Umfahrung Cham: 230-Millionen-Projekt nimmt Hürde

Die Einsprachen sind endlich vom Tisch – oder doch nicht?

Täglicher Kolonnenverkehr im Berufsverkehr ist ein Ärgernis.

(Bild: Fotalia)

Eine unendliche Geschichte scheint doch noch ein Ende zu finden. Gemäss Zuger Baudirektion sind nun die 124 Einsprachen zum umstrittenen Bypass um Cham behandelt worden. 2021/2022 sollen die Bagger auffahren. Es könnte aber auch noch länger dauern.

Eigentlich ist es nun ein Jahrzehnt her, dass das Zuger Stimmvolk an der Urne die Umfahrung Cham-Hünenberg, auch UCH genannt, mit einem hauchdünnen Ja genehmigt hat. Um den Staus durch Cham ein Ende zu bereiten. So manche Chamer, durch deren Dorf sich täglich nach wie vor morgends und abends Autokolonnen wälzen, glaubten wohl insgeheim gar nicht mehr so richtig an den geplanten Verkehrs-Bypass. Kein Wunder.

Denn seit Jahren toben Streitereien um die «flankierenden Massnahmen», jene Verkehrsberuhigungen, die vom Gesetz her für die Umwelt als Ausgleich für das 230-Millionen-Franken teure Strassenprojekt verlangt werden. Zudem soll der Durchgangsverkehr ja nach dem Bau der Umfahrung auch tatsächlich diese benützen (siehe Grafik) und nicht weiterhin durchs Dorf fahren.

Zoff wegen Kompromiss

Zuletzt gab es aber Zoff, weil gerade der nach langem Hin und Her gefundene Kompromiss einer Kameraüberwachung der durchs Dorfzentrum fahrenden Autos auch wieder Gegner auf den Plan rief. Denn ein vom Kanton und der Gemeinde festgelegter Perimeter mit Kameraüberwachung und Tempo-30-Zone, der künftig kontrollieren soll, dass Autofahrer nicht mehr schnurstracks durchs Chamer Zentrum fahren können, hat bei zahlreichen Ladenbesitzern für Unmut gesorgt.

Der Grund: Ein Auto muss sich eine Mindestzeit im Perimeter aufhalten, bevor es auf dem gleichen Weg weiterfahren kann. Ladenbesitzer, deren Geschäfte ausserhalb des Perimeters liegen, befürchteten, dass ihre Läden nicht mehr angefahren werden, weil die Kunden dann Umwege auf sich nehmen müssten, wenn diese sie direkt anfahren wollen.

Gewerbeverein hat sich arrangiert

Sprich: Der Chamer Gewerbeverein forderte die Ausweitung jenes Perimeters, der in Gestalt einer Tempo-30-Zone das Dorf beruhigen sollte, weil so mancher Ladenbesitzer im Strassendorf um seinen Umsatz und um sein Dasein fürchtete, wenn seine Kunden seinen Laden nicht mehr problemfrei anfahren könnten. Insgesamt sah sich die Zuger Baudirektion deshalb seit Sommer 2015 mit 124 Einsprachen konfrontiert – insbesondere wegen der geforderten Perimetererweiterung.

«Nach der Erteilung der Bewilligungen ist wohl damit zu rechnen, dass der Rechtsmittelweg beschritten wird.»

Baudirektor Urs Hürlimann

Nun hat die Baudirektion gemeäss einer Medienmitteilung grünes Licht gegeben. Will heissen: Man habe die Einsprachen behandelt. In einem nächsten Schritt will Baudirektor Urs Hürlimann über die Baubewilligung sowie die weiteren Behörden über alle anderen Bewilligungen entscheiden. Was den umstrittenen Perimeter angeht, steht nun fest, dass dieser nicht erweitert wird.

36 Millionen Franken vom Bund

«Das autoarme Zentrum Cham wird so gebaut, wie ursprünglich gedacht», betont Baudirektor Urs Hürlimann gegenüber zentralplus. Es brauche flankierende Massnahmen, um den Durchgangsverkehr wie gewünscht auf die Umfahrungsstrasse zu lenken. «Und nur mit dem ursprünglichen Perimeter gemäss dem Bau- und Auflageprojekt erhalten wir auch den Bundesbeitrag aus dem Agglomerationsprogramm von rund 36 Millionen Franken.» Das Bundesamt für Raumplanung hält in einer Stellungnahme fest, dass bei einer Erweiterung des Perimeters die Reduktion der Verkehrsbelastung deutlich geringer sei, als beim ursprünglichen Perimeter, respektive die Massnahme würde bei einer Erweiterung die Wirkung verlieren.

So soll die Umfahrung Cham-Hünenberg den Verkehr um Cham leiten.

So soll die Umfahrung Cham-Hünenberg den Verkehr um Cham leiten.

(Bild: Kanton Zug)

So weit so gut. Doch das gefällt nicht allen. Ein betroffener Ladenbesitzer in Cham, der lieber anonym bleiben will, versichert gegenüber zentralplus erstens, dass er von der Zuger Baudirektion wegen seiner Einsprache gar nicht kontaktiert worden sei.

Dauert es bis doch noch zum St. Nimmerleinstag?

Zweitens wisse er noch nicht, ob er seine Einsprache weiterziehen werde. Eine Konsequenz, die den geplanten Bau der UCH erneut um Jahre verzögern könnte. Eine Konsequenz, die auch Baudirektor Urs Hürlimann bei anderen unzufriedenen Einsprechern nicht ausschliessen kann. «Einzelne haben ihr Einsprache zurückgezogen, andere nicht. Es gilt als nächstes die entsprechenden Entscheide zu fällen.» Also, Augen zu und durch?!

Nicht ganz. Denn der Präsident des Chamer Gewerbevereins, Erich Herzog, bekennt auf Anfrage von zentralplus, «dass der Verein sich mit dem Kanton geeinigt habe und dem Strassenprojekt nicht länger im Weg stehen will.» Andererseits gilt im Prinzip nach wie vor: Allfälligen Beschwerdeführern bleibt grundsätzlich nach einer Entscheidung des Kantons über eine Baubewilligung natürlich weiterhin der Weg ans Verwaltungsgericht und ans Bundesgericht. «Nach der Erteilung der Bewilligungen ist wohl damit zu rechnen, dass der Rechtsmittelweg beschritten wird», räumt Hürlimann ein. Dauert es also doch noch bis zum St. Nimmerleinstag, bis die UCH fertig ist?

Der lange Weg der Umfahrung

Am 4. Mai 2006 genehmigte der Kantonsrat das generelle Projekt und gab ihm gleichzeitig einen neuen Namen: Aus «Kammerkonzept Ennetsee» wurde die Umfahrung Cham–Hünenberg (UCH). Am 1. Juni 2006 beschloss der Kantonsrat einen Rahmenkredit von 230 Millionen Franken für die weitere Planung, den Landerwerb und den Bau der Umfahrung. Der Rahmenkredit für alle vier Abschnitte setzt sich zusammen aus einem Baukredit von 180 Millionen Franken und einer Reserve von 50 Millionen Franken. Gegen den Kantonsratsbeschluss vom 1. Juni 2006 ergriff ein überparteiliches Komitee das Referendum. Am 11. März 2007 sagten die Stimmberechtigen des Kantons Zug Ja zur Umfahrung Cham–Hünenberg. Der Kantonsrat beschloss die weitere Freigabe von 15 Millionen Franken für die Giebelfeldbrücke.

Somit hat das Parlament bis heute 195 Millionen Franken freigegeben. Der genaue Zeitpunkt der Fertigstellung der Umfahrung steht noch nicht fest. «Wir gehen davon aus, dass wir 2021/2022 mit dem Bau beginnen können. Die Eröffnung ist 2026 vorgesehen», sagt Baudirektor Urs Hürlimann. Die Betonung liegt auf Circa. Eine Etappierung des Projekts sei nicht geplant. Hürlimann: «Bei einer etappierten Inbetriebnahme könnten die flankierenden Massnahmen des Auflageprojekts nicht umgesetzt und die verkehrlichen sowie die umwelttechnischen Auswirkungen wie Lärm oder Luft müssten aufgezeigt werden. Ein erneuter Zeitverlust von mehreren Jahren wäre die Folge.»

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