Warum die SVP in Luzern plötzlich zur Linken hält

Parteibuch als Karrierebeschleuniger für Luzerner Betriebe

Mag man sich neuerdings?

(Bild: montage pze)

Die Linken und die SVP sind einander politisch spinnefeind. Doch am Montag hielt man plötzlich zusammen, als es im Kantonsrat um Doris Russi Schurter ging. Grund war ihr Doppelmandat bei den LZ Medien und der Kantonalbank. Was stört, sind nicht nur medienethische Fragen sondern die Machtkonzentration der politischen Mitte, die sich auf Unternehmen mit staatlicher Beteiligung ausweitet.

Bei der Kantonsratssession am Montag wäre es beinahe zur Überraschung gekommen: SP-Präsident David Roths Postulat gegen das Doppelmandat der Verwaltungsratspräsidentin der LZ Medien, Doris Russi Schurter, wurde im Kantonsrat nur hauchdünn abgelehnt. Nur gerade eine Stimme fehlte zur Stichwahl: Das Postulat scheiterte mit 58 zu 56 Stimmen. Die Unterstützung kam dabei von ungewohnter Seite: Die SVP stimmte fast geschlossen für Roths Vorstoss.

Die Angelegenheit ist brisant: Die 61-jährige Russi Schurter wird ab Mai den Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank (LUKB) präsidieren – neben ihrem LZ-Medien-Mandat. David Roth empfand diese Doppelrolle bei LUKB und LZ Medien als Risiko. Er sieht eine Gefahr darin, dass Medien wie die «Luzerner Zeitung», «Radio Pilatus» oder «Tele 1» nicht mehr unabhängig über die LUKB berichten könnten, wenn die Führung beider Konzerne bei derselben Person zusammenläuft.

In seinem Postulat verlangte Roth, dass der Regierungsrat die Wahl Russi Schurters bei der LUKB nur unterstützt, wenn sie auf das LZ-Mandat verzichtet. Die Regierung ist wegen der Aktienmehrheit des Kantons de facto Wahlbehörde des Verwaltungsrats der LUKB.

Doris Russi Schurter sagte im Vorfeld zur Debatte gegenüber der «Luzerner Zeitung»: «Ich befürchte keine Interessenkonflikte.» Sie sei nur in strategischer, nicht in operativer Funktion tätig. Dies spiegelt auch die Haltung der Luzerner Regierung wider. Weiter schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort auf Roths Postulat, dass Russi Schurter «im Kanton Luzern fest verwurzelt und vernetzt» sei. 

Immer die gleichen Leute?

«Das Zeichen an die Regierung war trotz des knappen Votums mehr als deutlich», sagt David Roth auf Anfrage von zentralplus. Dass die Vereinigung von zwei sensiblen Branchen kritisch beäugt würde, müsse der Regierung jetzt klar sein. «Das Unbehagen im Rat gegenüber einem Doppelmandat wie dem von Doris Russi Schurter ist sehr gross», so Roth.

«Es ist beschämend, dass man den Kreis der Kandidaten nicht über die Parteigrenzen der Mitte ausweitet.»

Guido Müller, Fraktionschef SVP

Doch der Grund für den Beinaheerfolg ist scheinbar ein ganz anderer. Die in diesem Fall verbündete SVP störte sich weniger an den medienethischen Fragen. Fraktionschef Guido Müller sagt: «Da die LZ Medien Holding der NZZ gehört, ist da wahrscheinlich die Unabhängigkeit des Mediums nicht das Problem.» Viel eher störe ihn, dass immer die gleichen Leute aus CVP und FDP in den Verwaltungsräten sitzen: «Wenn Sie die Verwaltungsräte von Organisationen anschauen, die mit der öffentlichen Hand zu tun haben, so hat man das Gefühl, dass nur die CVP und FDP über fähige Personen verfügen.»

Gleicher Kampf wie bei Richtern

Diese Sicht teilt aber die SVP nicht. Die Machtballung weite sich so vom politischen Parkett auch auf die Verwaltungsräte von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung aus. Müller sagt: «In der Luzerner Bevölkerung hätte gerade ein börsenkotiertes Unternehmen wie die LUKB eine breitere Akzeptanz, wenn der Verwaltungsrat aus erfahrenen und kompetenten Personen, unabhängig der Parteizugehörigkeit bestehen würde, so Müller.

«Ich habe schon den Eindruck, dass bei der Vergabe dieser Stellen auf das Parteibuch geachtet wird», sagt auch David Roth. Dabei kämpfe sowohl die SVP als auch die SP dafür, in diesen Gremien vertreten zu sein. «Letztlich müssen es qualifizierte Leute sein, aber die Regierung ist in der Verantwortung, diese Fachleute in allen politischen Lagern zu suchen – auch bei uns.»

«Bis im Mai hätte man keinen Ersatz als Verwaltungsratspräsidenten der LUKB gefunden.»

Guido Müller, Fraktionschef SVP

Er wolle keine Zusicherung auf Stellen, aber: «Vor Jahren mussten wir um die Richterplätze genauso kämpfen. Es geht darum, dass sich die Breite der Gesellschaft und der Politik auch in den öffentlichen Entscheidungsgremien widerspiegelt.»

Guido Müller wird dabei noch etwas klarer: «Man ist sich einig: Die SP und die SVP gehören da nicht rein – die würden den Seelenfrieden stören.» Müller sagt, die beiden Mitteparteien würden sich laufend gegenseitig Mandate zuschaufeln: «Es ist beschämend, dass man den Kreis der Kandidaten nicht über die Parteigrenzen der Mitte ausweitet.»

FDP und Russi Schurter bestreiten Vorwürfe

Die hauchdünne Abstimmung zum Postulat gegen Doris Russi Schurters Doppelmandat ist also auch ein Ausdruck von Frustration über die Vormachtstellung der FDP und CVP in öffentlichen Ämtern. Dies sei schon früher der Fall gewesen, so Müller, beispielsweise beim Verwaltungsrat des Casinos Luzern, bei der VBL oder beim Spitalrat des Kantonsspitals.

Doris Russi Schurter selber kann dem Vorwurf wenig abgewinnen. Auf Anfrage sagt sie: «Ich kann bestätigen, dass ich keiner Partei angehöre und auch nie politisch engagiert war. Deshalb pflege ich auch keine Kontakte zu den politischen Parteien.» Bei der Vorbereitung der LUKB-Präsidiumsvergabe habe sich der Verwaltungsrat an die notwendigen Richtlinien gehalten. «Die Vorschläge zur Besetzung der diversen Positionen, aber auch der neuen VR-Mitglieder fällt der Nominationsausschuss des LUKB Verwaltungsrates unabhängig von politischen Überlegungen», sagt Russi Schurter.

SVP-Fraktionschef Guido Müller (links) und SP-Präsident David Roth.

SVP-Fraktionschef Guido Müller (links) und SP-Präsident David Roth.

(Bild: Montage pze)

Ins gleiche Horn bläst die FDP: «Entscheidend sind die fachlichen Fähigkeiten, die Erfahrung und zeitliche Verfügbarkeit der vorgeschlagenen Personen. Die Parteizugehörigkeit sollte dabei auch aus unserer Sicht nicht entscheidend sein», so FDP-Fraktionschef Andreas Moser. Doch dass die FDP in vielen Organisationen, die mit der öffentlichen Hand zu tun haben, gut vernetzt ist, bestreitet Moser nicht: «Dass liberale Persönlichkeiten die gestellten Anforderungen aber oft erfüllen, ist für uns ein positiver Nebeneffekt.»

Die CVP war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Kritik an Durchführbarkeit von Roths Forderung

Müllers Enttäuschung über das Scheitern des Postulats hält sich denn auch in Grenzen: «Es hätte nichts geändert. Der Vorstoss war viel zu kurzfristig, die Geschäfte sind aufgegleist. Bis im Mai hätte man keinen Ersatz als Verwaltungsratspräsidenten der LUKB gefunden», so Müller. Weiter kritisiert er: «Das Postulat war falsch formuliert. Man hätte früher intervenieren sollen, bereits bei der Wahl des Vizepräsidenten.»

Roth lässt diese Kritik nicht gelten. Wäre das Postulat angenommen worden, wäre das keine unmögliche Situation: «Der Verwaltungsrat unterbreitet der Generalversammlung einen Vorschlag und diese kann den akzeptieren oder nicht. An diese Spielregeln halten sich alle Aktiengesellschaften in der Schweiz.»

Da scheint es also schon wieder vorbei mit der Links-Rechts-Harmonie.

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