Teil-Realisierung der Luzerner Umfahrung im Fokus

«Der Bund braucht die Spange Nord nicht»


 

(Bild: Screenshot Google Maps)

Die Auseinandersetzung um das Autobahnprojekt Bypass wird derzeit von Maximalforderungen geprägt. Weil das Politik derzeit in der Sackgasse steckt, schlägt ein Mobilitätsforscher vor, reduzierte Varianten zu prüfen. Obwohl das niemandem wirklich passt, scheint ein Kompromiss zunehmend eine ernsthafte Lösung zu werden.

In der Debatte um das Gesamtsystem Bypass wurde das kantonale Teilprojekt Spange Nord bisher immer als fester Bestandteil der Gesamtlösung von Bund und Kanton propagiert (siehe Box über das Gesamtsystem Bypass am Textende). Das Gesamtprojekt soll die Erreichbarkeit der Zentralschweiz und der Agglomeration Luzern verbessern, das Stadtzentrum entlasten und im Zentrum Platz für den öffentlichen Verkehr schaffen.

Doch der Widerstand aus der Stadt gegen die Spange Nord könnte das Gesamtsystem Bypass verzögern oder gar zum Scheitern bringen (zentralplus berichtete). Denn die Luzerner Stadtregierung pocht auf eine stadtverträgliche Umsetzung der Spange Nord. Beispielsweise ohne Fluhmühlebrücke über die Reuss. Ausserdem wird der Eingriff ins Stadt- und Landschaftsbild kritisiert.

Der Kanton konnte diese und weitere Forderungen der Stadt an die Spange Nord bisher nicht erfüllen. Das Geschäft steckt in einer politischen Sackgasse, weil sich Stadt und Kanton nicht einig sind. Gegenüber zentralplus regte Mobilitätsexperte Timo Ohnmacht deshalb kürzlich an, verschiedene reduzierte Umsetzungen des Bypasses zu realisieren (zentralplus berichtete).

Das Gesamtsystem Bypass in der Übersicht.

Das Gesamtsystem Bypass in der Übersicht.

(Bild: Schweizer Eidgenossenschaft / zvg)

 

Er fasst drei Varianten ins Auge:

1. Bypass mit stadtverträglicher Spange Nord (das derzeitige Verhandlungsziel von Stadt und Kanton)

2. Ein Bypass ganz ohne Spange Nord 

3. Nur eine Erweiterung des Rathausentunnels und ein Spurenausbau auf der A14, der sogenannte Ausbau Nord.

Doch wie reagiert man in Luzern und beim Bund auf die drei Vorschläge von Timo Ohnmacht? Und sind diese Pläne realistisch?

«Es ist zwar löblich, dass der Bund dabei für die Spange Nord mitdenkt. Aber es liegt nicht an Bern, den Autobahnzubringer sicherzustellen.»

Peter Schilliger, FDP-Nationalrat

Obwohl das Bundesamt für Strassen (Astra) bisher keine Anstalten machte, eine reduzierte Variante ins Auge zu fassen, könnte sich das auch ändern, vermutet die Politik: «Der Bund wird den Spurenausbau inklusive drittem Rathausentunnel, der sogenannte Ausbau Nord, vorwärts treiben, wenn die politische Blockade im Kanton Luzern anhält», sagt FDP-Nationalrat und TCS Waldstätte-Präsident Peter Schilliger. Er kann sich gut vorstellen, dass diese Etappe schnell umgesetzt wird.

Nationalrat Schilliger zweifelt an Spange Nord

Auch alt FDP-Ständerat Georges Theiler vertritt die Auffassung, dass sich der Bund im Zweifelsfall für eine teilweise Realisierung entscheidet (zentralplus berichtete). Das macht aus Sicht von Schilliger Sinn, da der Bund in erster Linie für das übergeordnete Strassenverkehrsnetz verantwortlich ist: «Das Astra muss vor allem eine flüssige Nord-Süd-Achse sicherstellen. Es ist zwar löblich, dass der Bund dabei für die Spange Nord mitdenkt. Der Bund braucht die Spange Nord nicht.» Es liege aber nicht an Bern, diesen städtischen Autobahnzubringer sicherzustellen.

Peter Schilliger, FDP-Nationalrat (links) und Timo Ohnmacht, Mobilitätsexperte.

Peter Schilliger, FDP-Nationalrat (links) und Timo Ohnmacht, Mobilitätsexperte.

(Bild: Bildmontage / zvg)

Kantonsrat Töngi lehnt Bypass-Light ab

Obgleich Schilliger eine teilweise Umsetzung des Bypasses als mögliches Szenario betrachtet, stört ihn diese Variante erheblich. «Unsere Forderung bleibt: Die Spange Nord braucht es, wir wollen nicht darauf verzichten.» Zwar wäre man bereit, mit der Stadt über die Qualität des Projekts und dessen Details zu diskutieren: «Aber es liegt nicht an mir, die Hand zu reichen», sagt Schilliger.

Der Bypass-Fahrplan

Der derzeitige Projektfahrplan sieht so aus: Das Bundesamt für Verkehr (Astra) arbeitet derzeit am Ausführungsprojekt. Dieses wird 2020 öffentlich aufgelegt, danach können die berechtigten Stellen im Rahmen der Vernehmlassung Stellung zum Bypass beziehen. Die Bauzeit für das Gesamtsystem Bypass Luzern beträgt rund zehn Jahre. Der Baubeginn ist für 2025 geplant.

Das Projekt ist im Rahmen des strategischen Entwicklungsprogramms Nationalstrassen, über welches das Bundesparlament bestimmt, jedoch nach wie vor dem Realisierungsschritt 2040 zugeordnet, erklärt der Kanton Luzern. «Gerade weil das Projekt weit fortgeschritten und auch weil es dringend ist, fordern wir, dass der Bypass Luzern in den Realisierungsschritt 2030 vorgezogen wird», sagt Thomas Buchmann, Departementssekretär Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement.

Würde der Bund den Bypass ohne Spange Nord umsetzen, hätte am Ende nicht der Bund, sondern die Luzerner Agglo das Nachsehen: «Die Region versumpft im Rückstau zur Autobahn, die Leidtragenden sind die Gemeinden.»

Grundsätzliche Opposition kommt von VCS-Präsident und Kantonsrat Michael Töngi (Grüne). Er ist erklärter Gegner des Bypasses. Ein Verkehrsprojekt, das den Kanton 200 Millionen Franken kosten würde und das die hauptsächlich betroffene Stadt Luzern ablehnt, sei an der Urne schwer zu verteidigen: «Weshalb sollte der Restkanton dem zustimmen, wenn nicht einmal die Stadt dahinter steht?» Eine teilweise Realisierung, wie sie Mobilitätsexperte Ohnmacht vorschlägt, lehnt Töngi grundsätzlich ab.

«Ohne Spange Nord verliert Bypass seinen Sinn»

Im Gegensatz zu Schilliger erachtet Töngi einen Bypass ohne Spange Nord nicht als überlebensfähig. «Ich bezweifle, dass der Bund hier Hand bieten würde. Würde diese wegfallen, verliert das Projekt seinen Sinn.»

Denn die Legitimation sei ja gerade, möglichst viel Verkehr mithilfe der Spange Nord aus Agglo und Innenstadt auf die Autobahn zu bringen. «Dieses Hauptziel, und damit die Legitimation des Strassenverkehrsprojekts, wären ohne Spange Nord nicht mehr vorhanden.»

Michael Töngi, VCS-Präsident und Kantonsrat Grüne.

Michael Töngi, VCS-Präsident und Kantonsrat Grüne.

(Bild: bra)

Astra pocht auf umfassenden Bypass

Der Bund hat für die Vorschläge von Mobilitätsexperte Timo Ohnmacht kein Gehör, entgegen der Einschätzung von Nationalrat Schilliger. «Eine reduzierte Variante wie beispielsweise nur der Ausbau Nord mit dem Ausbau auf sechs Fahrsteifen zwischen dem Autobahnzubringer Buchrain und der Verzweigung Rotsee kann nicht zielführend sein», sagt Astra-Sprecherin Esther Widmer. Die zusätzliche Kapazität würde im Bereich der Verzweigung Rotsee jäh auf die heutige Kapazität reduziert werden. Der Stauursprung liegt jedoch im Bereich der Verzweigung Rotsee.

Von der Wirkung des Gesamtsystems Bypass ist das Astra überzeugt: Damit würde der Engpass rund um Luzern beseitigt und der Verkehr fliesse deutlich flüssiger als heute. «Der Bypass und die Spange Nord entfalten ihren Nutzen im Sinne des Agglomerationsprogrammes nur bei einer koordinierten Planung und Umsetzung», sagt Widmer.

Eine tiefgreifende Veränderung, wie sie Thomas Ohnmacht vorschlägt, ist im derzeitigen laufenden Ausführungsprojekt bis 2020 deshalb nicht vorgesehen, denn: «Das Ausführungsprojekt basiert auf dem vom Bundesrat genehmigten generellen Projekt», so Widmer.

Tunnelverlängerung erhöht Projektkosten um 50 Millionen

Wie der Bund, erachtet auch der Kanton Luzern eine umfassende Realisierung als einzige Option: «Wir halten am Gesamtsystem Bypass Luzern mit Spange Nord und Massnahmen für den öffentlichen Verkehr beziehungsweise am Gesamtprojekt fest», sagt Thomas Buchmann, Departementssekretär Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern.

Der Kanton Luzern betont, dass die Zeichen für den Bypass gut stünden. «Der Bundesrat hat im November 2016 das generelle Projekt zum Bypass Luzern genehmigt», hält Buchmann fest.

«Das zur Bewältigung des künftigen Mobilitätswachstums notwendige Projekt kann nicht ohne lokale Mehrbelastung erreicht werden.»

Thomas Buchmann, Departementssekretär Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement

Wie Buchmann erklärt, unterstütze auch die Stadt Luzern das Gesamtsystem Bypass und anerkenne die damit verfolgten Ziele. Das überarbeitete Vorprojekt zur Spange Nord, dessen Vernehmlassung im Januar 2017 abgeschlossen wurde, sehe gerade diesbezüglich gewichtige Anpassungen vor. «Allein die Verlängerung des Friedental-Tunnels hat die Projektkosten um rund 50 Millionen auf gegen 200 Millionen Franken erhöht.» Der Luzerner Stadtrat Adrian Borgula sagte jedoch bereits im Frühjahr, dass die Zugeständnisse des Kantons nicht ausreichen (zentralplus berichtete).

«Nicht ohne Mehrbelastung»

Laut Buchmann fand auch im Anschluss zum überarbeiteten Vorprojekt ein intensiver Austausch mit der Stadt statt. «Unbestritten stellt deren kritische Haltung den weiteren Planungs- und Umsetzungsprozess vor Herausforderungen», sagt Buchmann. Man werde im direkten Austausch weiterhin Lösungen für eine weitere Verbesserung des Projekts suchen.

Buchmann hält jedoch fest, dass es ohne Abstriche für die Stadtluzerner nicht geht: «Das zur Bewältigung des künftigen Mobilitätswachstums notwendige Projekt kann nicht ohne lokale Mehrbelastung erreicht werden.»

Das Gesamtsystem Bypass

Das Gesamtprojekt mit Kosten von rund 1,7 Milliarden für den Bund und 200 Millionen für den Kanton besteht aus fünf Elementen, die eng miteinander verflochten sind.

Dazu gehört der Ausbau Nord zwischen der Verzweigung Rotsee und dem Anschluss Buchrain, auf dem Abschnitt würde der Rathausentunnel um eine Röhe erweitert, statt bisher zwei wären in Zukunft drei Spuren in beide Richtungen vorgesehen.

Der zweite Bestandteil des Projektes ist der Tunnel Bypass, der dem Gesamtprojekt seinen Namen gibt. Ein rund 3.4 Kilometer langer neuer Tunnel, der parallel zur bestehenden Stadtautobahn verläuft, mit Reussport- und Sonnenbergtunnel zwischen Emmen Süd und der Ausfahrt Luzern Kriens.

Das dritte Element, die bereits bestehende Stadtautobahn mit Reussport- und Sonnenbergtunnel wird beim Lochhof mit einem Autobahnanschluss erweitert.

Rot eingezeichnet: Auf dieser Strecke soll die Spange Nord eingetunnelt werden, fordern CVP und GLP. Dunkelrot markiert sind die 350 Meter, die der Kanton eintunneln will.

Rot eingezeichnet: Auf dieser Strecke soll die Spange Nord eingetunnelt werden, fordern CVP und GLP. Dunkelrot markiert sind die 350 Meter, die der Kanton eintunneln will.

Im Lochhof mündet der grösste Streitpunkt, das kantonale Projekt Spange Nord, der den innerstädtischen Verkehr auf die Autobahn verlagern und damit die Innenstadt von den Autos befreien soll. Diese geplante drei- bis vierspurige Strasse würde vom Schlossberg über den neuen Tunnel Friedental bis zum neuen Autobahnanschluss Lochhof führen.

Damit verbunden wären im Schnitt 28’000 Autodurchfahrten pro Tag durch besiedeltes Gebiet. Auf der Höhe Lochhof würde die Fluhmühle-Brücke über die Reuss zur neuen Autobahneinfahrt führen. Zur Spange Nord gehören ausserdem Massnahmen für den öffentlichen Verkehr. Vorgesehen sind durchgehende Busspuren von Kupferhammer bis Luzernerhof und eine Fuss- und Veloachse entlang der Spange Nord.

Das fünfte Element, die Ergänzung Süd, sieht zwischen den Anschlüssen Luzern-Horw und Hergiswil in Fahrtrichtung Norden ein dritter Fahrstreifen vor, ausserdem ist eine Verlängerung des Verflechtungsstreifens bei der Verzweigung A8/A2 vorgesehen.

 

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon