Zahlreiche Initiativen gegen hohe Mietkosten

Wo in Luzern auf günstige Wohnungen gehofft werden darf

Bauleiter Franz Studer (hinten) und Benno Zgraggen von der ABL auf der Baustelle.   (Bild: jwy)

(Bild: jwy)

Landauf und landab wird mehr bezahlbarer Wohnraum gefordert. Die Luzerner Gemeinden verfolgen unterschiedliche Strategien, doch schon bald könnten kantonale und nationale Initiativen die Situation grundlegend verändern.

Wohnraum wird in der Schweiz seit Jahren zunehmend teuer, auch im Grossraum Luzern. Obwohl sich im Kanton Luzern die Leerwohnungsquote letztes Jahr gegenüber 2015 etwas erhöht hat, bleiben günstige Wohnungen in einigen Kommunen Mangelware. In der Stadt Luzern, in Horw und Meggen sind Massnahmen geplant oder bereits umgesetzt worden, im Kanton und auch auf nationaler Ebene ist eine Initiative hängig.

«Bund und Kanton Luzern haben sich in den letzten Jahren komplett aus der Förderung von günstigem Wohnraum verabschiedet.»

Michael Töngi, Generalsekretär des Schweizerischen Mieterverbandes

Für Michael Töngi, Generalsekretär des Schweizerischen Mieterverbandes, ist das Thema «brandaktuell»: «Die Agglomeration Luzern ist eine der Regionen, die im schweizweiten Vergleich die grösste Mietzinserhöhung verzeichnet. Der Druck von Zuzügern aus dem Grossraum Zürich ist ein Grund für diesen Trend.»

Töngi, der für die Grünen im Luzerner Kantonsrat politisiert, stützt sich dabei auf das Monitoring des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) zum Wohnungsmarkt in der Zentralschweiz: «Die Region Luzern bleibt ein schweizerischer Brennpunkt bezüglich Versorgung mit Mietwohnungen.» Trotzdem hat sich die Politik in den letzten Jahren  zurückgezogen: «Sowohl der Bund als auch der Kanton Luzern haben sich in den letzten Jahren komplett aus der Förderung von günstigem Wohnraum verabschiedet», so Töngi. Die Reaktion folgt postwendend: Auf Bund-, Kantons- und auf Gemeindebene sind Initiativen für die Förderung von günstigem Wohnraum eingereicht worden.

«Wir hatten in den letzten Jahren durchaus Bautätigkeiten, jedoch eher im oberen und mittleren Bereich.»

Thomas Zemp, Gemeinderat CVP Horw

Junge Familien und Mittelstand haben es schwierig

Besonders prekär ist der Wohnungsmarkt in Horw: Am 1. Juni 2016 hatte Horw laut Luzern Statistik lustat keine einzige freie Wohnung im Angebot. Insbesondere für junge Familien sei es sehr schwierig, geeigneten Wohnraum zu finden, meint CVP-Präsident Ivan Studer: «Die Gemeindestatistik der letzten Jahre beweist, dass mehr junge Familien aus Horw wegziehen», hält Studer fest. Er erklärt, weshalb es in der Gemeinde so wenig günstige Wohnungen gibt: «Aufgrund der attraktiven Lage am See und der unmittelbaren Nähe zu Luzern sowie der schwierigen Baugrundverhältnisse im Zentrum sind die Immobilienpreise in Horw relativ hoch.»

Stadt Luzern fördert günstigen Wohnraum

In der Stadt Luzern haben die Stimmberechtigten im Juni 2012 der Initiative «Für bezahlbaren Wohnraum» deutlich zugestimmt. Das Volksbegehren verlangt, dass in 25 Jahren der Anteil an gemeinnützigen Wohnungen auf 16 Prozent erhöht wird. Heute sind es 14 Prozent. Die Stadt setzt auf die Zusammenarbeit mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern (zentralplus berichtete) – insbesondere den Wohn- und Baugenossenschaften und der Gemeinschaftsstiftung zur Erhaltung und Schaffung von preisgünstigem Wohnraum GSW, die gemäss Volksentscheid vom Februar 2014 vier Millionen Franken zusätzliche Mittel erhält.

Die CVP wollte Gegensteuer geben und reichte im April 2016 die Initiative für «Preisgünstigen Wohnraum in Horw» ein. Sie fordert Massnahmen zum Schutz, zur Förderung und Unterstützung von preisgünstigen Wohnungen. Der Gemeinderat sieht ebenfalls Handlungsbedarf und unterstützt das Anliegen. Im Interesse einer guten Durchmischung will man bei Bedarf in die Wohnraumentwicklung eingreifen.

Bei der Umsetzung der Initiative schweben Studer drei Massnahmen vor: Ermitteln von speziellen Bauzonen mit verdichteter Bauweise, Abtreten von gemeindeeigenem Bauland im Baurecht an bestehende Baugenossenschaften und die Abgabe von Darlehen oder Bürgschaften an gemeinnützige Bauträger. Studer weiter: «Die Initiative ist bewusst offen formuliert worden, damit der Gemeinde- und Einwohnerrat bei der Umsetzung nicht eingeschränkt ist.»

Horwer Dorfzentrum ist auf Sumpf gebaut

Im Gegensatz zur Gemeinde Horw war es in der Stadt Luzern nicht die CVP, sondern die Juso, welche das Thema auf das politische Parkett brachte. Und das mit Erfolg – das Stimmvolk stimmte der Wohnraum-Initiative zu (siehe Box). Die CVP Stadt Luzern hat sich gegen die Umsetzung der Juso-Initiative zur Förderung von günstigem Wohnraum eingesetzt, in Horw hat die CVP selbst Unterschriften gesammelt. In Horw präferiert die CVP nur einen abgeschwächten Eingriff. Studer erklärt: Ein grundlegender Unterschied bestehe darin, dass die Juso-Initiative «Für gemeinnützige Wohn- und Gewerberäume in der Stadt Luzern» das Kapital der Gemeinschaftsstiftung zur Erhaltung und Schaffung von preisgünstigem Wohnraum (GSW) um 20 Millionen Franken erhöhen wollte, um damit den steigenden Miet- und Immobilienpreisen entgegenzutreten. Aus Sicht der bürgerlichen Parteien wäre dies zu teuer gewesen, meint Studer.

Es ist nicht so, dass in Horw keine Wohnungen entstehen (zentralplus berichtete). CVP-Gemeinderat Thomas Zemp: «Wir hatten in den letzten Jahren durchaus Bautätigkeiten, jedoch eher im oberen und mittleren Bereich.» Preisgünstiger Wohnungsbau sei in Horw allgemein eher schwierig zu realisieren. Das liege an der Geographie der Gemeinde: «Das Dorfzentrum befindet sich im Talboden – es ist auf Sumpf gebaut», gibt Zemp zu bedenken. Beim Bau sind dementsprechend kostenintensive Pfählungen notwendig.

Sicht vom Horwer Bahnhof auf die neue Überbauung Horw Mitte.

Sicht vom Horwer Bahnhof auf die neue Überbauung Horw Mitte.

Kein Handlungsbedarf in Emmen, Ebikon und Kriens

Während in Horw akuter Mangel herrscht, ist in den beiden grössten Agglomerationsgemeinden die Förderung von günstigem Wohnraum kein Thema: Josef Schmidli, Emmer Gemeinderat und Direktor Bau und Umwelt: «Aus einer zurückliegenden Analyse hat Emmen im Vergleich mit allen Agglomerationsgemeinden nach wie vor die günstigsten Wohnungen.» In Emmen seien die Wohnbaugenossenschaften ausserdem gut aufgestellt, sie böten weiterhin günstigen Wohnraum an, so Schmidli. Historisch gewachsene Quartierstrukturen wie das ehemalige Schindlerdörfli, Sonnenhof oder Meierhöfli wandelten sich und würden zu urbanem Wohnraum, erklärt der Emmer Baudirektor. «Der Trend in Emmen geht hin zu Wohnungen im mittleren Preissegment mit 2,5 oder 3,5 Zimmern.»

Das historisch gewachsene Emmer Sonnenhofquartier steht vor einem Wandel.

Das historisch gewachsene Emmer Sonnenhofquartier steht vor einem Wandel.

(Bild: wikimedia commons)

 

Ähnlich ist die Situation in Kriens: Bauvorsteher Matthias Senn sieht in der Gemeinde keinen Handlungsbedarf, wenn es um die Förderung von günstigem Wohnraum geht. Die Gemeinde hat im Mittel die zweitgünstigsten Wohnungen der sogenannten K5-Gemeinden (Emmen, Luzern, Horw, Kriens, Ebikon). Zusammenfassend hält er fest: «Aktuell sind keine Fördermassnahmen für günstigen Wohnraum geplant.»

Das im Rontal gelegene Ebikon befindet sich in einer Entwicklungsphase, was Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt hat: «Die Veränderung ist spürbar, vor allem weil sich das Rontal, insbesondere Ebikon, auf der Metropolitan-Achse Zug–Zürich befindet und die Wohnsituation sowie deren optimale Anbindung an den öffentlichen Verkehr dadurch an Interesse gewinnt», schreibt Gemeinderat Hans Peter Bienz. Es bestehe jedoch kein Handlungsbedarf, wenn es um günstigen Wohnraum geht. Der Bestand sei aufgrund der mindestens drei Wohnbaugenossenschaften eher hoch.

Meggen: Erschwinglicher Wohnraum rar

In Meggen ist man schon eher mit ähnlichen Problem wie in Horw konfrontiert. «Für einkommensschwächere Haushalte wird es zunehmend schwierig, erschwinglichen Wohnraum zu finden», sagt Gemeindeammann Peter Hürlimann. Der tiefe Steuerfuss und die attraktive Wohnlage machen die Gemeinde für zahlungskräftige Zuzüger attraktiv. Hürlimann identifiziert für die Gemeinde einen generellen Trend: «Als eine Folge der überdurchschnittlich hohen Wohnraumpreise in Meggen verändert sich die soziodemografische Struktur der Wohnbevölkerung von Meggen zunehmend weg von der ursprünglich ländlichen Bevölkerung.»

Die Gemeinde hat reagiert und bei der Ortsplanungsrevision 2010 die Grundeigentümer bei Neueinzonungen verpflichtet, einen Anteil der Wohnungen im bezahlbaren Segment zu erstellen. Diese Verpflichtungen wurden in den Gestaltungsplan übernommen. Das zeigte laut Hürlimann Wirkung: «Zurzeit sind rund 40 Wohnungen im Bau. Weitere werden folgen.» Zudem besitze Meggen seit 1988 einen Fonds für preisgünstigen Wohnraum. Daraus werden Beiträge an die Wohnbaugenossenschaften für den Bau von günstigen Wohnungen gesprochen.
 
Gemeindeammann Hürlimann wünscht sich Vielfalt in Meggen: «Eine gut durchmischte Bevölkerung ist wichtig für das soziale und kulturelle Zusammenleben einer Gesellschaft. Dadurch wird auch das Vereinsleben gestärkt, das in unserer Gemeinde mit rund 90 Vereinen einen hohen Stellenwert hat.»

«In den letzten zehn Jahren sind die Mieten in vielen Regionen um über 50 Prozent gestiegen.»

David Roth, Präsident SP Kanton Luzern

Kantonale Initiative fordert günstigen Wohnraum

Nicht nur in einzelnen Gemeinden, auch kantonal ist mehr günstiger Wohnraum ein Thema: Die SP reichte im Febraur 2016 erfolgreich die Initiative «Zahlbares Wohnen für alle» ein (zentralplus berichtete). Die Initiative verlangt einen Wohnraumfonds, der gemeinnützige Wohnbauträger beim Kauf von Land und Liegenschaften mit langfristigen, zinsgünstigen Darlehen und Abschreibungsbeiträgen unterstützt. Zudem soll der Kanton den Genossenschaften eigenes Land zu tragbaren Bedingungen verkaufen oder im Baurecht abgeben. Den Gemeinden wird für diesen Zweck ein Vorkaufsrecht eingeräumt.

Die SP bei der Einreichung ihrer Initiative «zahlbares Wohnen für alle» im März 2016.

Die SP bei der Einreichung ihrer Initiative «zahlbares Wohnen für alle» im März 2016.

(Bild: jwy)

Für David Roth, Präsident der SP Kanton Luzern, sind die hohen Mieten eines der grössten Probleme der Luzerner Bevölkerung: «In den letzten zehn Jahren sind die Mieten in vielen Regionen um über 50 Prozent gestiegen.» Der Leidensdruck äussere sich dementsprechend in den Gemeinden, wo Initiativen zur Förderung von günstigem Wohnraum vom Volk angenommen wurden. Der Regierungsrat wird sich laut Roth voraussichtlich im Februar zur Vorlage äussern, die Luzerner könnten möglicherweise noch Ende 2017 darüber abstimmen. Günstiger Wohnraum ist ein Kernanliegen der Linken.

«Staatliche Subventionen lösen das Problem nicht, da dadurch nicht mehr Wohnungen gebaut werden.»

Armin Hartmann, Präsident Luzerner Hauseigentümerverband und SVP Kantonsrat

«Das ist ungerecht»

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist man kritischer: Staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt sind für Armin Hartmann, SVP-Kantonsrat und Präsident des Luzerner Hauseigentümerverbandes HEV, kein geeignetes Mittel, um günstigen Wohnraum zu schaffen. «Gegen den gemeinnützigen Wohnungsbau im Sinn genossenschaftlicher Aktivitäten spricht nichts. Hingegen lösen staatliche Subventionen das Problem nicht, da dadurch nicht mehr Wohnungen gebaut werden.»

Aktive Subventionen führten laut Hartmann dazu, dass einige wenige, welche in den Wohnungen leben, profitieren. Die grosse Mehrheit müsse die Subventionen hingegen bezahlen, ohne davon einen Vorteil zu haben. «Das ist ungerecht, aber auch bürokratisch und teuer, da regelmässig überprüft werden muss, wer denn nun Anspruch hat, in solchen Wohnungen zu logieren.» Für Hartmann ist der Kanton Luzern die «Wiege» des genossenschaftlichen Wohnungsbaus und dieser funktioniere sehr gut.

Nationale Vorlage will Vorverkaufsrecht für Baugenossenschaften

Auf den genossenschaftlichen Wohnungsbau setzt auch der Schweizerische Mieterverband (SMV). Lanciert und erfolgreich eingereicht wurde die nationale Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» vom Schweizerischen Mieterverband zusammen mit den linken Parteien. Die Initiative sieht eine stetige Steigerung des Anteils gemeinnütziger Wohnungen vor, eine von zehn neu gebauten Wohnungen soll im Besitz von Wohnbaugenossenschaften oder anderer gemeinnütziger Wohnbauträger sein.

Kantone und Gemeinden können dazu ein Vorkaufsrecht, für geeignete Grundstücke einführen. Mit dem Vorverkaufsrecht können gemeinnütizige Wohnbauträger Grundstücke vor andernen Interessenten zu martküblichen Bedingungen erwerben. Bund und bundesnahe Betriebe – wie die SBB – sollen ihrerseits Gemeinden und Kantonen zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ein Vorkaufsrecht an Grundstücken einräumen.

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