Rechtsstreit um Zuger Bauprojekt

Gartenstadt-Lobby wappnet sich für den Kampf

Zum Widerstand entschlossen: Katja Zuniga, Annick Lalive, die Stadtzuger Gemeinderätinnen Astrid Estermann und Monika Mathers sowie Judith von Rotz.

(Bild: mam)

Ein Teil des ortsbildgeschützten Zuger Gartenstadt-Quartiers soll einem Neubau-Projekt weichen. Quartierbewohner, die gegen das Projekt sind, haben nun einen Verein gegründet. Sie rechnen sich bei einem Gang vor Gericht gute Chancen aus.

Der Kampf gegen die Vernichtung günstigen Wohnraums in der Stadt Zug geht weiter: Am Donnerstag haben 21 Mitglieder der bisherigen IG Gartenstadt im Alterszentrum Herti den neuen Verein Pro Gartenstadt gegründet.

Der Verein wehrt sich gegen den Abriss und die Neuüberbauung eines Teils des Zuger Quartiers durch die kantonale Gebäudeversicherung und die Baugenossenschaft Familie (zentralplus berichtete).

«Wir hoffen, dass sich möglichst viele gleich Denkende von ausserhalb dem Verein anschliessen.»

Astrid Estermann, Pro Gartenstadt Zug

Die alternative Stadtzuger Gemeinderätin Astrid Estermann wird erste Präsidentin des Vereins. «Wir hoffen, dass sich möglichst viele Interessierte und Gleichdenkende von ausserhalb des Quartiers dem Verein anschliessen», sagt sie. Der Verein will für seine Mitglieder aus der Gartenstadt gerichtlich gegen Neubau- und Umbauprojekte im ortsbildgeschützten Quartier vorgehen, wenn er den «historische Charakter» der Gartenstadt gefährdet sieht.

Ortsbild von nationalem Interesse

Die Zuger Gartenstadt wurde nach den Ideen des englischen Stadtplaners Ebenezer Howard (1850–1921) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts westlich des Landis & Gyr-Areals erbaut. Im Norden des Gebiets stehen ehemalige Vorarbeiterhäuschen, die Arbeiter von Landis & Gyr wurden in Mehrfamilienhäusern untergebracht. Sie hat – wie es der Namen sagt – relativ viele Gründflächen und ist wie die Zuger Altstadt im Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS).

So sieht die Gartenstadt jetzt noch aus. Der Bebauungsplan soll das ändern (Bild: Flying Camera Baar).

So sieht die Gartenstadt jetzt noch aus. Der Bebauungsplan soll das ändern (Bild: Flying Camera Baar).

Das Bundesinventar ist  der Hebel, mit dem die Gartenstadt-Lobby das geplante Bauprojekt zu Fall zu bringen gedenkt. Dies, nachdem eine Petition mit 1250 Unterschriften nichts gefruchtet hat und Interpellationen im Stadtparlament für die Gartenstadt-Bewohner ernüchternd beantwortet wurden (zentralplus berichtete).

Lasche Zuger Haltung?

Im Unterschied zu den Zuger Behörden, die davon ausgehen, dass aus dem Bundesinventar kein strenger Schutzgedanke im Sinne von Heimat- oder Denkmalschutz folgt, setzt Pro Gartenstadt seine Hoffnungen in ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2009.

Das ist Pro Gartenstadt

Der Verein Pro Gartenstadt wurde am Freitag durch 18 Bewohnerinnen und Bewohner der Gartenstadt und drei Unterstützer aus andern Quartieren gegründet. Sinn ist es, das finanzielle Risiko von Einsprachen gegen grössere Bauprojekte im geschützten Quartier breit abzufedern und schnell gegen Baugesuche vorgehen zu können.
Dem Vorstand gehören vier Frauen aus der Gartenstadt an: Präsidentin Astrid Estermann, Katja Zuniga, Judith von Rotz und Annick Lalive. Die fünfte im Bunde ist die CSP- Stadtparlamentariern Monika Mathers aus Oberwil. Bekannte Mitglieder sind der frühere SP-Stadtrat Eusebius Spescha, der im Quartier wohnt, sowie – als Unterstützer aus andern Quartieren – der grünliberale Gemeinderat David Meyer und der Privatmann Heinz Gross, der sich für den Ortsschutz bei der Überbauung Salesianum einsetzt. Als Jurist hat sich Meinrad Huber, Präsident des Zuger Heimatschutzes, für eine Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt.

Damals erhob ein Privater im zürcherischen Rüti Einsprache gegen ein grösseres Bauprojekt im historischen Ortszentrum und erhielt in letzter Instanz Recht. Das Gericht argumentierte, dass das Bundesinventar auch für die Kantone verbindlich sei. Diese hätten zusammen mit den Gemeinden den Schutz mit eigenen Massnahmen zu gewährleisten.

In der Stadt Zug existiert ein «Gestaltungshandbuch Ortsbildschutzzone Gartenstadt Zug», das aber weitgehende Veränderungen des Quartiers zulässt, indem es Neubauten als «Weiterentwicklung» einstuft. Was Astrid Estermann am Handbuch besonders ergrimmt, ist der Umstand, dass dieses Handbuch erst nach Vorliegen des umstittenen Neubauprojekts publiziert wurde – es also für die Bauherren massgeschneidert wurde, wie sie vermutet.

Eine Menge Juristenfutter

«Ein Gerichtsverfahren kann Jahre dauern», warnte Estermann ihre Mitstreiter. «Und wir müssen auch damit rechnen, dass wir scheitern». Dennoch: Die derzeit gültige Zuger Bauordnung nimmt auf das Bundesinventar ISOS keine Rücksicht, obwohl dies laut Bundesgericht angezeigt wäre.

Ausserdem: Gemäss ISOS wäre eigentlich ein Abruch von Häusern in der Schutzzone A des Bundesinventars nicht zulässig. Wenn die Stadt Zug nun die Neubebauung eines ganzes Quartierteils mit teils massiven Flachdachbauten als «Weiterentwicklung» eines historischen Ortsbilds versteht, dann ist dies eine grosszügige, aber auch fragwürdige Auslegung. Man darf gespannt sein, wie dereinst die Richter darüber urteilen.

Die geplanten Baukörper links der Strasse: um die geht's es in der Auseinandersetzung um die Gartenstadt.

Die geplanten Baukörper links der Strasse: um die geht’s es in der Auseinandersetzung um die Gartenstadt.

(Bild: zvg)

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