Budgetlos durch den Luzerner Sommer

Hey Kanton: Weg mit den alten Zöpfen!

Alte Zöpfe abschneiden: Nie war die Gelegenheit im Kanton Luzern besser.

(Bild: Fotolia/zvg/Montage jwy)

Die Gelegenheit war nie günstiger, um alte Zöpfe abzuschneiden. Die Ausrede nie besser, um unliebsame Aufgaben loszuwerden. Der budgetlose Zustand im Kanton Luzern eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Es ist Zeit, radikal umzudenken. Eine Glosse.

Neulich im Postfach: «Am Sonntag, 2. Juli, gedenkt der Kanton Luzern der Schlacht bei Sempach von 1386. Wegen des budgetlosen Zustandes orientieren sich die Kosten am Nötigsten. Die Bevölkerung ist herzlich zur Teilnahme eingeladen.»

Jeder ist herzlich zur Teilnahme am Nötigsten eingeladen – ein wenig schmeichelhaftes Angebot. Aber es bringt die derzeitige Stimmung im Luzerner Land auf den Punkt. Kaum eine regierungsrätliche Mitteilung, kaum ein politischer Vorstoss, kaum ein Leserbrief kommt derzeit ohne Verweis auf das «fehlende Budget» aus. Das fehlende Budget ist der Donald Trump unseres Kantons: Man hat es satt, kann’s nicht mehr hören – aber es ist zu wichtig, um es zu ignorieren.

Gleichzeitig schleicht sich ein unverschämter Verdacht ein: Der stramm bürgerlichen Luzerner Sparregierung ist der Zustand gar nicht unangenehm. Denn nie war es leichter, sich unangenehmer Staatsaufgaben zu entledigen. Aufgeschoben ist aufgehoben – was nicht zu den dringenden und unerlässlichen Staatsaufgaben gehört, wird fachgerecht auf dem Pendenzenberg entsorgt.

Wir wollen da mithelfen und die günstige Gelegenheit beim Schopf packen: Diese alten Zöpfe, lieber Regierungsrat, können Sie jetzt abschneiden. Einfach mal als «nicht dringliche Staatsaufgabe» definieren – zack, fertig. 👍 Bevor dann, mir nichts, dir nichts, der Sommer vorüber ist und mit dem September die Wahrscheinlichkeit für einen ordentlichen Haushalt ins Luzerner Land zieht.

Sean Spicer von Luzern

Der Kanton Luzern sucht derzeit auf Oktober eine/n neue/n Medienbeauftragte/n – eine böse Zunge nannte den Job kürzlich den «Sean Spicer des Kantons Luzern-Land». Wo wir wieder bei Trump wären. Wir haben noch eine andere Idee: Die Stelle einfach einsparen. Stattdessen betätigen sich alle Regierungsräte selbst als spitze Feder (wie sie es versuchsweise, aber harmlos schon auf der Kantons-Webseite tun). Ganz so wie es Vorbild Guido «Wir müssen die Bösen sein!» Graf als Kolumnist bei der BaZ und NZZ tut. So ist die öffentliche Kommunikation ungefiltert sichergestellt.

Im gleichen Zug könnte man die regierungsrätliche Social-Media-Betreuung aus der Zuständigkeit eines Kantonsangestellten streichen und in Chefhände übergeben. Wenn Trump selber twittert, kann das doch auch der Schwerzmann! Seine 68 Follower warten sehnlichst auf den ersten Tweet von @schwerzmann_m.

Marcel Schwerzmanns Follower warten seit 2015 auf den ersten Tweet des Finanzdirektors.

Marcel Schwerzmanns Follower warten seit 2015 auf den ersten Tweet des Finanzdirektors.

(Bild: Screenshot)

PS: Kollege Winiker fragen, wie man auf 300 Twitter-Follower kommt ✌️


Und apropos Regierungsrat Paul Winiker: Vielleicht schafft er es zum Youtube-Star, wenn er seine Videobotschaften mit Selfiestick selbst aufnimmt und so ein bisschen authentischer macht.

Ewig die gleiche Leier

Seit gefühlten 10 Jahren, Hunderten Sitzungen, Dutzenden Abstimmungen, ungezählten Leserbriefen, Referenden und Vorstössen zu Budget und Sparpolitik kommt man nicht vom Fleck – ewig die gleiche Leier. Wir haben schlicht keine Lust mehr, darum: Eine Debatte, ein Entscheid – und gut ist. Entweder resultiert daraus eine tragfähige Lösung oder der ganze Kanton wird an die Wand gefahren. Aber darauf liesse sich immerhin wieder was Erspriessliches bauen.

Wer liest das alles?

Auch ein Ende der amtlichen Papierschlacht wäre wünschenswert: All das gedruckte Zeugs – wer liest denn das? Wir Journis haben doch keine Zeit für all die dicke Post – für AFP, Budget, Jahresbericht, neues Budget … Schon mal daran gedacht, hier zu sparen?

FDP-Kantonsrat Jim Wolanin jedenfalls ist mit an Bord:


 

Demut ist angesagt

Schon klar, dass sich Politiker gern im Umfeld von jungen Polizisten, altgedienten Offizieren und gefährlichen Waffen tummeln. Aber in schwierigen Zeiten ist Demut angesagt, liebe Regierung. Die öffentlichkeitswirksame Vereidigung von Polizisten und die Verabschiedung von Militäroffizieren kommen schlecht an in Zeiten, wo sich die Polizei keine neuen Autos leisten kann. Auch Super-Puma-Flüge passen da schlecht ins Konzept (zentralplus berichtete).

 

PPS: Nein, auch Selfies mit Smileys und Hashtags auf Tafeln gehören nicht unbedingt zur Kernkompetenz einer Regierung in Krisenzeiten. Aber an der Luga und der Fasnacht wollen wir mal ein Auge zudrücken. 😜

 

ZHB in neue Hände

Bücher? Noch mehr Papier? 😱 Die Zentral- und Hochschulbibliothek kann diverse Titel momentan nicht bestellen, also lassen wir’s doch ganz sein mit diesen Büchern. Das Feuer zwischen Kultur und der jetzigen Regierung wird wohl nie mehr richtig entfacht, seit sie’s nicht mal geschafft hat, dem Kantonsrat ein neues Musiktheater schmackhaft zu machen.

Und sanieren müsste man das geschützte ZHB-Gebäude ja auch seit 30 Jahren. 20 Millionen, um darin Bücher zu lagern? Unser Vorschlag: Die Aufgabe jemandem anvertrauen, der das will und kann. Eine Willensgemeinschaft aus Hochschulen, Uni, Stadt und Kultur übernimmt die ZHB und führt sie in eine gesegnete Zukunft. Hochwasserschutz und Strassenbauten stehen dem Kanton eh besser.

Hinter Pendenzenbergen verstecken

Die Verwaltung läuft auf dem Zahnfleisch, Angestellte und Lehrer müssen mehr arbeiten und werden auf Effizienz getrimmt. Aber ist denn eine geschmierte Verwaltung wünschenswert? Das weckt doch nur Begehrlichkeiten.

In anderen Regionen, sagen wir in entfernten südlichen und östlichen Gefilden, arbeitet der Staat oft streng hierarchisch organisiert, widerwillig und zäh. Dem könnte man sich stufenweise angleichen: Dienstleistungen auf ein Minimum einstampfen, Bürokratie künstlich aufblähen, sich hinter Pendenzenbergen verstecken und Kunden widerwillig begegnen. So lebt sich’s gemütlicher in den Amtsstuben.

Und zu guter Letzt: Manchmal kann man auch einfach zurücklehnen, und das Sparen ergibt sich kausal von alleine: Wenn man keine zusätzlichen Polizisten einstellen darf, brauchen die auch weniger Autos. Sie jagen dann weniger Verbrecher, ergo braucht man keine Erweiterung von Polizeigebäuden oder Strafanstalten (vgl. AFP 2017–2020, 5.1., Grossprojekte). Das wären über den Daumen gepeilt fünf Kostenpunkte mit einer Massnahme.

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