Zug: Das sind die Reaktionen zum Spar-Nein

«Bei den Schwächsten zu sparen, war ein strategischer Fehlentscheid»

Zuger demonstrieren gegen das Sparpaket.

(Bild: lih)

Die Zuger Stimmbürger wollen nicht sparen, oder jedenfalls nicht so: Die Gegner des Entlastungspakets freut’s, die Befürworter müssen nun wohl oder übel über die Bücher. Das sind die Reaktionen.

Die Zuger Bevölkerung sagt mit 53.3 Prozent Nein zum Entlastungspaket (zentralplus berichtete). Eine breite Allianz führte den Abstimmungskampf gegen das von der Regierung beschlossene Sparpaket. Das knappe Ergebnis habe sich in den Diskussionen abgezeichnet, sagt der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler an der Medienkonferenz zum Abstimmungsresultat. «Es ist ein relativ knappes, aber klares Ergebnis», meint Tännler und sieht darin statt einer versenkten Vorlage eine Aufforderung: «Das Resultat ist kein Weltuntergang, es ist ein Auftrag.»

«Im Nachhinein kann ich natürlich verstehen, dass vor allem die Massnahmen im sozialen Bereich von der Bevölkerung nicht verstanden wurden.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

Tännler versteht das Nein nicht als Ablehnung des ganzen Pakets, sondern bloss als Widerstand zu gewissen Massnahmen. «Während dem Abstimmungskampf wurde klar, dass sich die Diskussionen bloss um eine handvoll Massnahmen drehte.» Hat man die Sprengkraft der Sparmassnahmen im sozialen Bereich schlicht unterschätzt? «Im Nachhinein kann ich natürlich verstehen, dass vor allem die Massnahmen im sozialen Bereich von der Bevölkerung nicht verstanden wurden», sagt Tännler. «Aber man muss auch sehen: Diese Massnahmen hat nicht die Regierung im stillen Kämmerchen ausgeheckt. Sie kommen aus der Verwaltung selber. Und auch der Kantonsrat hat sich dafür ausgesprochen, dass diese Massnahmen im Paket verbleiben.»

«Mit diesem Entscheid haben wir nun die Legitimation, noch einmal über die Bücher zu gehen und in diesen Bereichen anders zu entscheiden.»
Heinz Tännler, Finanzdirektor

Nun habe sich gezeigt, dass diese nicht vermittelbar seien. «Mit diesem Entscheid haben wir nun die Legitimation, noch einmal über die Bücher zu gehen und in diesen Bereichen anders zu entscheiden.» Das Entlastungspaket sei nicht für den «runden Ordner», sagt Tännler, also für den Kübel. «Wir müssen das ausfallende Sparpotenzial nun aufs Programm Finanzen 2019 draufpacken.» Tännler gibt sich optimistisch: «Wenn wir die umstrittenen Massnahmen nun neu betrachten, dann bin ich überzeugt, es wird beim nächsten Mal kein Referendum mehr geben.»

«Zuger wollen grundsätzlich schon sparen.»
Pirmin Frei, Pro-Komitee

Druck wird eher zunehmen

Mit der Ablehnung des Pakets und dem Geldsegen der kürzlich publik gewordenen Sondereffekte wird das Minus des Kantons Zug im nächsten Jahr etwa rund 120 Millionen betragen (zentralplus berichtete). Der Kantonsrat Pirmin Frei aus dem Pro-Komitee vermutet deshalb: «Der Druck auf die Zuger Finanzen wird mit diesem Abstimmungssonntag eher zunehmen.» Trotzdem ist er zuversichtlich und glaubt, dass «Zuger grundsätzlich schon sparen wollen».

«Wir dürfen uns von diesem Nein aber nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen.»
Beat Villiger, Sicherheitsdirektor

Auch der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger ist überzeugt, dass die Regierung mit dem zweiten Sparpaket den richtigen Weg eingeschlagen hat. «Es wird nun sicher nicht einfacher», meint Villiger, «wir dürfen uns von diesem Nein aber nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen.»

Verbände mobilisieren

Die Abstimmung war auch deshalb im Vornherein schwierig einzuschätzen, weil erstmals eine breite Allianz verschiedener Verbände Stimmen mobilisiert hat. Wie gross der Anteil sein wird, den Verbände wie der Zuger Lehrerverband, Insieme Cerebral oder der Verband Zuger Polizei mobilisieren wird, war bis zur Abstimmung nicht klar. Doch sind die Interessen der Verbände der einzige Grund für das Nein der Zuger?

Nein, sagt Barbara Gysel von der SP Kanton Zug, es sei auch einem Fehler der Regierung zuzuschreiben: «Bereits beim ersten Sparpaket bei den Schwächsten zu sparen, war ein strategischer Fehlentscheid.» Es gäbe es nicht oft, dass eine Vorlage so viele Bereiche betreffe, sagt Gysel weiter. «Die Mischung von persönlicher Betroffenheit mit der allgemeinen Meinung, dass nicht in diesem Umfang bei den sozialen Posten gespart werden sollte, hat wohl den Ausschlag gegeben.»

«Man kann sparen, aber nicht tot-sparen.»
Barbara Kurth

Dass die Verbände aber nun bei jeder unliebigen Vorlage das Referendum ergreifen werden, sei nicht so, sagt Barbara Kurth. «Wir haben nie gesagt, man könne nicht sparen. Auch wir sind der Meinung, dass nicht das ganze Paket weggeworfen werden soll. Einige Vorlagen stimmen wir auch durchaus zu. Man kann sparen, aber nicht tot-sparen.»

«Schlagworte haben nicht verfangen»

«Die Bevölkerung sagt, das Paket sei nicht ausgeglichen.»
Andreas Lustenberger

Die Befürworter betonten im Abstimmungskampf oft, das Paket sei ausgeglichen. Die Zuger haben nun gerichtet: Sie sind anderer Meinung. Der SP-Kantonsrat Zari Dzaferi ist sich sicher: «Die Schlagworte wie Opfersymetrie haben nicht verfangen.» Daran seien aber wahrscheinlich auch die widersprüchlichen Botschaften in den letzten Jahren schuld: Erst werde über ein Stadttunnel mit astronomischer Finanzierung gesprochen, dann werde die finanzielle Zukunft zwei Jahre später in den düstersten Farben gemalt. «Das verunsichert», fasst Dzaferi zusammen. Auch Kantonsrat der Grünen, Andreas Lustenberger, deutet das Nein der Zuger in diese Richtung: «Die Bevölkerung sagt, das Paket sei nicht ausgeglichen.»

«Es wird keine leichte Aufgabe, eine wirklich ausbalancierte Form zu finden.»
Barbara Gysel, Kantonsrätin

Gespart wird sowieso

Wie es mit den Zuger Finanzen nun weitergehen soll, wird jetzt Gegenstand weiterer Diskussionen sein. Selbst die Sieger der Abstimmung sind sich einig: Dass gespart werden muss, ist klar. «Es wird keine leichte Aufgabe, eine wirklich ausbalancierte Form zu finden», sagt Barbara Gysel. Doch die Welt bleibt bis dahin ja nicht stehen: «Es gibt noch mehrere Weichenstellungen in nächster Zeit, die in die Diskussion einfliessen werden.» Einige Stichworte dazu seien die Unternehmenssteuerreform drei, der Nationale Finanzausgleich und der Kantonale Finanzausgleich.

Offen bleibt die Frage, ob sich in dieser Form überhaupt über ein Sparpaket sinnvoll abstimmen lässt. Es ist eine Herausforderung, über ein Paket mit 40 Massnahmen nur Ja oder Nein sagen zu können. «Wir haben das natürlich im Rat auch diskutiert», sagt Tännler. «Es stand auch die Möglichkeit im Raum, über einzelne Bereiche abstimmen zu lassen. Aber das wäre kompliziert geworden, da für jeden Bereich einzeln das Behördenreferendum hätte ergriffen werden müssen.»

Das sagen Parteien und Verbände zum Ergebnis

Die CVP ist dafür, dass einzelne Massnahmen des Entlastungspakets umgehend umgesetzt würden. «Die Gründe für die Ablehnung des EP dürften vielfältig gewesen sein. Anzunehmen ist jedoch, dass einzelne Massnahmen von der Mehrheit der Bevölkerung vorbehaltlos mitgetragen worden sind», schreibt die Partei. «Diese sind nach Meinung der CVP so rasch als möglich auf dem Gesetzesweg umzusetzen.»

CVP offen für Steuererhöhungen

Die Partei unterstütze den vom Regierungsrat mit dem Projekt «Finanzen 2019» eingeleiteten, weiteren Weg. «Da absehbar ist, dass dem strukturellen Defizit von jährlich rund 100 Millionen Franken mit Sparmassnahmen allein nicht begegnet werden kann, ist die CVP grundsätzlich offen für Steuererhöhungen, gegebenenfalls bereits im Budget 2018.»

Das Mass und die Ausgestaltung hingen von den weiteren Vorschlägen des Regierungsrats ab, schreibt die Partei. «Der Abstimmungskampf war intensiv und emotional. Die CVP wünscht sich eine rasche Beruhigung, so dass alle politisch interessierten Bürgerinnen und Bürger bereits ab morgen am Erfolgsmodell Zug weiterarbeiten können – zum Wohle der ganzen Zuger Bevölkerung.»

«Sieg für EL-Bezüger»

Bei der GLP sieht man das Resultat als Zeichen für den Sparwillen: «Das Abstimmungsresultat zeigt, dass die Bevölkerung mit einem wesentlichen Teil der Massnahmen einverstanden und auch bereit ist, für die Gesundung der Kantonsfinanzen gewisse Opfer zu erbringen», schreibt die Partei. In Anbetracht der nun höheren Defizitbeträge in den nächsten Jahren, werde Regierungsrat und Kantonsrat nun doppelt gefordert sein, wie der defizitäre Finanzhaushalt wieder ins Lot gebracht werden könne.

Es sei ein Sieg für die Personen mit Ergänzungsleistungen, schreibt Curaviva Zug. Curaviva ist der Verband sämtlicher Institutionen im Bereich der stationären Langzeitpflege des Kantons Zug. «Die Ablehnung des zweiten Pakets des Entlastungsprogramms verhindert folgenschwere finanzielle Konsequenzen für die Pflegeheime.»

Curaviva Zug nehme den Volksentscheid mit Genugtuung zur Kenntnis, schreibt die Organisation. Die drohenden Kürzungen der Beiträge an die Pflegeheimkosten für Personen mit Ergänzungsleistungen konnte damit abgewendet werden. Das sei für die direkt Betroffenen erfreulich und gebe den Zuger Pflegeheimen «den Spielraum für eine weiterhin gesunde Entwicklung.»

Die Zurückstufung der Pflegeheimbewohner mit Ergänzungsleistungen hätte für die Pflegeheime direkte finanzielle Konsequenzen gehabt, die den bereits bestehenden Kostendruck noch verstärkt hätten, schreibt Curaviva.

Reaktionen aus dem Pro- und Contra-Komitee

Bei der «Allianz für ein lebenswertes Zug» ist man «erleichtert». Die Zuger Bevölkerung lege Wert auf den Erhalt «unserer Zuger Errungenschaften: eine starke Bildung, eine gute Infrastruktur und einen anständigen Umgang mit Angestellten, Menschen mit Behinderung und sozial Schwachen», schreibt die «Allianz». «Es ist Zeit, statt Profite wieder die Menschen in den Mittelpunkt politischen Handelns zu stellen. Der Appell des Stimmvolkes an Parlament und Regierung ist deutlich.»

Nun liege der Ball bei den politisch Verantwortlichen, Massnahmen auszuarbeiten, die «die Würde der Schwächsten unserer Gesellschaft respektieren.»

Das Pro-Komitee «Zugkunft» meldet sich nur knapp offiziell zu Wort: Man nehme das Ergebnis mit Bedauern zur Kenntnis. Dem im Kantonsrat zustande gekommenen Kompromiss hätten sich auch die Zuger Wirtschaftsverbände und weitere Organisationen anschliessen können. «Die Komitee-Mitglieder erwarten von der Regierung, dass sie das Projekt Finanzen 2019 konsequent weiterverfolgt.»

 

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 28.11.2016, 23:26 Uhr

    Erstaunlich, wie bürgerliche Politiker Abstimmungsresultate interpretieren und umbiegen, als hätte da niemand NEIN gesagt zu dem unsäglichen Sparprogramm. Die grosse Mehrheit der Abstimmungssieger will nicht einfach ein paar kosmetische Korrekturen am neoliberalen Entlastungsprogramm, welches darauf abzielt, Normalverdiener und sozial Schwache zu schröpfen. Sie wollen gar kein Sparprogramm! Der Kanton Zug kann die fehlenden 130 Mio. ganz einfach einsparen, indem er die Zahlungen an den NFA (aktuell ca. 341 Mio.) reduziert. Dazu muss er endlich das riesige Steuerpotential ausnützen durch eine angemessene Besteuerung der milliardenschwerden Einzelpersonen und Holdings. Der Kanton Zug ist eine der Lokomotiven im schweizerischen Steuerdumping Wettbewerb. Die exorbitanten NFA-Beiträge sind selbstverschuldet und die roten Zahlen im Budget gewollt von den raffgierigen bürgerlichen Politikern!

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  • Profilfoto von Valeria Wieser
    Valeria Wieser, 28.11.2016, 14:05 Uhr

    Guten Tag Herr Satt

    Besten Dank für Ihren Kommentar.
    Die Textstelle war wohl etwas missverständlich formuliert. Ich habe sie nun etwas angepasst.

    Freundliche Grüsse
    Valeria Wieser
    Redaktorin

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  • Profilfoto von Hans Satt
    Hans Satt, 27.11.2016, 21:45 Uhr

    Ich habe Demokratie so verstanden, dass die Mehrheit über die Minderheit bestimmt. Was sollen in diesem Kontext diese Aussagen? Klingt ein wenig eigenartig für mich…

    «Auch der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger ist überzeugt, dass die Regierung mit dem abgelehnten Sparpaket den richtigen Weg eingeschlagen hat. «Es wird nun sicher nicht einfacher», meint Villiger, «wir dürfen uns von diesem Nein aber nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen.»

    […]

    Die CVP ist dafür, dass einzelne Massnahmen des Entlastungspakets umgehend umgesetzt würden. «Die Gründe für die Ablehnung des EP dürften vielfältig gewesen sein. Anzunehmen ist jedoch, dass einzelne Massnahmen von der Mehrheit der Bevölkerung vorbehaltlos mitgetragen worden sind», schreibt die Partei. «Diese sind nach Meinung der CVP so rasch als möglich auf dem Gesetzesweg umzusetzen.»

    […]

    Bei der GLP sieht man das Resultat als Zeichen für den Sparwillen: «Das Abstimmungsresultat zeigt, dass die Bevölkerung mit einem wesentlichen Teil der Massnahmen einverstanden und auch bereit ist, für die Gesundung der Kantonsfinanzen gewisse Opfer zu erbringen», schreibt die Partei.»

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