Alternativ-Grüne stellen Zuger Regierung Fragen

Paradise Papers: «Die Spuren der Ausbeutung führen nach Zug»

Hauptsitz von Glencore in Baar: Der Rohstoffkonzern erscheint in 30'000 Dokumenten der «Paradise Papers».

(Bild: pbu)

Die «Paradise Papers» wühlen die Welt auf. In den skandalösen Papieren tauchen auch Zuger Unternehmen auf. Die Alternative – die Grünen in Zug haben deshalb eine Interpellation an den Zuger Regierungsrat gerichtet. Bei zentralplus nimmt Zugs Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel schon mal Stellung.

«Die Enthüllungen der Paradise Papers durch 96 Medienhäuser bringen erschütternde Fakten ans Licht. So entgingen der in Armut lebenden Bevölkerung in Angola und im Kongo Millionen, infolge korrupter Geschäftspraktiken durch unter anderem im Kanton Zug ansässige Unternehmen.» Mit diesem Wortlaut reagiert die Alternative – die Grünen auf die jüngsten Publikationen im «Tagesanzeiger» zu den «Paradise Papers». In ihrer Interpellation an die Zuger Regierung prangert die ALG fragwürdige Geschäftspraktiken an.

Grüne: «Korruption, Steuerdumping, unlautere Geschäftspraktiken»

Unter dem Titel «Spuren der Ausbeutung führen nach Zug» argumentieren die Zuger Linken, dass die versprochene «Eigenregulation» der Rohstoffbranche durch diese Enthüllung in sich zusammenfallen würde wie ein Kartenhaus, schreibt die Partei in ihrer Medienmitteilung. «Korruption, Steuerdumping, unlautere Geschäftspraktiken» – davor könne auch der Kanton Zug seine Augen nicht verschliessen, sind die Zuger Linken überzeugt. Sagt’s und richtet verschiedene Fragen an die Zuger Regierung.

Die Grünen wollen unter anderem wissen, ob der Regierungsrat keinen Zusammenhang sieht zwischen der «zugerischen Tiefststeuerpolitik zugunsten von Rohstoffmultis und solchen Skandalen». Ausserdem fragt die Partei nach, ob die Zuger Regierung gegenüber Firmen wie Glencore und Quantum-Global «in einem kritischen Sinn» vorstellig werde.

«Der Bund»: Quantums-Geschäftsführer 2011 in Zug verurteilt

Apropos. Die Firma Quantum Global Corporate Services AG, die ihren Hauptsitz in Zug an der Bahnhofstrasse hat, lässt angeblich reichlich Gelder bei der Verwaltung des fünf Milliarden Dollar schweren angolanischen Staatsfonds in die eigenen Taschen fliessen, wie «Der Bund» recherchiert hat. Delikat: Der 50-jährige schweizerisch-angolanische Geschäftsführer Jean-Claude Bastos von Quantum sowie ein Geschäftspartner sind laut der Zeitung bereits 2011 vom Zuger Strafgericht wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt worden.

Konkret habe der angolanische Staatsfonds sich Bastos’ Finanzdienste sehr viel kosten lassen, schreibt «Der Bund». Sprich: Drei Milliarden des Staatskapitals liegen offenbar in sieben Investment-Fonds, die Quantum Global offenbar 2014 und 2015 in der Steueroase Mauritius gründete. Eine mauritische Quantum-Global-Firma verwalte die Fonds, was der Firma pro Jahr ab 2015 ein garantiertes jährliches Einkommen von 60 bis 70 Millionen Dollar in die Kasse spüle.

Viele Menschen in Angola leben in Armut. Müssten sie nicht mehr vom angolanischen Staatsfonds profitieren?

Viele Menschen in Angola leben in Armut. Müssten sie nicht mehr vom angolanischen Staatsfonds profitieren?

(Bild: flickr.com)

Doch zurück zu den Zuger Grünen. Diese wollen auch wissen, ob die Zuger Regierung bereit ist, zusätzliche Normen im Aktienrecht einzusetzen. Will heissen: Dass etwa nicht nur Rohstofffirmen, sondern auch Rohstoffhandelsfirmen Transparenzvorschriften einhalten müssen. «Wie gross der diesbezügliche Handlungsbedarf ist, zeigen die neuesten Enthüllungen angesichts der schwerwiegenden Vorfälle um Glencore.» Dabei soll es sich, wie gesagt, vor allem um Steuerschlupflöcher und Kooperation mit korrupten Regimen handeln.

«Wir legen unsere ökonomischen Beiträge vollständig offen, einschliesslich unserer Steuern, Lizenzgebühren und sonstigen Zahlungen an Regierungen.»

Glencore

Was die Sonderrolle der Glencore (zentralplus berichtete) anbelangt, deren Geschäfte laut «Tagesanzeiger» allein 30’000 Dokumente in den «Paradise Papers» betreffen, beantwortet der Zuger Rohstoffgigant keine von zentralplus gestellten konkreten Fragen. Es wird auf die offizielle Stellungnahme verwiesen, die der Konzern gestern veröffentlichte.

In dem zweieinhalb Seiten umfassenden, deutschsprachigen Presse-Communiqué heisst es zu Beginn, dass Glencore seine Steuerpflichten erfülle – «im Einklang mit den Gesetzen und Rechtsvorschriften der Länder und Gebiete, in denen wir tätig sind. Wir legen unsere ökonomischen Beiträge vollständig offen, einschliesslich unserer Steuern, Lizenzgebühren und sonstigen Zahlungen an Regierungen». Demgemäss hat Glencore 2016 vier Milliarden US-Dollar an Steuern und Lizenzgebühren an die Regierungen der Gastländer gezahlt.

Wo sind 445 Millionen Dollar geblieben?

Zudem entspreche die Glencore-Offenlegung der EU-Rechnungslegungsrichtlinie. Und Glencore unterstütze zudem die «Extractive Industries Transparency Initiative»: «Wir legen unsere ökonomischen Beiträge vollständig offen, einschliesslich unserer Steuern, Lizenzgebühren und sonstigen Zahlungen an Regierungen.»

Des Weiteren versucht Glencore in seinem Communiqué die verschachtelten und verstrickten Beteiligungsmodelle und Joint-Venture-Vereinbarungen der Schürfrechte in der Demokratischen Republik Kongo darzustellen. Stichwort Katanga. Darin steht nicht, warum die blutarme Zentralafrikanische Republik eigentlich nicht reicher ist, als sie es sein könnte – aufgrund der weltweit so begehrten Erzförderungen.

Zwischen den Zeilen des Glencore Statements lässt sich allerdings ahnen, dass einiges an dem Erwerb von Minenlizenzen in der Republik Kongo nicht stimmig wirkt. Denn am Ende kostete der Zugang zu den Kupfer- und Kobaltminen statt den ursprünglich vom Staat verlangten 585 Millionen Dollar nur 140 Millionen Dollar, die vom isrealischen Mittelsmann Dan Gertler im Auftrag von Glencore bezahlt wurden. Wo also sind die 445 Millionen Dollar geblieben? Im Korruptionssumpf versandet? Als Schmiergeld geflossen? Glencore behauptet, es alles mit rechten Dingen im Kongo zugegangen.

«Die Vorwürfe sind zum Teil schwer, der Kreis der Verdächtigen gross»

Und was sagt Zugs Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel zu den «Paradise Papers» und zu den jüngsten Verstrickungen Glencores? Das Exklusiv-Interview von zentralplus mit dem FDP-Regierungsrat.

zentralplus: Was sagen Sie zu den neuesten Enthüllungen der «Paradise Papers» bezüglich betroffenen Zuger Firmen?

Matthias Michel: Die Vorwürfe sind zum Teil schwer und der Kreis der Verdächtigen gross. Entsprechend wichtig wird es sein, zu beurteilen, ob neben dem vielen medialen Rauch auch ein Feuer brennt.

zentralplus: Was meinen Sie damit?

Michel: Ich meine damit, ob wirklich Rechtsverletzungen begangen worden sind. Ich erinnere an den Fall der «Panama Papers». Bis dahin sind es Verdachtsmomente, und es gilt die Unschuldsvermutung. Entsprechend wichtig ist es, dass auf den Bermudas die dortigen Behörden bei Anzeigen die entsprechenden Verfahren korrekt führen. Ich erwarte das, denn die Bermudas sind – als Überseegebiet von Grossbritannien – ein Rechtsstaat.

zentralplus: Welche Schlüsse ziehen Sie, was Glencore betrifft?

Michel: Bis die Vorwürfe in rechtsstaatlichen Verfahren geklärt sind, ziehe ich keine voreiligen Schlüsse.

zentralplus: Gerät durch diese Recherchen der Standort Zug nicht wieder einmal in Misskredit?

Michel: Derzeit nicht. Erstens sind es vorerst nur Verdächtigungen. Zweitens sind weder der Kanton als solcher noch Zuger Behördenmitglieder im Kreis der Verdächtigen genannt. Soweit erkennbar, wird dem Standort Zug kein Fehlverhalten vorgeworfen.

Zugs Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel.

Zugs Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel.

(Bild: mbe.)

zentralplus: Ist der Regierungsrat bereit, die vorgeschlagenen Transparenzvorschriften für Rohstofffirmen einzuhalten bzw. anzuwenden?

Michel: Der Bundesrat hat ja im Rahmen des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastruktur Transparenzvorschriften vorgeschlagen. Der Regierungsrat hat im Rahmen der Vernehmlassung diesen Vorschlägen zugestimmt. Für die Einhaltung der Transparenzvorschriften ist jede Unternehmung, auf welche diese Vorschriften anwendbar sind, selber verantwortlich. Die Aufsicht liegt beim Bund – der Kanton hat hier keine gesetzlichen Aufgaben. Ab 2018 haben die grossen Konzerne, nicht nur Rohstofffirmen mit einem Umsatz grösser als 750 Millionen Franken, einen länderspezifischen Bericht den betroffenen Ländern via Bund zukommen zu lassen.

zentralplus: Und was gedenkt der Regierungsrat generell zu tun?

Michel: Konkret gibt es aus den medialen Vorwürfen keinen konkreten Handlungsbedarf der Zuger Behörden, da nicht die Gesetzgebung bzw. deren Anwendung im Kanton Zug oder das rechtsstaatliche Verhalten unserer Behörden infrage steht. Generell hat der Regierungsrat im Zusammenhang mit Fragestellungen zum Rohstoffsektor mehrfach seine Erwartungen öffentlich zum Ausdruck gebracht …

zentralplus: … die da wären?

Michel: Wir erwarten von Unternehmen mit Sitz bei uns, dass sie sich entsprechend der anwendbaren Rechtsregeln in der Schweiz bzw. am Ort ihrer Tätigkeiten verhalten.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Armando
    Armando, 10.11.2017, 18:35 Uhr

    Kanton Zug = Bahamas of Switzerland. Je zweifelhafter der Ruf einer Firma ist, desto eher ist sie in Zug zu finden.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon