Juso-Chef Gauch tritt zurück – mit Seitenhieb

«Wir sind der Stachel im Arsch der SP»

Yannick Gauch kandidierte 2016 für den Luzerner Stadtrat. Hier am Neubad-Talk.

(Bild: Jakob Ineichen)

Was er von der Juso Schweiz hält? Ob es nicht Juso-unwürdig sei, wenn eine Initiative sogar beim Stadtrat Anklang findet? Und wie die Juso Luzern zur Steuererhöhung steht? Mit diesen und anderen Fragen im Gepäck traf zentralplus den Luzerner Juso-Präsidenten Yannick Gauch zum Interview. Doch eine unerwartete Aussage sorgte für die grösste Überraschung.

«Ich trete zurück.» Yannick Gauch hat genug vom Präsidium der kantonalen Juso. Als Stadtparlamentarier, SP-Sekretär und Jungunternehmer fehle schlicht und einfach die Zeit. «Mir gefällt der Job. Und ich trete auch überhaupt nicht aus Frust oder Unverständnis über die Politik zurück», sagt er. Dem wollen wir auf den Grund gehen.

zentralplus: Herr Gauch, die Juso-Schweiz-Präsidentin Tamara Funiciello ist fast täglich in den Medien. Sie verteilt Penis-Pralinés vor dem Bundeshaus, fährt SP-Kollegen an den Karren oder liebäugelt mit dem Abschuss der AHV-Reform. Die Juso Luzern wirkt dagegen schon fast brav. Wurde es Ihnen zu bunt?

Yannick Gauch: Provokation ist ein gutes Mittel und es war die Juso, welche sie – vielleicht gemeinsam mit der SVP – entdeckt hat. Ich habe aber Mühe, wenn Provokation nicht als Mittel für eine sinnvolle Forderung, sondern nur der Provokation wegen eingesetzt wird. Die Juso Schweiz geht da teilweise an die Grenzen. Mittlerweile lese ich auch nicht mehr jede Provokation. Das zeugt vielleicht davon, dass das Mittel übereifrig eingesetzt wurde in letzter Zeit. Aber zu Ihrer Frage: Mein Rücktritt hat wirklich zeitliche Gründe und hat überhaupt nichts mit dem Stil oder der Arbeit der Juso Schweiz zu tun.

Höchst umstritten – die Juso-Werbeaktion im Vorfeld des Women’s march:


 

zentralplus: Man hörte auch, das Ziel der Juso sei, aus Prinzip immer linker als die SP zu sein. Was halten Sie von dieser Aussage?

Gauch: Ich denke, dass die Juso am linken Flügel steht, ist klar und auch gut so. Die Juso soll, salopp gesagt, der Stachel im Arsch der SP sein, damit diese sich nicht zu fest zurücklehnt, träge wird und Richtung Mitte abdriftet. Aber so absolut stimmt die Aussage natürlich nicht.

zentralplus: Täuscht der Eindruck oder gibt’s kaum Reibungen zwischen der Juso und der SP Luzern?

Gauch: Es gibt weniger Knatsch als auch schon. Und wenn, wird dieser nicht medial ausgeschlachtet. Wir sind in der SP gut eingebunden und müssen Meinungsverschiedenheiten nicht immer medial thematisieren.

«Die SP hat mehr Power, seit sie nicht mehr in der Regierung ist.»

zentralplus: Spielt es eine Rolle, dass die SP nicht in der Regierung ist? In Zürich wird SP-Regierungsrat Fehr ständig von der Juso attackiert.

Gauch: Absolut. Die SP ist im Kanton Luzern eine Oppositionspartei und muss somit den bürgerlichen Kurs nicht mittragen. Das war früher natürlich anders. Heute kann die SP linkere Politik machen. Sie hat mehr Power, seit sie nicht mehr in der Regierung ist. Dies beweist sie immer wieder. Ich denke an die Initiative für faire Unternehmenssteuern, die drei Initiativen gegen Abbau beim Öffentlichen Verkehr, der Bildung und des Gesundheitswesens oder zuletzt die Unterstützung des Referendums gegen die Halbierung der Musikschulbeiträge.

zentralplus: Trotzdem befürwortet die SP die Steuerfusserhöhung. Der linke Flügel und die Gewerkschaften nicht. Wie sieht’s bei der Juso aus?

Gauch: Wir haben die Parole noch nicht gefasst. Ich persönlich habe Mühe damit und sehe eine allgemeine Steuerfusserhöhung als Fehler, wenn gleichzeitig die Unternehmenssteuern so tief bleiben. Die Zeche für die gescheiterte bürgerliche Politik sollen nicht die einfachen Leute tragen müssen. Ich verstehe aber auch die Sicht der SP und kann nachvollziehen, dass sie den Kompromiss mit den Bürgerlichen eingegangen ist. In der Juso werde ich mich für ein Nein zur Steuerfusserhöhung einsetzen und gehe davon aus, dass viele Mitglieder ähnlich denken.

zentralplus: Die Regierung hat bereits verlauten lassen, dass es keinen Plan B gäbe und ein «verheerender Kahlschlag» nötig wäre, falls die Steuererhöhung scheitert. Dieser würde die sozial Schwachen treffen, das kann kaum im Interesse der Juso sein.

Gauch: Man muss zwischen den Rollen der SP und der Juso unterscheiden. Die SP muss bei solchen Fragen pragmatischer funktionieren als wir Juso. Wir können konsequenter aussprechen, dass die Bürgerlichen über Jahre hinweg den Kanton heruntergewirtschaftet haben. Wenn die SP immer probiert zu retten, was es noch zu retten gibt, trägt sie diese Politik mit. Die Juso sagt: Nein, so funktioniert es nicht.

zentralplus: Dann fährt man den Kanton gegen die Wand?

Gauch: Ja. Das müsste man in Kauf nehmen. Die Verantwortung dafür hätten die Bürgerlichen mit ihrer gescheiterten Steuerpolitik zu tragen.

zentralplus: Die Juso Schweiz droht auch mit der Bekämpfung der AHV-Reform. Dort könnte es auch zum Crash kommen.

«An Podien unter den Jungparteien fliegen die Fetzen nach wie vor.»

Gauch: Aus meiner Sicht ist das sehr ungeschickt. Beim AHV-Kompromiss hat man viel erreicht. Die Juso gefährdet einen wichtigen Erfolg, wenn sie versucht, die Linken in dieser Frage zu spalten.

zentralplus: Anderes Thema: Eure Inseli-Initiative wird vom Stadtrat unterstützt. Statt der rebellischen Juso seid ihr in der Stadt Luzern sogar mehrheitsfähig. In anderen Städten wäre dies undenkbar und sogar aus Sicht der Juso prinzipiell verpönt.

Gauch: Bei der Inseli-Initiative haben wir ein Problem aufgenommen, das die Leute bewegt. Die Unterschriften sammelten sich beinahe von alleine. Wenn uns nun der Stadtrat und bürgerliche Parteien bei unserem Anliegen unterstützen, haben gewisse Leute wohl das Gefühl, wir machen etwas falsch. Ich denke das Gegenteil. Wir machen nicht Politik für die Bürgerlichen, aber wenn wir etwas Mehrheitsfähiges machen, wo alle dahinterstehen und uns unterstützen – why not?

zentralplus: Wir haben ein Bild einer Juso-Aktion dabei. Ist das Effekthascherei? Oder nicht sogar Kindergarten?

Die Juso des Kantons Luzern bei einer Protestaktion vor dem Löwendenkmal.

Die Juso des Kantons Luzern bei einer Protestaktion vor dem Löwendenkmal.

(Bild: zvg)

 

Gauch: Es ist auf alle Fälle sehr plakativ. Eine feine Provokation. Das Löwendenkmal ist etwas Unantastbares und steht symbolisch für die Touristenstadt. Wir wollen, dass Luzern mehr als nur ein Disneyland für Touristen ist. Dementsprechend fand ich das eine gute Aktion. Aber wir befassen uns natürlich auch mit Weiterem als nur mit der Touristenstadt Luzern. Ich erinnere etwa an unsere eingereichte Initiative, dass die Luzerner Pensionskasse kein Geld mehr in Kriegsgeschäfte investieren darf. Das ist Globalpolitik auf lokaler Ebene.

zentralplus: In den Medien nimmt man die Jungparteien nicht sehr stark wahr. Vermisst ihr Ex-JSVP-Präsident Anian Liebrand als grossen Gegenspieler?

Gauch: Ich glaube nicht, dass uns Anian fehlt. An Podien unter den Jungparteien fliegen die Fetzen nach wie vor. Bei uns hat es sicher auch damit zu tun, dass wir im Stadtparlament vertreten sind. Dadurch braucht es die öffentliche, medienwirksame Provokation weniger als früher. Bei wichtigen Anliegen sind wir jedoch sofort in Aktion getreten. Etwa beim Nazi-Konzert in Willisau, bei einer geplanten Pegida-Demo in der Stadt Luzern oder bei der SVP-Verleumdungskampagne gegen eine Frau in Marbach.

zentralplus: Ein hochemotionales Thema sind Hausbesetzungen. Wie nah ist die Juso an dieser Szene?

Gauch: Mit dem Anliegen sympathisiert die Juso stark. Es kann nicht sein, dass auf Luzerner Boden Wohnraum leer steht, weil irgendwelche Eigentümer spekulieren. Es hatte sicher auch Juso-Besucher in der Gundula, wir waren jedoch nicht direkt an der Besetzung beteiligt. In dieser Frage gibt es sicher auch Differenzen mit gewissen SP-Mitgliedern. Wir kritisieren Boden als Eigentum, denn er ist ein Allgemeingut. Dies stösst wohl nicht bei allen SPlern auf Wohlwollen.

zentralplus: Dann handelt ihr euch einen Rüffel von oben ein?

Gauch: Nein, das ist ja das Schöne. Wir sind völlig unabhängig von unserer Mutterpartei. Und wenn ich an die Kandidatur denke, die für meine Nachfolge eingegangen ist, könnte der Stil in Zukunft durchaus wieder provokativer werden.

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