Neues Feuer im Zuger Bilderstreit

«Weshalb zerstört der Staat Kunstwerke, die von bedeutenden Künstlern geschaffen wurden?»

Die Kapelle des alten Kantonsspitals vor der Malaktion. Der Schweizer Maler Fritz Pauli hatte sie 1938 mit sechs Szenen aus der Leidensgeschichte Christi vollständig ausgemalt.

(Bild: PD/Alois Ottiger)

Die übermalten Bilder in der ehemaligen Kapelle des Zuger Kantonsspitals geben schon wieder zu reden. Jetzt geht es aber nicht mehr um religiöse Fragen –  denn nun hat sich der Zuger Heimatschutz eingeschaltet. Und der wirft dem Kanton vor, sich nicht gut genug um seine Kunstwerke zu kümmern.

Der Zuger Bilderstreit ebbt nicht ab – jetzt schiesst auch der Heimatschutz gegen die Regierung. Er hat offenbar schon im Juni Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht, weil die Fritz Pauli-Bilder in der Kapelle des alten Kantonsspitals übermalt worden waren. Nun hat der Heimatschutz eine Aufsichtsanzeige bei der Regierung nachgereicht. Die Übermalaktion hatte für Schagzeilen und böse Voten im Kantonsrat gesorgt – wenn auch aus einem anderen Grund. «Aufschrei in Zug – Jesusbilder übermalt» titelte damals der «Blick».

Für Aufregung im Kantonsrat sorgte das Ganze deshalb, weil die Bilder übermalt wurden, um einen neutralen Begegnungsraum für Asylsuchende zu schaffen, die im Gebäude wohnen (zentralplus berichtete). Das sei ein «exemplarisches Beispiel, das zeigt, wie man mit unserem Erbe umgeht», so die SVP, die Regierung müsse mit solchen Themen künftig sensibler umgehen, forderte die CVP, «sehr viele Zuger hätten sich gestört», liess die GLP verlauten, und auch die Linke schoss sich mit ein: Das würde negativ auf die Flüchtlinge zurückfallen, befürchtete die ALG.

Entscheide sollen «bewusst getroffen werden»

Der völlig verblüffte Baudirektor sah sich mit einer Debatte über den Umgang mit religiösen Befindlichkeiten konfrontiert. Er betonte mehrmals, dass die Regierung keine Aussagen über religiöse Themen treffen könne. «Man will jetzt aus einem Umbauprojekt eine Religionsdebatte machen», sagte Urs Hürlimann damals gegenüber zentralplus, «obwohl das nie so beabsichtigt war.»

Das Feuer dieser ungewohnten Religionsdebatte ist noch nicht ganz erloschen, und nun kommt Nahrung von neuer Seite. Der Präsident des Zuger Heimatschutzes hat allerdings etwas ganz Anderes im Sinn: «Uns geht es darum, wie der Staat mit seinen Kunstwerken umgeht. Die Debatte im Kantonsrat ist unserer Meinung nach in die völlig falsche Richtung gelaufen – die Frage ist nicht, ob diese Werke christlich sind oder nicht», sagt Meinrad Huser. «Sondern weshalb der Staat Kunstwerke zerstört, die von bedeutenden Künstlern in seinem Auftrag geschaffen wurden.»

Die betreffenden Beamten hätten schlicht falsch eingeschätzt, was der Wert dieser Bilder gewesen sei. «Man hätte diese ausbauen und andernorts austellen können», sagt Huser. Deshalb hat der Heimatschutz Strafanzeige eingereicht. «Nicht weil wir wollen, dass jemand bestraft wird. Sondern damit der Staat in Zukunft solche Entscheide bewusst trifft – und nicht einfach etwas übermalt.»

Der Baudirektor will dazu keine Stellung beziehen. «Die Baudirektion hat vom Inhalt der Eingabe noch keine Kenntnis», schreibt Hürlimann. «Da sich die Eingabe gegen die Baudirektion richtet, wird die stellvertretende Sicherheitsdirektion sich mit der Angelegenheit befassen müssen. Hinzu kommt, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt, zu dem wir uns nicht äussern können.»

Regierung soll sich besser über Wert der Kunst informieren

Was den bewussten Entscheid betrifft: Offenbar war die Denkmalpflege involviert – und befand die Gemälde nicht für schutzwürdig. Die Denkmalpflege schrieb 2005 im Rahmen des Investorenwettbewerbs laut dem Regierungsrat: «Die Wandmalereien in der Kapelle des Seeflügels (1938, von Fritz Pauli, Bern) und das Wandbild ‹Kraft und Lebensfreude› in der Eingangshalle des Nordtraktes (1969, von Hans Potthof, Zug) müssen nicht zwingend erhalten werden.» Einen Antrag auf Schutz stellte die Denkmalschutzkommission 2008 nur beim Südflügel.

Der Entscheid wurde also bewusst unter unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit gefällt. Huser ist allerdings nicht einverstanden. «Unseres Wissens war das kein richtiger denkmalpflegerischer Entscheid. Sondern nur eine Einschätzung.» Beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie war für eine Stellungnahme vor der Publikation dieses Artikels niemand erreichbar.

Die Farbe ist schon trocken, die Bilder übermalt. Huser erhofft sich von der Anzeige, dass sich die Regierung in Zukunft beim der Zerstörung von Kunstwerken besser über deren Wert informiert. «Ich weiss nicht, ob der Künstler Fritz Pauli den Zuständigen bei der Baudirektor nicht bekannt war. Aber er ist offensichtlich ein Künstler mit Bedeutung.»

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