Bilder von Polizisten sollen verboten werden

Polizisten am Online-Pranger: Luzerner will strengere Regeln

Einsatz in Luzern: Die Polizisten werden auf Youtube unverpixelt dargestellt.

(Bild: screenshot/verpixelt pze)

Wer Bilder von Polizisten ohne deren Erlaubnis veröffentlicht, soll gebüsst werden. Dies fordert ein Luzerner Politiker. Nur: Macht es Sinn, dass die Strafverfolger präventiv Medien durchsuchen, und lässt sich eine solche Regel überhaupt regional umsetzen? Eine Expertin kritisiert die Vorlage – und lobt gleichzeitig den SVP-Politiker.

Polizisten zu filmen – das ist grundsätzlich erlaubt, solange die Einsätze durch das Filmen nicht behindert werden. Denn: Polizisten führen oftmals Aufgaben aus, die von öffentlichem Interesse sind.

Problematisch aber ist die Veröffentlichung der Fotografien oder des Filmmaterials über Onlinekanäle, sei es Social Media oder Youtube. Denn die öffentliche Zurschaustellung verletzt die Persönlichkeitsrechte der Beamten. Jetzt fordert SVP-Fraktionschef Guido Müller in einem Vorstoss eine klare Regelung für die Veröffentlichung von Aufnahmen, welche Polizeibeamte erkennbar darstellen. Sowohl Privatpersonen, die Videos auf sozialen Medien posten, wie auch Medien, die Bilder von Polizeieinsätzen veröffentlichen, sollen sanktioniert werden – und zwar in jedem Fall: Müller will die Persönlichkeitsverletzung der Polizisten als Offizialdelikt zur Anklage bringen.

Bisher war der einzige Weg, die Veröffentlichung von Bildern rückgängig zu machen, eine zivilrechtliche Klage durch den betroffenen Beamten. Durch ein Offizialdelikt würde dieser Weg wegfallen: Wie beispielsweise bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung oder bei Raub müssten Medien und Privatpersonen, die Bilder von Polizisten ungefragt veröffentlichen, mit einer Anzeige rechnen – selbst wenn nichts Problematisches abgebildet wird.

Datenschützerin: Upload unter Umständen erlaubt

Ursula Sury, Professorin für Informatikrecht und Expertin für Datenschutz an der Hochschule Luzern, erklärt: «Es ist nicht grundsätzlich verboten, Bilder von Polizisten ins Netz zu stellen oder in den Medien zu veröffentlichen, sofern die Aufnahmen von öffentlichem Interesse sind.» Das heisst: Wenn sie übertriebene Polizeigewalt oder Grosseinsätze zeigen, müsse die Polizei damit rechnen, dass sie gefilmt werde.

Anders sei es mit den Namen der Polizisten: «Wie jemand heisst, ist normalerweise nicht von öffentlichem Interesse.» Wenn man den Namen eines Beamten veröffentlicht, müsse man begründen können, warum dies relevant sei, so Sury. Werden Polizisten bei einfachen Kontrollen gefilmt, so könnten sie aber – wie jede Privatperson auch – über den zivilrechtlichen Weg die Löschung des Bildmaterials erwirken. Dies, weil kleinere Einsätze nicht von öffentlichem Interesse sind.

Probleme im Privaten wegen Bildern im Netz

Diese Flexibilität im Recht passt Müller nicht: «Es gibt verschiedene Fernsehstationen, welche wiederholt unbewilligte Bilder zeigen, ohne die Gesichter der Beamten unkenntlich zu machen.» Das könne zur Folge haben, dass die Beamten im Privaten erkannt und unter Druck gesetzt werden. Deshalb soll man – würden solche Aufnahmen veröffentlicht – die entsprechenden Medien büssen. In Luzern lebe man eben auf engem Raum, so begegne man den Polizisten auch im Privaten: «Es ist nicht besonders schön, wenn man als Privatperson unterwegs ist und wegen eines Videos in den Medien als Polizist erkannt und womöglich angegangen wird», sagt Müller.

Mehrere Beamte werden im Original erkennbar gezeigt: Das Video kursiert auf Onlineplattformen.

Beamte nehmen während dem Menschenrechtsforum in Luzern eine Person fest: Das Video kursiert (unverpixelt) auf Onlineplattformen.

(Bild: screenshot/verpixelt pze)

Dass Polizisten den zivilrechtlichen Weg einschlagen müssen, will Müller nun abschaffen, um die Persönlichkeit der Beamten besser zu schützen. Es gebe gar ein Bundesgerichtsurteil, welches Persönlichkeitsrechte der Polizisten höher gewichte als das öffentliche Interesse, so Müller.

Die Luzerner Regierung will auf Anfrage von zentralplus keine Fragen beantworten: Zu laufenden politischen Geschäften äussert sich der Regierungsrat nicht.

Vorstoss zu eng gefasst

Datenschutzexpertin Sury sieht aber auch die Probleme von Müllers Motion: «Wird ein solches Vergehen zum Offizialdelikt, hat dies einen höheren bürokratischen Aufwand zur Folge. Denn dann setzt sich bei jedem Fall der gesamte Rechtsapparat in Gang.» Dies habe Mehrkosten zur Folge.

Beispiel Spiez: Polizeigewalt?

Dass Videoaufnahmen der Polizei auf sozialen Netzwerken zu problematischem Ruhm gelangen können, zeigt ein Beispiel aus Spiez. Im Video von Anfang dieses Jahres nimmt ein Polizist einen 17-jährigen Mann fest. Dieser schreit wiederholt: «Ich habe nichts gemacht!» Auf Facebook geht das Video viral, über eine Million Mal wird es angeklickt. Es suggeriert, dass die Polizei übermässig hart eingreift. Das Gesicht des Beamten ist im Video auf Facebook zu erkennen – erst in den Medien werden die Gesichter verpixelt dargestellt.

Wie die Berner Polizei daraufhin kommunizierte, ging dem Video aber eine nicht unwichtige Vorgeschichte voraus: Der Festgenommene habe sich auf den Fussgängerstreifen gestellt und so die Weiterfahrt des Polizeifahrzeugs blockiert – während eine Person aus Angst vor einer Kontrolle davonrannte. Der später Festgenommene habe sich der anschliessenden Kontrolle widersetzt, die Polizei beschimpft und dabei ein Messer auf sich getragen.

Ausserdem sei der Vorstoss zu eng gefasst: «Grundsätzlich sollte man sich überlegen, ob alle Personen hoheitlicher Gewalt geschützt werden, auch Richter oder Staatsanwälte.» Dazu brauche es eher eine nationale Regelung als eine kantonale.

Umgang mit grenzenlosem Internet

Tatsächlich stellt sich die Frage: Wenn ich die Luzerner Polizei filme, aber das Video aus dem Kanton Aargau hochlade – verstosse ich dann gegen das Luzerner Recht oder nicht? Das Problem des Internets bleibt ja die Grenzenlosigkeit – dies hatte der SVP-Regierungsrat Paul Winiker bei der Präsentation des Regierungsvorschlags zum Polizeigesetz gegenüber zentralplus betont (zentralplus berichtete). Oder der ausländische Tourist, der in seiner Heimat ein Bild von der Kapellbrücke postet, vor der ein Luzerner Polizist durchgeht: In diesem Fall müsste Luzern ein Rechtshilfegesuch an das betreffende Land stellen, wenn die lokalen Behörden das Bild fänden oder darauf aufmerksam gemacht würden.

Neben der Schwierigkeit der örtlichen Begrenzung von Internetgesetzen gibt es das Interesse der Öffentlichkeit das Recht auf Veröffentlichung von Bildmaterial – auch wenn das Polizisten zeigt. Vor allem in Luzern: Die Datenschutzexpertin erklärt, das öffentliche Interesse werde durch den Umstand vergrössert, dass es im Kanton in letzter Zeit zu mehreren Fällen von unverhältnismässigen Polizeieinsätzen gekommen sei.

Dazu gibt es mehrere Beispiele zu nennen: Der Fall Malters, bei dem Kommandant Adi Achermann in arge Kritik geraten ist, wird im Juni verhandelt (zentralplus berichtete). Anfang Mai entschied das Bundesgericht, dass ein schwules Paar von der Luzerner Polizei unverhältnismässig behandelt wurde – einer musste sich auf dem Polizeiposten nackt ausziehen, ausserdem wurden die festgenommenen Männer grundlos geduzt. Die Lausanner Richter rügten die Luzerner Polizei für ihr Vorgehen.

Lob für den SVP-Chef

Bei einem erhöhten öffentlichen Interesse stellt sich in der Folge die Frage, ob durch ein Offizialdelikt die Pressefreiheit angegriffen wird. Soll also künftig übertriebene Polizeigewalt nicht mehr im Internet oder in den Medien gezeigt werden dürfen? Müller: «Medienschaffende haben nicht zu urteilen, ob es sich um unverhältnismässige Einsätze handelt.» Man könne die Personen verpixelt zeigen. «Es gibt keinen Grund, die Identität der Beamten preiszugeben und sie an den Pranger zu stellen.»

Aber die präventive Durchforstung des Netzes nach Polizeibilder und deren konsequente Verfolgung würden Ressourcen binden – und das kostet Geld. Dass der Bürokratie-Aufwand merkbar steige, glaubt der SVP-Fraktionschef aber nicht. «Am Ende wird es sich um Einzelfälle handeln. Aber wer die Persönlichkeitsrechte unserer Beamten verletzt, soll spüren, dass das Konsequenzen hat.» Auch findet er, dass die Persönlichkeitsrechte durchaus auf kantonaler Ebene gestärkt werden könnten – dafür müsse man nicht auf ein nationales Gesetz warten, sondern könne dies im Rahmen des Polizeigesetzes lösen.

Auf SRF wird das Bild dieses Polizisten aus Bern unverpixelt in der Nahaufnahme wiedergegeben.

Auf SRF wird das Bild dieses Polizisten aus Bern unverpixelt in der Nahaufnahme wiedergegeben.

(Bild: screenshot/verpixelt pze)

Expertin Sury hat trotz der Kritik auch lobende Worte für den SVP-Fraktionschef: «Ich finde es gut, hat er eine Motion eingereicht. Die Sensibilisierung der Persönlichkeitsverletzung mit virtuellen Waffen ist ein aktuelles Problem.» Dabei sei es wichtig, dass das Thema diskutiert werde.

Dies findet auch CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer. «Grundsätzlich ist die CVP Gesetzen, die Polizisten und Polizistinnen besser schützen, positiv eingestellt.» Es müsse sich während dem Gesetzgebungsverfahren zeigen, inwiefern die Umwandlung in ein Offizialdelikt überhaupt rechtlich möglich und von den Ressourcen her sinnvoll wäre, so Peyer. Letztlich gelte es, die Rechtsgüter der Persönlichkeitsrechte der Polizisten und der Pressefreiheit gegeneinander abzuwägen.

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