. 

Nicht nur die Verpflegungskosten sind ein Problem

Wenn eine Zuger Schule von ihren Schülern für einen fünftägige Klassenausflug 100 Franken verlangt, ist das also im Prinzip ausserhalb des zulässigen Rahmens. Eine Mutter aus einer Zuger Gemeinde, die lieber anonym bleiben will, regt sich deshalb auf.

Melonenschnitze zur Erfrischung sind nicht teuer. Bei Schulreisen werden jedoch täglich bis zu 20 Franken pro Schüler an Verpflegungskosten veranschlagt.

Melonenschnitze zur Erfrischung sind nicht teuer. Bei Schulreisen werden jedoch täglich bis zu 20 Franken pro Schüler an Verpflegungskosten veranschlagt.

(Bild: flickr.com)

«Also, so viel ich weiss, bezahlten wir immer auch jeweils Fahrt- und Wohnkosten für unsere Kinder bei den Schulexkursionen. Diese Aussage mit der Verpflegung scheint mir arg geschönt! Wir haben für die mehrtägigen Reisen der Kinder immer um die 100 Franken oder auch darüber bezahlt. Und das waren obligatorische Lager.»

«Das geht ganz schön ins Geld.»

Mutter aus einer Zuger Gemeinde

Und die Mutter sieht ein weiteres Problem. Es bleibe eben nicht nur bei besagten Verpflegungskosten. «Zu den Ausgaben, die man der Schule erstatten muss, kommen meistens auch noch diverse Einkäufe zwecks Ausstattung für Exkursionen und Lager hinzu: Wanderschuhe, Regenjacken, Wetterwesten, Thermo-Unterwäsche und ein Schlafsack. Das geht ganz schön ins Geld. Und viele Kinder besitzen diese Dinge vorher nicht.»

Klar. Denn im Kanton Zug, wo knapp 30 Prozent Ausländer aus aller Herren Länder leben, stammen eben nicht alle Kinder, geschweige denn ihre Eltern, aus einem Alpenland und sind es deshalb nicht unbedingt gewohnt, jedes Wochenende bei Wind und Wetter zu wandern.

Herbstlager für 350 Franken in Einsiedeln plus, plus …

Aber auch ein anderer Vater aus dem Kanton Zug ärgert sich. Seine Tochter besucht die Wirtschaftsmittelschule in Zug. «Da wird dann ein einwöchiges Herbstlager in Einsiedeln durchgeführt. Kostenpunkt pro Schüler: 350 Franken.»

Die Lerninhalte der Woche könnten sich die Schüler in Zug jederzeit im normalen Betrieb aneignen. «Und: Obwohl man nun einen Computer mitnehmen muss – der natürlich auf eigene Rechnung erworben wurde – werden noch diverse Schulbücher fällig.» Ganz zu schweigen vom obligatorischen Sprachaufenthalt in Frankreich. Kostenpunkt hier: 2’100 Franken. «Dabei könnten die Schüler für 280 Franken einen Sprachtest in Zug absolvieren.»

Müde Krieger im Klassenlager. So etwas ist nicht teuer.

Müde Krieger im Klassenlager. So etwas ist nicht teuer.

(Bild: flickr.com)

Laut den Zuger Schulbehörden sieht die Sachlage nicht ganz so dramatisch aus.

«Für den Unterricht an den öffentlichen Schulen darf kein Schulgeld erhoben werden», stellt Markus Kunz klar. Für bestimmte Leistungen und Aufwendungen könnten jedoch Elternbeiträge erhoben werden. In der Verordnung zum Schulgesetz sei festgehalten, dass die Gemeinden berechtigt sind, von den Erziehungsberechtigten Beiträge für Verpflegungskosten bei Klassenlagern, Arbeits- und Projektwochen und Lehrausgängen zu verlangen. Sowie Reise-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten bei Schulreisen.

«Zuger Finish»?: Bis zu 20 Franken pro Tag als Verpflegungskosten

«Findet beispielsweise ein Klassenlager während der Schulzeit statt, und ist dies für die Schüler obligatorisch», so Kunz, «dürfen den Erziehungsberechtigten nur die Kosten für die Verpflegung auferlegt werden.» Da in der Regel die Verpflegungskosten pro Tag etwa 20 Franken pro Schüler betrügen, könnten für ein obligatorisches fünftägiges Klassenlager etwa 100 Franken von den Erziehungsberechtigten für die Verpflegung verlangt werden.

Finde das Lager hingegen in den Ferien statt – wie zum Beispiel die Sportwoche in den Sportferien, erklärt der Leiter der Schulaufsicht, dürften den Erziehungsberechtigten neben den Verpflegungskosten auch die Reise- und Unterkunftskosten auferlegt werden. Grund: der Besuch des Lagers sei freiwillig.

«Diese Verpflegungskosten liegen sicher knapp an der oberen Grenze.»

René Weber, Präsident Schule und Elternhaus, Kanton Zug

Was sagen offizielle Elternvertreter dazu? Aus der Sicht von René Weber, Präsident des Vereins Schule und Elternhaus in Zug und in der Gesamtschweiz, ist es bis jetzt noch nie vorgekommen, dass ein Schüler wegen finanzieller Probleme bei einem Klassenausflug nicht mitreisen konnte.

Schulreise nach Bayern gefällig?

Schulreise nach Bayern gefällig?

(Bild: flickr.com)

Aufs Sozialamt gehen, wenn Eltern das Geld fehlt?

«Ich bin auch Mitglied der Schulkommission in Unterägeri, und da ist mir kein solcher Fall bekannt.» Zumal sich Eltern notfalls ja ans Sozialamt oder ans Schulsekretariat wenden könnten, wenn es darum gehe, die Mittel für eine Schulreise aufzubringen. Aber wer geht schon freiwillig aufs Sozialamt? «Das kommt aufs Selbstwertgefühl der Eltern an», meint Weber.

Dass in Zug die Verpflegungskosten bei 20 Franken täglich veranschlagt sind, erscheint ihm allerdings auch etwas fragwürdig. «Diese liegen sicher knapp an der oberen Grenze.» Dass so manche Kinder sich zahlreiche Dinge wie Regenjacken und Wanderschuhe extra für bestimmte Klassenfahrten kaufen müssten, findet er hingegen nicht so schlimm. «So eine minimale Ausrüstung ist ja immer gut und man kann sie ja auch sonst gebrauchen. Allerdings könnte man den Eltern vielleicht Tipps geben, wo sie solche Sachen günstiger bekommen.»

Das Schulgesetz sagt: Auch Deutschkurse sind unentgeltlich

Können Eltern auch dazu verpflichtet werden, einen Teil der anfallenden Kosten zu bezahlen, wenn ihre Kinder etwa zum Besuch eines Deutschkurses verpflichtet werden?

Eltern im Kanton Thurgau, die sich im August 2016 gegen diese Regelungen der Schulbehörden wehrten, haben nun vom Bundesgericht Recht bekommen, wie die «Neue Zürcher Zeitung» berichtet. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Eltern gut und argumentiert unter anderem damit, dass solche Regelungen gegen die in der Bundesverfassung verbriefte Chancengleichheit verstosse. 

Integration des Kindes steht im Vordergrund

Will heissen: Wenn eine Schule findet, dass ein Kind einen Sprachkurs benötigt, damit es dem Unterricht folgen kann, könne die Schule nicht auch noch eine finanzielle Beteiligung der Eltern an den Kosten des Sprachkurses fordern, so das Bundesgericht. Schliesslich gehe es um die Integration des Kindes.

«Der Deutschunterricht für fremdsprachige Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen – Deutsch als Zweitsprache – gehört zum Grundangebot der Volksschule», nimmt Markus Kunz, Leiter der Abteilung Schulaufsicht beim kantonalen Amt für gemeindliche Schulen, Stellung. Der Besuch dieses Unterrichts sei an allen gemeindlichen Schulen unentgeltlich, genauso wie grundsätzlich der Unterricht an den öffentlichen Schulen.

Im Schulgesetz des Kantons Zug ist diese Unentgeltlichkeit also vorgeschrieben. So müssen die gemeindlichen Schulen im Kanton Zug dafür Sorge tragen, Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen besonders zu fördern. «Es wird dabei zwischen Anfangsunterricht und Aufbauunterricht unterschieden. Je weniger Deutschkenntnisse am Anfang vorhanden sind, desto intensiver erfolgt die Sprachförderung. Sobald die Kinder über genügend Sprachkenntnisse verfügen, werden sie dabei unterstützt, dem normalen Regelklassenunterricht zu folgen», so Kunz.

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