Darum geht es bei der Zuger Wohnraum-Initiative

Preisgünstige Wohnungen: Lässt sich Zug mit St. Moritz vergleichen?

Preisgünstiger Wohnungsbau: Die vom Regierungsrat als  Beispiel herangezogene Überbauung Roost in der Stadt Zug.

(Bild: PD)

Am 21. Mai kommt die «Gesetzesinitiative für bezahlbaren Wohnraum» der Jungen Alternative Zug und der Juso zur Abstimmung. Wir sagen, worum es geht. Und warum die Befürworter dem Regierungsrat vorwerfen, die Lage auf dem Wohnungsmarkt mit seinem Berechnungsmodell zu beschönigen.

Worüber stimmen die Zuger ab am 21. Mai? Die Initiative verlangt, dass sich der Kanton und seine elf Gemeinden aktiv für die Schaffung und den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum einsetzen. Das Ziel ist, dass bis in 20 Jahren nach Annahme der Initiative «ein Anteil von mindestens 20 Prozent des Wohnungsbestandes nach Grundsätzen des preisgünstigen Wohnungsbaus oder der Kostenmiete vermietet wird».

Gemeinden und Kanton sollen Massnahmen erarbeiten. Erreicht werden sollen die 20 Prozent mit folgenden Mitteln:
– Der Kanton und die Gemeinden sollen gemeinnützige Wohnbauträgerinnen (Genossenschaften) mit zinsvergünstigten Darlehen unterstützen.
– Die elf Zuger Gemeinden und der Kanton sollen den Wohnbauträgern eigene Grundstücke zur Verfügung stellen.
– Ausserdem verlangen die Jungparteien, dass Neueinzonungen oder Umzonungen in Zukunft nur erlaubt werden, wenn auf den einzuzonenden Flächen ein Anteil an preisgünstigem Wohnraum respektive auf der Kostenmiete basiertem Wohnraum entsteht. Wenn sich der Bauherr zu einem 20-Prozent-Anteil verpflichtet, soll er belohnt werden, indem er einen Ausnützungszuschlag erhält.

Regierungsrat spricht von 27 Prozent «günstigen» Wohnungen

Der Zuger Regierungsrat lehnt die Initiative ab. Er findet sie «unnötig, unverhältnismässig und kontraproduktiv», heisst es im Bericht und Antrag. Zu erwähnen ist dabei das Berechnungsmodell aus der Volkswirtschaftsdirektion, nach welcher der Kanton Zug geradezu ein Eldorado günstiger Wohnungen ist – und die Initiative deshalb überholt ist.

Die Kantonsregierung verweist dabei auf das Wohnraumförderungsgesetz (WFG). Danach lägen bereits 27 Prozent aller Wohnungen im Kanton Zug unter den Limiten des WFG und seien damit «preisgünstig» (siehe unseren Kommentar «Magische Lösung: Regierungsrat zaubert Wohnungsnot weg).

«Dieses Modell konnte mir noch niemand sachlich widerlegen.»
Matthias Michel, Zuger Volkswirtschaftsdirektor (FDP)

Matthias Michel kontert Kritik

Laut den Angaben des Zuger Amts für Wohnungswesens gab es 2013 insgesamt 14’100 solche Wohnungen im Kanton Zug gemäss den Kriterien der im WFG festgelegten Mietzinsobergrenzen (siehe Grafik). 1800 Wohnungen seien in den letzten Jahrzehnten mit WFG-Objekthilfen gefördert worden.

Die Initianten bezeichneten das Berechnungsmodell als «absurd». Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel kontert diese Kritik. «Dieses Modell konnte mir noch niemand sachlich widerlegen», sagt der Regierungsrat auf Anfrage von zentralplus.

Laut dieser in der politischen Beratung präsentierten Grafik gibt es 14'155 preisgünstige Wohnungen im Kanton Zug (Stand 2013). Rund 1800 wurden mit dem kantonalen Wohnraumförderungsgesetz gefördert.

Laut dieser in der politischen Beratung präsentierten Grafik gibt es 14’155 preisgünstige Wohnungen im Kanton Zug (Stand 2013). Rund 1800 wurden mit dem kantonalen Wohnraumförderungsgesetz gefördert.

(Bild: Volkswirtschaftsdirektion/Amt für Wohnungswesen)

Die Initiative selber fordere bezahlbare Wohnungen «nach den Grundsätzen des preisgünstigen Wohnungsbaus» , weshalb man die Kriterien des preisgünstigen Wohnungsbaus laut Zuger Wohnbauförderungsgesetz als Massstab genommen habe.

Beispiele realisierter Wohnungen genannt

Als Beispiele werden in der Stellungnahme 61 preisgünstige Wohnungen in der Überbauung Roost in Zug genannt. Ebenso ein Projekt in Baar mit 24 günstigen Alterswohnungen, welche zusammen mit der Gemeinde Baar und der Genossenschaft für Alterswohnungen realisiert wurden. Verwiesen wird ebenso auf die Planungen im «Papieri»-Areal in Cham, im Areal des ehemaligen Kantonsspitals in Zug, aber auch in den Arealen Unterfeld, Vogelwinkel in Baar, sowie Suurstoffi in Rotkreuz.

«Politisch ist die Initiative unnötig fixierend.»
Der Zuger Regierungsrat

Regierungsrat findet «Zuger Weg» besser

«Der bisher eingeschlagene Zuger Weg zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum erfüllt mit dem bereits flexibel einsetzbaren Instrumentarium bereits einzelne Forderungen der Initianten», schrieb die Zuger Regierung in der Begründung der Ablehnung.

Politisch sei die Initiative «unnötig fixierend», da sie eine Vorgabe von 20 Prozent an preisgünstigen oder nach Kostenmiete zu vermietenden Wohnungen verlange. Die Zielvorgabe sei mit den 27 Prozent laut WFG preisgünstigen Wohnnraum bereits erfüllt.

Matthias Michel kritisiert an der Initiative überdies, dass sie den Kanton Zug und alle Gemeinden über einen Leisten schlägt. «Wenn schon, müsste man den lokalen Bedarf feststellen und auf kommunaler Ebene Zonen für preisgünstige Wohnungen erstellen, wie das die Stadt Zug vorbildlich getan hat.»

«Zug kann nicht mit St. Moritz verglichen werden, einem weltweit bekannten Refugium für die vermögende Elite.»
Die Befürworter der Initiative

Initianten greifen Regierung frontal an

Die Initianten kritisierten die Argumente des Regierungsrat vor der Beratung im Parlament als «schwach» und «irreführend». Der Bericht enthalte zudem viele falsche Behauptungen und sei unsauber recherchiert.

Zum Beispiel stört sie, dass Zug wegen seiner Grösse mit St. Moritz verglichen wird, «einem weltweit bekannten Refugium für die vermögende Elite». Der Vergleich hinke stark. Das Berechnungsmodell des Regierungsrats mit den 27’000 Wohnungen bezeichnen sie als «absurd». Sie schlagen stattdessen ein eigenes Modell vor.

Die Regierung weigere sich bis heute, die Empfehlungen eines Berichts der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung namens «Preisgünstiger Wohnraum im Kanton Zug» umzusetzen, so die Initianten. Die Initiative orientiere sich an diesem Bericht.

Aggressive Standort- und Steuerpolitik

Das Bevölkerungswachstum im Kanton Zug von fast 15 Prozent zwischen 2000 und 2010 und die gestiegenen Ansprüche liessen die Nachfrage nach Wohnraum ansteigen. «Ein Hauptgrund für das Bevölkerungswachstum ist die aggressive Standort- und Steuerpolitik Zugs», kritisieren die linken Jungparteien.

«Ein Hauptgrund für das Bevölkerungswachstum ist die aggressive Standort- und Steuerpolitik Zugs.»
Die linken Jungparteien von Zug

Solvente Zuzüger, die teilweise von der Pauschalbesteuerung profitierten, hätten im Gegensatz zum Normalverdiener kein Problem sich auf dem Wohnungsmarkt mit hochpreisigen Immobilien einzudecken. Die Initianten wollen mit ihrem Vorstoss einen «Umschwung» einläuten und konkrete Ziele setzen, wie dies etwa in Zürich oder Luzern bereits gemacht wurde. «Weil der Markt versagt hat und Zuger verdrängt werden», braucht es die Initiative.

Im Kantonsrat chancenlos

Trotz dieser emotionalen Debatte im Vorfeld schloss sich die vorberatende Kommission dem Antrag der Regierung an und lehnte die Initiative mit 11 gegen 3 Stimmen der linken Kantonsräte Alois Gössi (SP), Andreas Lustenberger und Rita Hofer (beide ALG) ab.

Nicht besser erging es der Initiative im Kantonsrat. Sie wurde im August 2016 nach dem Links-Rechts-Schema zerpflückt. Das Verdikt in der ersten Lesung lautete 35 Nein- zu 17 Ja-Stimmen auf Ablehnung. In der zweiten Lesung im Oktober fiel das Resultat mit 54 Nein- zu 15 Ja-Stimmen noch deutlicher aus.

«Der Leidensdruck ist enorm, was den zahlbaren Wohnraum anbelangt.»
Andreas Lustenberger, Präsident Alternative – die Grünen Zug

Andreas Lustenberger verweist auf Abstimmungserfolge

Hat die Initiative den Hauch einer Chance, angenommen zu werden, wenn nur die Linke das Anliegen unterstützt? «Ja», sagt Andreas Lustenberger auf Anfrage und nennt die von der Linken gewonnenen Abstimmungen zu Unterfeld, Sparpaket und Stadttunnel. Der Präsident der Alternative-die Grünen Zug ist im Initiativkomitee; er hatte die Initiative noch als Mitglied der Jungen Alternative Zug mitlanciert.

«Der Leidensdruck ist enorm, was den zahlbaren Wohnraum anbelangt», sagt der ALG-Präsident. «Es ist sehr schade, dass die bürgerlichen Parteien nur die Interessen der Eigentümer und der Wohlhabenden unterstützen.»

Zum Hauptargument des Zuger Regierungsrates, dass 27 Prozent der Wohnungen preisgünstig sind, meint Lustenberger, die Regierung operiere mit falschen Zahlen. «Wenn die Zahlen stimmen würden, wäre der Kanton Zug schweizweit an der Spitze, was günstigen Wohnraum anbelangt.» Ein weiteres Argument der Befürworter, Ja zu stimmen: Die Initiative koste den Kanton nichts. «Die Genossenschaft bauen ja die Wohnungen», sagt der ALG-Präsident. Der Kanton schaffe nur die Rahmenbedingungen, dass bezahlbarer Wohnraum entstehen müsse.

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