Luzerner Regierungsrat lehnt öV-Initiative ab

VCS-Präsident: «Die Regierung operiert mit veralteten Zahlen»

Ergänzen Metros dereinst die Busse? Die Stadt soll ein neues System für den öffentlichen Verkehr prüfen.

(Bild: Fotoagentur AURA)

Auch die dritte Initiative der «Luzerner Allianz für Lebensqualität» fällt bei der Regierung durch. Die Initianten wollen jährlich 60 Millionen für den öffentlichen Verkehr in einen Fonds einspeisen. Mangels finanzieller Mittel sei dies eine schlechte Idee, so die Regierung. Doch die Sache hat einen Haken.

Die «Luzerner Allianz für Lebensqualität» hat im November 2016 die Volksinitiative «Vorwärts mit dem öffentlichen Verkehr» eingereicht. Das überparteiliche Komitee fordert, dass ein Fonds eingerichtet wird, in den jährlich mindestens 60 Millionen Franken fliessen. Die Regierung lehnt das Begehren ab, der bisherige Weg habe sich bewährt, wie sie diesen Dienstag bekannt gibt. «Zudem hätte eine Annahme der Initiative erhebliche Mehrkosten zur Folge.»

Betrag höher als öV-Bedarf

Die Regierung schreibt: «Die Mehrkosten müssten durch Leistungsreduktionen in anderen Aufgabenbereichen eingespart werden, soweit sie nicht durch zusätzliche Einnahmen gedeckt werden können.» Damit würde der öV gegenüber anderen Staatsaufgaben wie Gesundheit, Bildung oder öffentlicher Sicherheit privilegiert. Sprich, anderswo müsste gespart werden. «Die Initiative würde die sozialverträgliche Wiederherstellung eines ausgeglichenen Staatshaushalts stark gefährden», heisst es in Anspielung auf die finanzielle Schieflage des Kantons (zentralplus berichtete).  

Weiter würde die jährliche Mindesteinlage von 60 Millionen Franken im Vergleich zu den tatsächlichen Ausgaben der letzten fünf Jahre theoretisch zu einer Überfinanzierung des öV führen. Aktuell fliessen knapp 40 Millionen Franken pro Jahr in den Verkehrsverbund Luzern (VVL). Dieser Beitrag wurde in den letzten Jahren leicht gesenkt – von 40 Millionen im Jahr 2013 auf 38,8 Millionen Franken 2017. Hinzu kommen Investitionskosten in die Infrastruktur – diese bewegen sich zwischen 3 und knapp 8 Millionen Franken. Die Regierung weist in ihrer Botschaft die Zahlen der vergangenen Jahre aus:

 

Ausgaben werden 60 Millionen übersteigen

Der Präsident des Verkehrsclubs Luzern (VCS), Michael Töngi, kritisiert diese Betrachtung: «Der Regierungsrat operiert mit veralteten Zahlen aus der Zeit 2012 bis 2016. Gemäss öV-Bericht sind in der Zeit von 2018 bis 2021 vier Mal höhere Investitionen nötig.» Wenn der Regierungsrat ernsthaft auf Basis der erwähnten Zahlen weitermachen wolle, dann könne der Kanton die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs vergessen, so der Neo-Nationalrat.

Töngi erklärt: «Gemäss Prognosen soll der öffentliche Verkehr bis 2030 um rund 30 Prozent ausgebaut werden.» Dazu müssten die finanziellen Mittel bereitgestellt werden – gefordert sind 60 Millionen Franken. Betrachtet man die Prognosen im Aufgaben- und Finanzplan 2018–2021, ist erkennbar, dass der Kanton die Grenze von 60 Millionen Franken ab 2020 überschreiten wird:

 

Ab 2020 kann man also nicht mehr von einer «Überfinanzierung» sprechen. Beim Departement für Bau, Umwelt und Wirtschaft hält man trotz Kritik auf Anfrage fest, dass es mit den von der Initiative geforderten 60 Millionen Franken eine «Überfinanzierung» des öffentlichen Verkehrs geben würde. Die geplanten Projekte gemäss der Liste im Aufgaben- und Finanzplan könnten jedoch vollständig finanziert werden. Darunter befinden sich etwa diverse Bushubs oder ein Fernbus-Terminal.

Töngi spricht von «absoluter Fehlleistung» 

«Der Kanton ist bei vielen Projekten in Verzug und hat keine Idee, wie er die grosse Nachfrage finanzieren will», widerspricht Töngi. «Mit der bisherigen Abbaupolitik wurden grosse Projekte verzögert. Dass die Linie 1 erst zwei Jahre nach der Eröffnung der Mall of Switzerland erstellt wird, ist eine absolute Fehlleistung.» 

Die «Luzerner Allianz für Lebensqualität» hat insgesamt drei Initiativen eingereicht, welche eine Diskussion über Leistungen des Kantons auslösen wollen (siehe Box am Ende). Beim öV werde gespart trotz hoher Nachfrage und Bevölkerungswachstum. «Für den Strassenbau besteht schon seit Langem ein eigenes Kässeli», kritisiert Töngi. In diesem Bereich sei deshalb nicht gespart worden. Der Kantonsrat der Grünen fasst zusammen: «Wollen wir eine umweltbewusste Mobilität, so müssen wir den öV dem Strassenbau mindestens gleichstellen.»

Der Regierungsrat geht mit den Initianten insofern einig, «dass die Förderung des öffentlichen Verkehrs hohe Priorität haben muss – ansonsten kann die steigende Nachfrage nach Mobilität nicht bewältigt werden». In diesem Zusammenhang hat die Regierung diesen Montag den öV-Bericht präsentiert (zentralplus berichtete).


 

Das öV-Angebot beurteilt die Luzerner Regierung als positiv: «Der Kanton Luzern hat in den letzten Jahren intensiv in den öffentlichen Verkehr investiert.» Am Seetalplatz sei ein vollständig neues Verkehrsregime entworfen und der Agglo-Verkehr auf neue Busknoten ausgerichtet worden. Zudem habe man auf stark nachgefragten Strecken Fahrplanverdichtungen und Angebotserweiterungen realisiert.

Drei Initiativen – Regierung sagt drei Mal Nein

Die «Luzerner Allianz für Lebensqualität» setzt sich gegen die Abbaumassnahmen der letzten Jahre ein. Sie lancierte drei Initiativen: «Vorwärts mit dem öffentlichen Verkehr», «Für eine sichere Gesundheitsversorgung» und «Für eine hohe Bildungsqualität». Bei den Initiativen geht es vordergründig um Leistungen, zudem schwingt Kritik an der Finanzpolitik mit. «Der Zusammenhang mit der Tiefsteuerstrategie ist nicht von der Hand zu weisen», sagte etwa Urban Sager, Präsident des Verbands des öffentlichen Personals (VPOD) und SP-Kantonsrat, als Reaktion auf das Nein zur Bildungs-Initiative zu zentralplus.

Die Luzerner Regierung empfiehlt alle drei Initiativen zur Ablehnung. Nebst inhaltlichen Gründen spielen die Mehrkosten überall eine Rolle. Als Nächstes berät der Kantonsrat über die Anliegen. Folgt die bürgerliche Mehrheit der Regierung, wird das Volk das letzte Wort haben.

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