Gerhard Pfister und der Nationalheilige

Das Albisgüetli geht zu Bruder Klaus ins Entlebuch

Gut gefüllt: Der Saal des Kurhauses Heiligkreuz. Proppenvoll mit 150 Gästen.

(Bild: fam)

Die CVP macht einen auf Albisgüetli. Einfach im Entlebuch. Und mit Wertedebatte statt grossem Vordenker. Ob das aufgeht? Das Thema: Bruder Klaus für sich gewinnen. Mit dabei Luzerner Honoratioren und Parteipräsident Gerhard Pfister.

«Wir können das Thema doch nicht einfach den anderen überlassen», sagt der Luzerner Alt-Nationalrat Ruedi Lustenberger und lacht verschmitzt. Das Thema ist «Niklaus von Flüe», die anderen, das ist Christoph Blocher, der zusammen mit Bischof Huonder am 18. August an einer Veranstaltung zum Nationalheiligen in Flüeli-Ranft als Redner auftritt. Brisant also: Das hier ist eine Gegenveranstaltung. Ein bisschen rebellisch.

Apfelschorle und Werte statt Bier und Hiebe

Wir, das ist die CVP. Wir sitzen am Aschermittwoch im Saal des Kurhauses Heiligkreuz, mitten im tiefsten Entlebuch, katholische Stammlande. Daneben das Entlebucher «Nationalheiligtum», die Wallfahrtskapelle Heiligkreuz. «Wenn Entlebucher etwas zusammen aushecken müssen, sind sie schon immer hierhergekommen», sagt Christian Ineichen, «auch damals, als es gegen die Luzerner ging.»

Er ist der Präsident des Vereins «Politischer Aschermittwoch». Und was er zusammen mit dem namhaften Vorstand rund um Lustenberger, Guido Graf und anderen hier oben versucht, ist nichts anderes, als ein eigenes kleines «Albisgüetli» für die CVP zu schaffen. Vorbild ist die CSU, sagt Ineichen, allerdings mit einem feinen Unterschied: Dort gibt’s derbe Hiebe in alle Richtungen und viel Bier, hier gibt’s Wertedebatte und Apfelschorle.

Intelligent statt latent aggressiv

Der Saal ist bereit, das Thema verspricht viel, die Redner auch – Parteipräsident Gerhard Pfister kommt, und Niklaus-von-Flüe-Kenner und Historiker Pirmin Meier. Und dann die Überraschung: Der Saal ist bombenvoll. «150 Leute sind das sicher», freut sich Lustenberger. Das Durchschnittsalter passt zur Mission: «Unser Ziel ist es, uns auf unsere konservativen Werte zu besinnen», sagt Ineichen. «Denn nur aus einer guten Herkunft kann etwas Gutes entstehen.»

«Man hat mir im Vorfeld von verschiedenster Seite mitgeteilt, dass ich nicht geeignet sei, um über Niklaus von Flüe zu sprechen.»

Gerhard Pfister, CVP-Präsident

Und los geht’s. Mit einer Überraschung. Der Pfister, der da gleich ans Rednerpult steht, hat mit dem latent aggressiven und provokativen Pfister von kurz nach seiner Wahl zum Parteipräsidenten wenig zu tun. Heute kauft man ihm den Staatsmann ab – die Rede ist intelligent, authentisch und nur in geniessbarem Mass mit Seitenhieben angereichert. Dafür mit echten Überlegungen. «Unglaublich gut. Viel besser als vor einem Jahr», sagt ein Besucher am Schluss zu seiner Nachbarin.

CVP-Präsident Gerhard Pfister: Nach Fremdeinschätzung nicht geeignet, um über Niklaus von Flüe zu sprechen. Und vielleicht gerade deshalb so überzeugend.

CVP-Präsident Gerhard Pfister: Nach Fremdeinschätzung nicht geeignet, um über Niklaus von Flüe zu sprechen. Und vielleicht gerade deshalb so überzeugend.

(Bild: fam)

Pfister steigt entspannt ein. «Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich heute über meine persönliche Beziehung zu Bruder Klaus spreche», sagt der Zuger. «Man hat mir im Vorfeld von verschiedenster Seite mitgeteilt, dass ich nicht geeignet sei, um über Niklaus von Flüe zu sprechen. Und dass von Flüe, würde er heute leben, ein Linker wäre.» Der Saal lacht. Das ist dann doch eher unvorstellbar, hier oben.

Das Albisgüetli geht zu Bruder Klaus – nicht umgekehrt

Und dann kommt Pfister auf den Kern des Sache: «Natürlich wurde auch von verschiedenen Seiten sofort der Vorwurf laut, jetzt würden wir auch noch auf den Zug aufspringen und Bruder Klaus instrumentalisieren», sagt Pfister. «Manche haben aber auch gefragt: Wo bleibt die CVP in der öffentlichen Diskussion über Bruder Klaus?»

Der Bruder gehöre nicht ins Albisgüetli, sagt Pfister, «deshalb geht das Albisgüetli zu Bruder Klaus – eine Ironie der Geschichte, dass der reformierte Pfarrerssohn Blocher Unterstützung von einem katholischen Bischof braucht, um sich nach Flüeli-Ranft zu trauen».

Provokation, kein Mainstream

Pfister teilt seine Bruder-Klaus-Rede in fünf Teile auf: Vereinnahmung, Geschichte, Konsens, Friede, und «man möge es mir verzeihen» – CVP. Punkt eins: Vereinnahmung: «Ist das überhaupt etwas Schlechtes, wenn wir Bruder Klaus vereinnahmen? Das bedeutet ja, dass wir ihn uns zu eigen machen.»

Niklaus von Flüe sei eine umstrittene Person, eine, die nicht leicht zugänglich sei. Das Bild von Bruder Klaus sei nicht harmonisch, so Pfister. «Seine Provokation ist alles andere als Mainstream.» Deshalb mache er es einem auch so schwer, einen Zugang zu ihm zu finden. «Ich möchte Sie dazu auffordern: Nutzen Sie die Chance und vereinnahmen Sie Bruder Klaus für sich. Finden Sie ihren persönlichen Zugang zu ihm – es lohnt sich.» Dass es zu so einer Person in der öffentlichen Meinung völlig verschiedene Einschätzungen gäbe, sei «völlig natürlich», so Pfister. «Aber man kann Bruder Klaus gar nicht politisch instrumentalisieren. Dazu ist er viel zu wichtig.»

Dann: Geschichte. Pfister skizziert die Zeit, in der Niklaus von Flüe gelebt hat, als eine im Wandel begriffene: «Die Unsicherheit der Menschen ist stark gewachsen.» Bahnbrechende Erfindungen wie der Buchdruck, die Entdeckung Amerikas, die Türken vor Wien. «Es gab ein völlig neues Selbstverständnis. Zum ersten Mal fühlten sich die Menschen wirklich wie das Ebenbild Gottes.» Das sei zugleich der Kern der Mystik von Bruder Klaus: «Er wollte Gott in sich selber finden – ohne Vermittlung durch eine Institution. Deshalb lebten Mystiker zu dieser Zeit relativ gefährlich.»

Die verrechtlichte Welt

Thema Konsens: Die Ratschläge, die Bruder Klaus verschiedenen damaligen Politikern gab, seien auch heute nicht die schlechtesten, so Gerhard Pfister: «von Flüe sagte etwa: Politiker sollen ihr Regiment so einrichten, dass es dem Gemeinwohl diene.» Auch sein Rat an die verschiedenen Gruppierungen der Tagsatzung sei heute noch relevant: «Bruder Klaus riet ihnen, ihre Streitigkeiten in der Verhandlung zu lösen – und nicht per Rechtsprechung. Wir leben heute in einer verrechtlichten Welt», sagt Pfister. «Wenn Sie Lehrer sind, wissen Sie, von was ich rede: Geben Sie einem Schüler eine schlechte Note, dann sprechen Sie sehr schnell nicht mehr mit seinen Eltern – sondern mit deren Anwalt.»

Hier kam man schon immer hin, wenn es wichtig wurde: Das Entlebucher «Nationalheiligtum», die Wallfahrtskapelle Heiligkreuz.

Hier kam man schon immer hin, wenn es wichtig wurde: Das Entlebucher «Nationalheiligtum», die Wallfahrtskapelle Heiligkreuz.

(Bild: fam)

Und wo bleibt da jetzt die angedrohte Vereinnahmung durch die CVP? Keine Angst, sie folgt sofort. «Dann das berühmte Zitat: Steckt den Zaun nicht zu weit. Wir können natürlich darüber streiten, ob er das tatsächlich gesagt hat oder nicht.» Der Satz, den auch Christoph Blocher gerne für seine Zwecke gebraucht, wurde Niklaus von Flüe womöglich von seinem Biografen angedichtet – ob er ihn tatsächlich gesagt hat, ist offenbar unklar.

Mehr Demut und eine bescheidenere Rolle

«Aber man könne stattdessen auch darüber reden, ob der Satz seine Berechtigung hat», sagt Pfister. «Und die hat er – auf politische wie auch auf menschliche Art.» Die Schweiz dürfe nicht eine grössere Rolle spielen wollen, als sie ihr zustehe, sagt Pfister. «Früher hat man von Demut gesprochen – heute spricht man von Frustrationstoleranz.» Geht es Pfister um Migrationspolitik? Man weiss es nicht – sein Vorredner Ineichen hatte da knalligere Töne gefunden: «Wir müssen schauen, dass das fragile Gut Asyl in der Schweiz nur ausgewählten Leuten zugute kommt», sagte Ineichen in seiner Einleitung, «und dass wir nicht unsere Türen weit öffnen. Gerade vor dem Hintergrund unserer humanitären Tradition.»

«Wir müssen schauen, dass das fragile Gut Asyl in der Schweiz nur ausgewählten Leuten zugute kommt.»

Christian Ineichen, Vereinspräsident

Pfister hütet sich am Aschermittwoch vor solchen Aussagen – obwohl er im Thema Migration schon mit Engagement drastisch provoziert hatte (zentralplus berichtete). Er bleibt zwar beim Thema Grenzen, aber kommt aufs Persönliche: «Es geht hier auch um die eigenen Grenzen, die man sich in dieser grenzenlosen Welt setzt. Und darum, die eigenen Grenzen zu erkennen.» Und dann doch noch ein Seitenhieb auf Blocher: «Gerade die, die sich fürs Abgrenzen stark machen, die ausgrenzen wollen, führen sich selber oft grenzenlos selbst- und machtbewusst auf.

Wertedebatte sei Chance für die CVP

Und was hat Bruder Klaus nun mit der CVP zu tun? «Die Wertedebatte ist eine Chance für die Christdemokratie, ihre Ansprüche wieder zu zeigen», sagt Pfister. «Die Tugenden des Bruder Klaus machen auch heute noch gute CVP-Politik aus: Konsens und Frieden. Wir wollen die Erhaltung unserer Werte grossschreiben.» Die CVP habe keine «selbsternannten Vordenker», sagt Pfister. «Wir ziehen die Vielfalt der Einfalt vor.»

Markige Worte zum Schluss, der Saal ist begeistert. Pfisters Nachredner, der Historiker Meier, schiesst in die gleiche Kerbe – mit mehr guten Anekdoten. Dann ist Käseschnitte angesagt. Albisgüetli für die CVP – funktioniert das? «Wir sind sehr zufrieden», sagt Ineichen. Draussen schneit’s mittlerweile. Das Postauto fährt nur die Journalisten ins Tal zurück. Vorbei an der Wallfahrtskapelle. Nach Heiligkreuz kommt man nicht ohne Absicht – es gibt nur einen Weg hin und zurück. Ob das Ziel «Werte Erhalten» für die CVP hier oben aufgeht, man wird sehen. Jetzt vereinnahmen wir erst mal den Bruder Klaus, und dann schauen wir weiter.

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