Luzern: Gute Chancen für Referendum

Musikschule: Sparwütige kapitulieren vor der Schlacht

Die Referendumsübergabe wurde mit den Liedern «Zundhölzli» und «Portemonnaie» von Mani Matter begleitet.

(Bild: pze)

Während sich Linke und Gewerkschaften lauthals gegen die Halbierung der Musikschulbeiträge einsetzen, dringt von den zahlreichen Befürwortern in Parlament und Regierung kaum ein Wort an die Öffentlichkeit. Kein Komitee, keine Plakate und keine Podien – der Abstimmungskampf scheint entschieden, bevor er begonnen hat. Hat sich Mitte-Rechts politisch verrechnet?

22’537 beglaubigte Unterschriften reichten Gewerkschaften und Rot-Grün gegen die Reduktion der Musikschulbeiträge am 15. Februar ein. Das ist kantonaler Rekord. Die Linke wehrt sich mit wehenden Fahnen gegen die Sparmassnahme. Ganz anders sah das in der Abstimmung im Parlament aus – von den 120 Kantonsräten drückte eine stattliche Mehrheit von 87 den Ja-Knopf. Von dieser Mehrheit kommt nun kaum ein Pieps – fürchtet man, sich unbeliebt zu machen bei der Bevölkerung?

Bevölkerung sehr kritisch

Für CVP-Kantonsrat Thomas Grüter sind die zahlreichen Unterschriften des Referendumskomitees ein klares Signal: «Das Stimmungsbarometer in der Bevölkerung ist den Kürzungen bei der Musikschule gegenüber sehr kritisch eingestellt. Die Luzerner sind offenbar mehrheitlich der Meinung, dass der Kanton diese Aufgabe übernehmen muss.»

Dass sich niemand aktiv in einem Komitee für die Sparmassnahme einsetzt, sei deshalb einer politischen Abschätzung der Situation geschuldet. Feigheit vor der feindlichen Übermacht will sich Grüter nicht vorwerfen lassen. Für den CVP-Mann hat die bürgerliche Mehrheit lediglich ihren Sparauftrag ausgeführt, um ein gesetzeskonformes Budget erreichen zu können.

«Die Eltern müssen halt Prioritäten setzen.»

Angela Lüthold-Sidler, SVP-Kantonsrätin

Angela Lüthold-Sidler, SVP-Kantonsrätin und Mitglied der Planungs- und Finanzkommission, bestätigt das schwierige Fahrwasser, in dem sich die Befürworter mit ihrer Position befinden: «Die Bildung ist eine heilige Kuh – da will niemand opponieren.» Nun scheint die Kuh wieder in die Nähe des Hänkersbeils geraten zu sein – und wie erwartet weht Mitte-Rechts ein Sturm der Entrüstung entgegen. Doch verkalkuliert habe man sich nicht, mein Lüthold-Sidler: «Die Halbierung wurde als Teil des Konsolidierungsprogramms 17 (KP17) beschlossen.»

Obwohl einige andere Massnahmen nicht im Sinne der SVP waren, habe man diese trotzdem mitgetragen. Es ging im Prinzip darum, dieses Paket nicht aufzuschnüren, da sonst die notwendige Sparsumme nicht erreicht worden wäre, erklärt Lüthold-Sidler.

Die Abstimmungsvorlage kurz erklärt

Derzeit leistet der Kanton einen Pro-Kopf-Beitrag von 350 Franken an die kommunalen Musikschulen. Dieser soll halbiert werden und somit neu noch 175 Franken pro Schuljahr betragen. Damit erhofft sich der Kanton Minderausgaben von 1,8 Millionen Franken. Diesen Beitrag können die Gemeinden für ihre Bürger übernehmen oder die Eltern werden zur Kasse gebeten – die Vorgehensweise ist den Kommunen selbst überlassen. Für die Reduktion des kantonalen Beitrages war eine Gesetzesänderung notwendig – deshalb war ein Referendum überhaupt möglich.

Regierung beschwört Opfersymmetrie

Auch der FDP-Kantonsrat Franz Räber appellierte an der Delegiertenversammlung, dass die FDP-Kantonsratsfraktion dieser Massnahmen im Parlament zugestimmt hatte, weil sie Teil eines Gesamtpaketes war und alle Beteiligten einen Beitrag leisten müssen. «So hat man auch andere schmerzhafte Massnahmen akzeptiert, um das Konsolidierungspaket nicht abstürzen zu lassen.» Dass nun im Nachhinein einzelne Massnahmen herausgebrochen werden, lehnte Franz Räber ab.

Das ist ganz im Sinne der regierungsrätlich verordneten «Opfersymmetrie». In seiner Stellungnahme zur Abstimmung schreibt Bildungsdirektor Reto Wyss: «Der Regierungsrat ist überzeugt, dass die Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen eine vertretbare Massnahme ist und die Überwälzung der Mehrkosten an die Gemeinden in einem massvollen Rahmen erfolgt.»

Verantwortung liegt bei den Eltern

SVP-Frau Lüthold-Sidler kritisiert die hohe Anspruchshaltung: «Vielleicht muss man an die Eigenverantwortung der Eltern appellieren: Die Kinder gehen gleichzeitig ins Ballett, den Musikunterricht und den Sportverein – vor 20 Jahren war das noch nicht selbstverständlich. Die Eltern müssen halt Prioritäten setzen.»

«Das Stimmvolk muss entscheiden»

Beobachter geben dem Referendum gute Chancen. Denn es gibt deutliche Anzeichen für einen Meinungsumschwung: So haben die Delegierten der GLP entgegen der Haltung der Fraktion die Ablehnung der Sparmassnahme beschlossen. Und auch bei der CVP darf man gespannt auf das Urteil der Delegierten sein, denn intern regt sich Widerstand. Sie fasst die Parole nächste Woche.

Ob die Massnahme tatsächlich Schiffbruch erleidet, dazu möchten weder Lüthold-Sidler noch Thomas Grüter eine Prognose wagen. Für die SVP-Kantonsrätin ist indes klar, dass es nicht die letzte Spardiskussion war, die vor dem Volk endet: «Es wird so weitergehen – wenn nicht endlich Leistungen gestrichen werden.» Es liege in der Hand der Bürger – je nachdem, wie die Abstimmungen herauskommen, müsse die Regierung danach über die Bücher.

«Es ist das gute Recht der Bevölkerung, diese Massnahme abzulehnen.»

Thomas Grüter, CVP-Kantonsrat

Ähnlich sieht das Grüter: «Es bleibt jedoch Fakt, dass mit einer allfälligen Ablehnung des Referendums 1,8 Millionen Franken an einem anderen Ort eingespart werden müssen.» Es sei das Stimmvolk, das letztendlich darüber entscheiden muss, woher das fehlende Geld genommen werden muss: «Es ist das gute Recht der Bevölkerung, diese Massnahme abzulehnen.»

Kanton darf keinen Abstimmungskampf betreiben

Alex Piazza führt immer wieder bürgerliche Kampagnen im Kanton Luzern. Für den Inhaber der PR- und Medienagentur «apimedia» gibt es eine Vielzahl von Gründen, weshalb sich kein Pro-Komitee formiert: «Es ist in erster Linie eine Vorlage der Regierung und diese hütet sich zu Recht davor, Behördenpropaganda zu machen.» Die Gemeinden ihrerseits hätten zwar halbherzig Ja gesagt zum Sparpaket K17, wären aber «nicht unglücklich, wenn sie weiterhin den gesamten Kantonsbeitrag für die Musikschule erhalten würden».

«Bei der Vorlage gibt es keine Partikularinteressen, niemand würde profitieren von einer Halbierung der Musikschulbeiträge.»

Alex Piazza, Inhaber der PR- und Medienagentur «apimedia»

Auch die politischen Parteien könnten sich bei diesem Thema nicht profilieren. Ganz im Gegensatz zur Abstimmung über die Steuerfusserhöhung, wo man «entweder als Verantwortungsträger für die Gesellschaft oder als Kämpfer für die Interessen des kleinen Mannes» in Erscheinung treten könne. «Wenn man gegen das Musikschulreferendum antritt», so Piazza weiter, «verspielt man sich die Sympathien von zahlreichen Menschen, die direkt von der Beitragskürzung betroffen sind. Auch von potenziellen Wählern.»

Passivität als Strategie

Ein weiterer entscheidender Faktor sei das fehlende Geld in der Kampfkasse, gibt Piazza zu bedenken: «Bei der Vorlage gibt es keine Partikularinteressen, niemand würde profitieren von einer Halbierung der Musikschulbeiträge.» Ohne Geld gibt es auch keine Kampagne. Was im vorliegenden Fall aber gar nicht so schlimm sei: «Die Gegnerschaft ist militant. Eine aktive Kampagne der Befürworter könnte eine Leserbriefflut des Referendumskomitees provozieren.» Wenn man sich in Schweigen hülle, wecke man wenigstens keine schlafenden Hunde.

Kurz: Feige sei die Absenz der Befürworter auf keinen Fall – sondern einfach eine nüchterne Abwägung von Aufwand und Ertrag. Auch was die finanzielle Dimension der Vorlage betrifft. Piazza: «Während es bei der Steuererhöhung um 64 Millionen Franken geht, die dem Kanton jährlich zusätzlich in die Kasse gespült würden, geht es bei der Reduktion der Musikschulbeiträge um weniger als zwei Millionen Franken.»

Für Franz Grimm, Präsident des Luzerner Musiklehrerinnen- und Musiklehrervereins MLV, ist die stattliche Anzahl Referendumsunterschriften das entscheidende Signal für die Passivität von Mitte-Rechts: «Die gewählten Volksvertreter würden am Volk vorbeipolitisieren, würden sie sich vehement für die Streichung der Kantonsbeiträge einsetzen.» Grimm stört die fehlende Opposition nicht – im Gegenteil: «Es ist schön, dass man die Meinung noch ändern kann, wenn man den falschen Weg eingeschlagen hat.» Im Hinblick auf die Abstimmung ist er «hoffnungsvoll».

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