Halbzeitbilanz mit der Zuger Frau Landammann

Weichelts Kampf für Frauenanliegen geht auch 2018 weiter

In den unterirdischen Gängen des alten Kantonsspitals: Manuela Weichelt auf dem Weg zu den Lokalitäten des Türkischen Vereins, wo die Landamannfeier stattfand.

(Bild: Thomas Gretener)

Sie ist nach wie vor die einzige Linke und nach wie vor die einzige Frau in der Zuger Regierung: Manuela Weichelt. Die 50-jährige alternativ-grüne Politikerin zieht im Interview mit zentralplus Halbzeitbilanz – als Frau Landammann. Und macht eine Ansage, die aufhorchen lässt. 

zentralplus: Frau Weichelt, es hat geschneit: Mögen Sie Schnee?

Manuela Weichelt: Sehr. Für mich sind damit Kindheitserinnerungen verbunden wie weisse Weihnachten – etwas Festliches.

zentralplus: Schnee hat ja auch etwas Beruhigendes, Dämpfendes, Relativierendes. Sind Sie froh, dass jetzt für Sie erstmal Halbzeit als Frau Landammann ist?

Weichelt: Ja und nein. Das Jahr in meiner neuen Funktion ist sicher ein rechter Zusatzaufwand für mein Team und mich: aufgrund von mehr Terminen und intensiver Vorbereitung der Regierungsratssitzungen, welche ich leite. Andererseits ist es ein wunderschönes Amt, das mit dem Führen von Gremien und Repräsentieren des Kantons verbunden ist. Zudem kommt man mit vielen neuen Menschen ins Gespräch.

zentralplus: Mit welchen Leuten sind Sie denn neu ins Gespräch gekommen?

Weichelt: Zum Beispiel habe ich beim kantonalen Schützenfest interessante Kontakte geknüpft, bei der Wallfahrt nach Einsiedeln, an der grossen Jubiliäumsfeier der «zuwebe» und an der Vernissage des Chriesibuchs, um nur einige wenige Anlässe zu nennen.

Krankenschwester und Sozialarbeiterin

Manuela Weichelt ist seit 2007 im Zuger Regierungsrat. Sie leitet die Direktion des Innern. Die grünalternative Politikerin ist von Beruf diplomierte Krankenschwester und Sozialarbeiterin. Nach ihrem Diplom hat sie ein Studium als Master of Public Health am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universitäten Basel, Bern und Zürich abgeschlossen. Sie arbeitete für das Gesundheitsamt des Kantons Graubünden und war Mitglied des Kaders beim Schweizerischen Roten Kreuz im Kanton Zürich. Von 1994 bis 2002 wirkte sie im Zuger Kantonsrat. Von 2006 bis 2007 war sie Präsidentin Alternative Kanton Zug.

zentralplus: Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bilanz als Frau Landammann?

Weichelt: Ja, ich habe es geschafft, eine gewisse Entschleunigung zu erreichen. Trotzdem konnten zahlreiche Projekte in der Regierung abgeschlossen werden. Zudem habe ich die Wertediskussion, die ich bereits bei meiner Wahl angestossen habe, immer wieder geführt und auf die Bedeutung von Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz gegenüber Andersdenkenden, hingewiesen.

zentralplus: Was haben Sie aus Ihrer Sicht gut gemacht?

Weichelt: Ich konnte den Kanton Zug zusammen mit dem Gesamtgremium des Regierungsrats gut repräsentieren und war mehrmals in ständerätlichen oder nationalen Kommissionen in Bern, um die Interessen der Kantone zu vertreten.

zentralplus: Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf in der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit als Frau Landammann?

Weichelt: Bei der Aufarbeitung der Geschichte der sozialen Fürsorge im Kanton Zug und  bei der Umsetzung des Bundesgerichtsentscheid im Zusammenhang mit der Gleichstellung im Kanton Zug etwa.

zentralplus: Was bedeutet das konkret?

Weichelt: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es im Kanton Zug für den Gleichstellungsauftrags eine formell gesetzliche Grundlage braucht und es zweifelt daran, dass der Gleichstellungsauftrag ohne zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen umgesetzt werden kann. Wichtig ist unter anderem die Erhöhung von Frauen in Führungspositionen der kantonalen Verwaltung oder die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Kantonsmitarbeitenden. Ein wesentliches Ziel der Gleichstellungspolitik muss auch die Partizipation von Frauen in der Politik sein.

Manuela Weichelt mit ihrem Ehemann Arnim Picard und den Töchtern Rezia (links) und Lina (rechts)

Manuela Weichelt mit ihrem Ehemann Arnim Picard und den Töchtern Rezia (links) und Lina (rechts)

(Bild: Thomas Gretener)

zentralplus: Apropos Gleichstellung. Stört es Sie nicht, dass Sie die offizielle Bezeichnung Frau Landammann tragen? Das ist ja ein klassischer Zwitter. Wäre da Landammännin nicht logischer?

Weichelt: Ich kann diesen sicher nicht mehr ganz zeitgemässen Traditionsnamen nicht ändern. Es ist nicht lange her, seit das Zuger Parlament diese Bezeichnung bestätigt hat. Meines Erachtens wäre es aber sicher einfacher und allgemein verständlicher, diesen Begriff durch die Bezeichnung «Regierungspräsidentin» zu ersetzen. 

zentralplus: Sie sind nach wie vor die einzige Linke und nach wie vor die einzige Frau im Regierungsrat. Hat Ihnen Ihre Rolle als Frau Landammann noch mehr Gehör verschafft in der Regierung?

Weichelt: Ja, denn es ist ein Unterschied, ob ich führe oder ob ich geführt werde. Ich führe gerne.

zentralplus: Der Ruf nach mehr Frauen in der Zuger Politik ist nicht verstummt. Woran liegts denn, dass noch immer nicht so viele Frauen im Regierungsrat vertreten sind? In den gemeindlichen Exekutiven gibts ja inzwischen einige Frauen.

«Ich mache Frauen Mut.»

Weichelt: Es gibt Parteien, die inzwischen Nachwuchsförderung betreiben und Frauen unterstützen. Dennoch müssen die Frauen dann auch erstmal die Hürden nehmen, nominiert zu werden. Häufig werden sie dabei blockiert.

zentralplus: Von Männern?

Weichelt: Von Männern, Männernetzwerken. Aber auch vom ganzen System. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor eine Herausforderung, und die Strukturen entsprechen nicht dem Bedarf. Dies zeigt auch der neuste Monitoringbericht zur Kinderbetreuung im Kanton Zug aus meiner Direktion. Zudem wird den Frauen immer wieder die Fähigkeit für die Politik und die Führung abgesprochen. Dies demonstrieren einige Zahlen. Seit der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen 1971 waren unter den 34 Zuger Regierungsratsmitgliedern nur vier Frauen. Oder anders ausgedrückt: Von den 334 Personenjahren im Regierungsrat, fallen bis heute nur 28 Amtsjahre auf Frauen. Eine frustrierende Bilanz.

zentralplus: Eine frustrierende Bilanz, in der Tat. Was tun Sie dagegen als Politikerin?

Weichelt: Ich versuche, ein Vorbild zu sein und thematisiere solche Sachverhalte in der Öffentlichkeit immer wieder – nicht erst seit dem Film «Die göttliche Ordnung»! Ich mache Frauen Mut. Vielleicht brauchen wir irgendwann auch einfach eine richtig grosse Debatte zu diesem Thema.

zentralplus: Da sind wir mal gespannt. Wie gut geht’s eigentlich dem Kanton Zug nach all den Sparrunden? Ist Zug auf dem Weg, ein normalerer oder schlechterer Kanton zu werden?

«Der Kanton Zug wird sicher ein wirtschaftsfreundlicher Kanton bleiben.»

Weichelt: Die Sparrunden sind ja noch nicht abgeschlossen. Aber klar ist, dass es auf Dauer nicht funktioniert, wenn der Kanton weniger einnimmt als er ausgibt. Das kann sich niemand leisten, keine Privatperson, keine Firma und auch kein Kanton. Im Rahmen von «Finanzen 19» braucht es deshalb eine nachhaltige Erhöhung der Steuererträge, indem der Steuerfuss erhöht wird und eine neue oberste Einkommens-Tarifstufe eingeführt wird. Zug wird weiterhin ein wirtschaftsfreundlicher Kanton bleiben. Auch das Projekt ZFA, also der innerkantonale Finanzausgleich, ist noch nicht durch.

zentralplus: Andererseits: Die Verkehrsstaus und die Verdichtung in Zug nehmen immer noch zu. Die Mieten und Eigenheimpreise werden nicht billiger. Bleibt da überhaupt noch Platz für Durchschnittsbürger und einfachere Leute, oder kippt Zug weiter ab in Richtung Luxus-Destination?

Weichelt: Ich hoffe nicht und werde mich deshalb politisch dafür einsetzen, dass keine Verdrängungskämpfe stattfinden. Dass es auch künftig eine Vielfalt im Kanton Zug gibt. Dass keine Ghettoisierungen eintreten.

zentralplus: Der neueste Hype in Zug sind die Bitcoins. Zahlen Sie eigentlich auch schon in der Kryptowährung?

Weichelt: Nein. Ich finde, es ist eine interessante Entwicklung, die man weder verteufeln noch in den Himmel jubeln sollte.

zentralplus: Was wollen Sie damit sagen?

Weichelt: Kaum jemand versteht wirklich, was sich hinter Begriffen wie Bitcoin und Blockchain verbirgt. Die aktuelle Kursentwicklung von Bitcoin nährt die Hoffnung auf schnelle Spekulationsgewinne. Dabei scheint der Crash vorprogrammiert. Kein Wunder tauscht das Zuger Handelsregister als Zahlung akzeptierte Bitcoins sofort in Franken um. Das ganze hat auch eine ökologische Komponente: der Betrieb des Bitcoin-Netzwerkes verschlingt systembedingt immer mehr Energie. Gemäss dem Fachmagazin ct› sind es aktuell 1000 MW, also die Leistung des AKW Gösgen! Das hat keine Zukunft. Was hingegen die Zukunft der Blockchain-Technologie betrifft, so höre ich unterschiedliche Einschätzungen, die von «Das ist unsere Zukunft» bis zu «noch längst nicht ausgereift» reichen. Wir werden sehen.

«Meine zwei Kinder kennen gar nichts anderes. Sie wissen, ihre Mutter ist in der Politik.»

zentralplus: Wie haben Sie Ihr Jahr als Frau Landammännin persönlich erlebt? Fühlen Sie sich populärer?

Weichelt: Ich glaube nicht, dass es darum geht populärer zu werden…

zentralplus: Aber Sie haben ja faktisch mehr Leute als vorher getroffen, also sind Sie auch bekannter als vorher.

Weichelt: Das ist richtig. In erster Linie ist es einfach ein Privileg, Frau Landammann sein zu dürfen, und natürlich hat es mich gefreut, dass mir der Kantonsrat sein Vertrauen geschenkt hat.

zentralplus: Wie kommt Ihre Familie mit Ihrem volleren Terminplan eigentlich klar? Können Sie Ihren Kindern immer noch einen Gute-Nacht-Kuss geben, bevor sie schlafen gehen?

Frau Landammann im Dezember 2017.

Frau Landammann im Dezember 2017.

(Bild: Regine Giesecke)

Weichelt: Das habe ich vorher schon kaum je gekonnt – als ich noch ausschliesslich Regierungsrätin war. Meine zwei Kinder kennen nichts anderes. Sie wissen, ihre Mutter ist in der Politik. Sie haben aber auch noch einen tollen Vater, der ebenfalls da ist. Meinen Kollegen im Regierungsrat, die Familienväter sind, geht es übrigens gleich.

zentralplus: Sie sind jetzt seit 10 Jahren im Regierungsrat. Wie lange wollen Sie das noch machen?

Weichelt: Ich entscheide mich im Frühling.

zentralplus: Das hört sich so an, als würden Sie aufhören wollen…

Weichelt: Ich entscheide mich, wie gesagt, im Frühling.

zentralplus: Würden Sie denn gerne mal die Direktion wechseln? Die Direktion des Innern ist ja mit all ihren Abteilungen kein Zuckerschlecken.

Weichelt: Ich führe eine äusserst spannende Direktion! Nachdem sich der Kantonsrat im Dezember für sieben Regierungsratsmitglieder entschieden hat, wird es nun bekanntlich zu einer Verwaltungsreform kommen, bei der die einzelnen Direktionen ab 2019/2020 anders zusammengesetzt sein werden. Zum Beispiel soll es ja neu eine Direktion für Umwelt und Gesundheit geben.

«Es gibt ja auch Berufe, wo die Männer inzwischen fehlen.»

zentralplus: Was wünschen Sie sich 2018 für den Kanton Zug?

Weichelt: Frieden, Toleranz, Gerechtigkeit. Den Kanton Zug als Heimat. Drei, vier Regierungsrätinnen bei den nächsten Gesamterneuerungswahlen. Dass wir einen Riesenschritt in Richtung Gleichstellung machen. Seit Jahren belegen Studien den wirtschaftlichen Mehrwert durchmischter Gruppen an der Spitze von Firmen. Das gilt auch für den Staat. Allerdings: Nicht nur Frauen haben Aufholbedarf. Es gibt ja auch Berufe, wo die Männer inzwischen fehlen.

zentralplus: Die da wären?

Weichelt: Zum Beispiel in der Primarschule und im Kindergarten.

zentralplus: Und was wünschen Sie sich persönlich für 2018?

Weichelt: Gesundheit für meine ganze Familie.

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