Wie das «Bauen auf Pump» funktioniert

Vorfinanzierung – bitte was? Zehn Fragen zum Durchgangsbahnhof

Neuer Bahnhof in Sicht? Die Vorfinanzierung soll dem Projekt Beine machen. (Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA)

Luzern und sein Durchgangsbahnhof: Je länger diese lose Liaison andauert, umso komplizierter scheint sie zu werden. Nicht unschuldig daran ist das Instrument der Vorfinanzierung. zentralplus hat die wichtigsten Fragen dazu aufgeworfen – und zeigt, wie es zur Premiere kommen könnte und welche Summe der Kanton stemmen müsste.

Der Luzerner Durchgangsbahnhof ist zurzeit in aller Munde. In der Debatte fällt immer auch wieder ein Begriff, der aus einer Beratungsbroschüre über Rentenversicherungen stammen könnte: Vorfinanzierung. Tatsächlich bezeichnet man damit etwas, das ähnlich funktioniert wie die Vorsorge: Heute Geld einschiessen, später zurückerhalten.

Der Kanton würde damit also den Bau des Durchgangsbahnhofs quasi vorschiessen. Ob das Geld zurück an die Reuss fliesst, ist aber alles andere als klar.

Womöglich ergeht es Ihnen nun tatsächlich wie bei einer Debatte über Rentenversicherungen: Sie verstehen nur Bahnhof? Kein Problem. zentralplus hat die wichtigsten Fragen zusammengestellt – und liefert Antworten zum Thema.

Was ist eine Vorfinanzierung?

Im Prinzip funktioniert das wie ein Darlehen: Man investiert einen gewissen Betrag und erhält ihn später zurück. Im Fall des Durchgangsbahnhofs heisst das: Der Kanton übernimmt die Baukosten, für die der Bund zuständig wäre, weil dieser das Geld nicht so bald aufbringen kann wie gewünscht. Wenn das Projekt später auf Bundesebene gutgeheissen wird, erhält der Kanton das Geld wieder zurück. Soweit das Prinzip, das vor der Abstimmung über die sogenannte Bahnvorlage Fabi eine wichtige Rolle spielte.

Was bringt das?

Der Bund bestimmt laufend einen Topf an Projekten, die umgesetzt werden – aktuell mit dem Ausbauschritt 2035 (siehe Box). Da der Bund nicht für die Wünsche aller Regionen gleichzeitig Geld lockermachen kann, sollen die Kantone mit der Vorfinanzierung ihren eigenen Projekten Schub verleihen können. «Eine Vorfinanzierung war für den Kanton Luzern stets eine Option, um die Realisierung des Projekts voranzutreiben», sagt Thomas Buchmann, Departementssekretär des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements. Der Luzerner Regierungsrat hat im Januar 2016 vom Kantonsrat den Auftrag erhalten, eine solche Vorfinanzierung zu prüfen. Seither ist aber nicht viel passiert.

Wie funktioniert das nun im Fall des Durchgangsbahnhofs?

Das ist noch immer nicht in allen Details geklärt. Das Gesetz erlaubt nämlich nur eine Vorfinanzierung, wenn ein Projekt bereits gutgeheissen wird, was beim Luzerner Milliardenprojekt wohl nicht der Fall ist (zentralplus berichtete). Deshalb bietet der Bundesrat dem Kanton Luzern sowie dem Kanton Basel für dessen Schlüsselprojekt namens Herzstück auf deren Wunsch hin eine neue Speziallösung an: Die beiden Kantone können ihr Projekt selber bezahlen, allerdings ohne Gewähr auf Rückerstattung.

Bis Mitte Januar 2018 können Parteien, Verbände, Kantone und weitere sich dazu äussern. Bis Ende 2018 wird dann das Parlament über den Ausbauschritt und über die Speziallösung für Luzern und Basel entscheiden.

Wieso zahlt der Bund das Geld nicht zurück?

Das hat einen gesetzlichen Grund. Nebst der Vorfinanzierung – die eben nur für bewilligte Projekte möglich ist – können Dritte zusätzliche Projekte selber berappen, solange sicher ist, dass sie sich sinnvoll in die Pläne des Bundes einfügen – was beim Durchgangsbahnhof der Fall sein dürfte. Schliesslich hat Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) angekündigt, die weitere Planung voranzutreiben. Doch dem Bund fehlt eine Gesetzesgrundlage, um diese Kosten zu erstatten.

«Der springende Punkt ist, dass mit nachträglicher Rückerstattung der Kosten ein gewisser politischer Zwang entstehen könnte.»

Gregor Saladin, Mediensprecher Bundesamt für Verkehr

Der Bundesrat zeigt jedoch einen Weg auf, mit dem das Geld doch zurück nach Luzern fliessen würde: «Die Kantone erhalten eine Zusicherung für eine spätere nachträgliche Erstattung, wenn das Parlament den Durchgangsbahnhof Luzern in einen Ausbauschritt aufnimmt und das Eisenbahngesetz entsprechend anpasst», sagt Gregor Saladin, Mediensprecher des Bundesamtes für Verkehr.

Alle vier bis acht Jahre ein Paket

Zuglinien, Gleisausbau, Bahnhöfe: Mit der Fabi-Gesetzgebung ist auf Anfang 2016 der Ausbau der Bahninfrastruktur neu geregelt worden. Für die Finanzierung wurde ein Fonds geschaffen. Von diesen Mitteln gibt der Bund alle vier bis acht Jahre eine Summe für neue Projekte frei. Welche es in diesen Topf schaffen, legt in einem ersten Schritt der Bundesrat fest, abschliessend beschliesst es die Bundesversammlung. 

Letzte Woche hat der Bundesrat die Projekte für den Ausbauschritt 2030/2035 präsentiert – jene Projekte, die bis 2030 bzw. 2035 realisiert werden sollen. Nun können sich unter anderem Parteien, Verbände und Kantone bis Mitte Januar dazu äussern – bis Ende 2018 soll das Parlament den Entscheid fällen. Die nächste Tranche wird voraussichtlich 2022 oder 2026 vorgestellt. 

Der Bund hält in seinem erläuternden Bericht allerdings fest, dass eine entsprechende Gesetzesanpassung «nicht unproblematisch» sei. Laut Mediensprecher Saladin ist der springende Punkt, dass «ein gewisser politischer Zwang entstehen könnte, ein Projekt – in diesem Fall den Durchgangsbahnhof Luzern – in den nächsten Ausbauschritt aufzunehmen». Konkret: Wenn der Kanton Luzern bereits Millionen in den Durchgangsbahnhof pumpt, dürfte der Druck in Bundesbern wachsen, später auch tatsächlich grünes Licht für das Projekt zu geben. «Dies würde die Entscheidungsfreiheit des Parlaments einschränken», so Saladin.

Der Grund dürfte nicht zuletzt in Zürich zu suchen sein: Um seine Durchmesserlinie zu forcieren, nahm der gleichermassen finanzkräftige wie forsche Kanton den Bau kurzerhand gemeinsam mit der SBB selber in die Hand. Mit der strengen Auslegung will der Bund nun verhindern, dass reiche Kantone ihn vor vollendete Tatsachen stellen können.

Wie läuft es ab, wenn sich Luzern für eine Vorfinanzierung entscheidet?

Beim Kanton gibt man sich noch zugeknöpft. «Wir müssen den bundesrätlichen Vorschlag zunächst vertieft prüfen», sagt Thomas Buchmann vom Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement. «Es wäre verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt ein konkretes Vorgehen zu skizzieren.»

Klar ist: Gemäss geltendem Eisenbahngesetz bedarf es bei Vorfinanzierungen einer Vereinbarung mit der SBB. Diese muss vom Bundesamt für Verkehr genehmigt werden.

Baudirektor Robert Küng (FDP) hat bereits angekündigt, dass es womöglich gar nicht nötig sein wird, dass der Kanton Luzern für den Durchgangsbahnhof Geld vorschiesst. Denn der Bund will das Projekt nun bis zur Baureife ausarbeiten – was gemäss Küng rund zehn Jahre dauert. Bis dahin wird aber bereits der übernächste Ausbauschritt präsentiert worden sein, in dem Luzern natürlich hofft, mit dem Durchgangsbahnhof dabei zu sein. Was eine Vorfinanzierung bis dahin bringen soll, darüber sind sich die Luzerner Parteien nicht einig – die CVP plant nun einen Vorstoss zum Thema (zentralplus berichtete). Sobald Klarheit über die tatsächliche zeitliche Abfolge herrscht, dürften auch in Sachen Vorfinanzierung einige Fragezeichen verschwinden.

Woher soll der Kanton die 2,5 Milliarden nehmen?

Die Kosten für das Luzerner Schlüsselelement werden tatsächlich auf rund 2,5 Milliarden Franken geschätzt. Bekanntlich ist der Kanton Luzern nicht gerade auf Rosen gebettet – und hat kaum so viel Geld auf der hohen Kante parat. «Es ist unrealistisch, dass der Kanton Luzern das Risiko für die gesamten Baukosten von rund 2,5 Milliarden Franken tragen kann», bekräftigt Buchmann. Der Durchgangsbahnhof lasse sich indes etappiert realisieren, insofern wäre auch eine Vorfinanzierung einzelner Etappen möglich.

Um wie viel Geld geht es also?

In einem Bericht von 2015 rechnete der Kanton mit Kosten zwischen 120 und 360 Millionen Franken, die für eine Vorfinanzierung anfallen würden. «Diese Berechnungsszenarien gelten grundsätzlich immer noch», bestätigt Buchmann. Sie bezögen sich auf die aktuellen Regelungen des Eisenbahngesetzes zur Vorfinanzierung. Allerdings weist er darauf hin, dass der Bund nun in Aussicht gestellt hat, dass er die weitere Projektierung bis zur Baureife auslöst und finanziert. Angesichts der neuen Ausgangslage muss der Kanton neu beurteilen, welche Zeitspanne mit einer Vorfinanzierung allenfalls überbrückt werden müsse, damit eine nahtlose Realisierung möglich sei.

«Der Durchgangsbahnhof wäre das erste Projekt, das der Kanton Luzern vorfinanziert.»

Thomas Buchmann, Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement Kanton Luzern

Hat das Volk auch ein Wörtchen mitzureden?

Ja, aller Voraussicht nach schon. Der Kanton Luzern hat in einem Bericht 2015 nämlich aufgeführt, dass aufgrund der Kosten voraussichtlich eine Volksabstimmung nötig wäre. Denn bei Ausgaben von über 25 Millionen Franken müssten die Stimmbürgern ihren Segen dazu geben.

Wie geht es nun weiter?

Zurzeit läuft die Vernehmlassung zum Ausbauschritt 2030/35. Welche Szenarien für den Kanton denkbar sind, hält er noch unter dem Deckel. «Wir werden unsere Haltung und das weitere Vorgehen im Rahmen unserer Stellungnahme zur Vernehmlassungsvorlage kommunizieren», so die Antwort. Die Vernehmlassung dauert bis Mitte Januar 2018. Bis Ende 2018 wird der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zum Bahnausbau 2030/2035 vorlegen.

Welche Folgen es hätte, wenn der Kanton Luzern kein Geld vorschiesst, ist zurzeit noch ziemlich unklar. Da der Bundesrat angekündigt hat, das Projekt weiterverfolgen zu wollen, ist der Einfluss einer allfälligen Vorfinanzierung – zum jetzigen Zeitpunkt – fraglich. Ohne den Extraeffort des Kantons könnte es dereinst aber womöglich länger dauern, bis der Baustart tatsächlich erfolgt.

Gibt es in der Geschichte des Kantons Luzern vergleichbare Erfahrungen?

Nein. Der Erfahrungsschatz beschränkt sich quasi auf die Minivariante: Der Kanton hat bereits das Vorprojekt zum Durchgangsbahnhof vorfinanziert: Die Stimmbevölkerung sagte im November 2009 mit über 75 Prozent JA zu diesem 20-Millionen-Kredit. «Der Durchgangsbahnhof wäre das erste Projekt, das der Kanton Luzern vorfinanziert», sagt Thomas Buchmann.

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