Umstrittener Neuheimer Gemeinderat im Interview

«Manchmal ist mir der Mensch wichtiger als das Gesetz»

Franz Keiser ist seit elf Jahren im Neuheimer Gemeinderat. Derzeit weht ihm jedoch ein eisiger Wind entgegen.

(Bild: wia)

Der Neuheimer Sozialvorsteher Franz Keiser ist die derzeit umstrittenste politische Figur Zugs. Mehrere Parteien fordern seinen Rücktritt. zentralplus hat den Gemeinderat zum Interview getroffen. Wir wollten wissen, ob Keiser um sein wackliges Amt bangt und ob ihm die Politik unter diesen Bedingungen überhaupt noch Spass macht.

Es ist kurz vor 8 Uhr. Früh, finden wir, als wir uns mit dem Auto den Weg durch die nebelverschleierte Neuheimer Hügellandschaft suchen. Das Dorf liegt hinter uns, nun kommt eigentlich nichts mehr. Bis auf ein paar Bauernhöfe, auf einem von ihnen ist Franz Keiser zuhause.

Keiser kommt gerade aus dem Stall. Er ist bereits seit gut drei Stunden wach. Er erklärt, dass man von hier bis zum Säntis sehen könne. Heute reicht die Sicht gerade mal zum nächsten Baum. Wir setzen uns ins kleine Büro des Neuheimer Sozialvorstehers. Die Wände sind abwechselnd mit positiven Sprüchen und Kompostiertipps tapeziert.

Hier sitzen wir nun also in Keisers Mini-Büro, wo ein älteres Computermodell mit ein paar Fliegen um die Wette surrt.

zentralplus: Wie geht es Ihnen aktuell in diesem ganzen Tumult?

Franz Keiser: Nun gut, es ist ja nicht das erste Mal. Bereits vor den letzten Wahlen hatte ich Kritiker, bis hin zu Leuten, die mir anonyme Briefe geschrieben haben. Das muss man aushalten. Und das schaffe ich, indem ich mir die Kraft von den Neuheimern hole, die mich unterstützen und immer wieder positive Zeichen setzen. Keiser zückt sein Smartphone und zeigt ein Foto eines Autos, das einen «I love Franz Keiser»-Aufkleber am Heck trägt. Diese Kleber wurden in Neuheim verteilt. Ausserdem ist es ja nicht so, dass ich nur die Politik hätte und unter einem Dauerstress stehen würde. Ich habe hier oben meine eigene Welt, hier redet mir niemand drein, und ich kann die Dinge verarbeiten. Das ist ein guter Ausgleich.

zentralplus: Sie sind ein politischer Eigenbrötler und machen häufig das, was Ihnen Ihr Gefühl sagt. Werden Sie deshalb nicht toleriert?

Keiser: Nun, ich denke, das Problem in der heutigen Zeit ist die Polarisierung. Und dass Politiker denken, sie dürften nur auf der Parteilinie politisieren. Wenn man Parteiarbeit vertritt, etwa im Kantonsrat, ist das klar.  Aber der Einzelne muss in seiner Sache auch die eigene Linie vertreten können. Und da gibt es mal Anliegen der Linken, die man gut findet, und mal Anliegen der Rechten. Ich habe persönlich den Vorteil, dass mir meine Kritiker noch so Dreck über den Kopf leeren können, mir geht es immer gut. Dann wische ich mir den Dreck ab und stehe wieder auf.

«Der Bürger, der mich gewählt hat, erwartet das von mir; dass ich nicht einfach davonlaufe, wenn etwas ist, sondern dass ich mich dem stelle.»

zentralplus: Das könnte als aufmüpfig wahrgenommen werden. Und dadurch machen Sie sich angreifbar.

Keiser: Klar, ich exponiere mich und provoziere auch, indem ich im Gemeinderat drinbleibe. Doch der Bürger, der mich gewählt hat, erwartet das auch von mir; dass ich nicht einfach davonlaufe, wenn etwas ist, sondern dass ich mich dem stelle. Ausserdem hat man alle die Fehler, die ich gemacht habe, mittlerweile im Griff. Warum kann man es da nicht einfach mal gut sein lassen? Ich hätte ja auch einfach nichts sagen können. Aber dann wäre ich erpressbar gewesen. Ausserdem habe ich kein Poker-Gesicht. Man sieht mir an, wenn ich etwas vorspiele. Ich politisiere, weil ich die Gemeinde Neuheim und die Leute gern habe. Nicht, weil ich jemand Bestimmter sein will.

«Keiser Franz» im Kreuzfeuer

Franz Keiser, seit elf Jahren Sozialvorsteher in Neuheim, ist aktuell der umstrittenste Lokalpolitiker des Kantons Zug (zentralplus berichtete). Im Sommer dieses Jahres war nämlich an die Öffentlichkeit gelangt, dass er während Jahren viel Steuergeld unrechtmässig eingesetzt hatte. «Viel Geld» im Sinne von 150’000 Franken. «Unrechtmässig» im Sinne von «nach Gutdünken». Der Gemeinderat versuchte, Keiser aus dem Amt zu drängen, dieser wehrte sich beim Regierungsrat.

Es folgte ein Aufarbeitungsbericht. Keiser ist noch immer Gemeinderat, doch wird er von der Direktion des Innern mit Argusaugen bewacht. Die Auflagen, denen Keiser nachkommen muss, sind zahlreich. Endlich Ruhe also? Von wegen. Gerade erst ist neue Kritik laut geworden. Konkret haben die Neuheimer SVP und die FDP Anfang der Woche von Keiser gefordert, er solle sein Amt abgeben.

zentralplus: War diese persönliche Nähe mit den Leuten Ihrer Gemeinde der Grund dafür, dass Ihre Politik – sagen wir mal – problematisch wurde?

Keiser: Ich musste wirklich lernen, gewisse Schicksale nicht zu sehr an mich heranzulassen. Das ist mir anfänglich nicht so gut gelungen. Und das war mitunter der Grund, warum ich ein paar Mal in die Fettnäpfchen trat, die mir bis heute angelastet werden. Aus menschlicher Sicht ist es für die Leute klar, warum ich so reagiert habe, aber gesetzlich war das nicht richtig. Das ist halt ein Zwiespalt. Und manchmal ist mir der Mensch wichtiger als das Gesetz, und dann handle ich ab und zu bewusst dagegen.

zentralplus: Das klingt fast so, als würden Sie dieselben «Fehler» auch heute wieder begehen.

Keiser: Nun gut, in dem Umfeld, in dem ich jetzt drinstecke, schaut man mir so genau auf die Finger, da liegt das gar nicht drin. Damit habe ich auch kein Problem. Ich kann das den Bürgern auch klarmachen. Was aber noch wichtig zu sagen ist: Die Untersuchung, die wir eingeleitet haben, war intern. Die Gemeinde hat selber erkannt, dass etwas schiefgelaufen ist, und hat die Verantwortung übernommen. Und es war nicht so, dass ich mit meinen Handlungen katastrophale Fehler begangen hätte, hinter denen der Gemeinderat nicht mehr hätte stehen können.

zentralplus: Im Herbst 2014 wurden Sie – weil man gemerkt hatte, dass da was schiefgelaufen ist – vorübergehend von Ihren Gemeinderatskollegen suspendiert. Sie haben daraufhin Beschwerde eingereicht beim Regierungsrat und konnten Ihren Dienst alsbald wieder aufnehmen. Werden Sie vom Gemeinderat heute unterstützt?

Keiser: Die aktuelle Situation schweisst den Gemeinderat zusammen. Man hat entschieden, dass man hinter mir stehen will, wenn ich die vorliegenden Bedingungen erfülle. Das finde ich auch legitim. Es ist eine Art Schicksalsgemeinschaft. Wir kämpfen gemeinsam. Es ist, gerade für die FDP-Gemeinderäte, nicht einfach, dass sich ihre Partei so vehement gegen mich stellt.

«Ich habe keine Lust, mich mit Leuten herumzuschlagen, die noch immer in alten Geschichten wühlen.»

zentralplus: Haben Sie heute Angst, dass man Ihnen das Amt doch noch entziehen wird?

Keiser: Zögert. Nein. Angst ist ein schlechter Ratgeber und der Feind der Gesundheit. Wenn sie mir das Amt hätten nehmen wollen, hätten sie es schon längstens getan. Die Argumente der Parteien, die mich jetzt kritisieren, sind eigentlich veraltet. Die Punkte werden bereits aufgearbeitet. Ausserdem bin ich nicht mehr Parteimensch. Ich habe keine Lust, mich mit Leuten herumzuschlagen, die noch immer in alten Geschichten wühlen.

zentralplus: Sie sprechen konkret von der FDP und der SVP, welche Sie aufforderten, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen und zu reden.

Keiser: Genau. Es wirkt, als wollten die mich heranzitieren. Ich möchte mit denen nicht verhandeln müssen. Ich will mich selber bleiben. Da lasse ich diesen Rucksack, den sie mir anhängen wollten, lieber auf dem Weg liegen und gehe weiter.

«Ich wollte Veränderungen, und die sind auch gekommen. Und die muss ich aushalten.»

zentralplus: Aber macht Ihnen die Politik so eingeschränkt überhaupt noch Spass?

Keiser: Ja, doch. Ich wollte Veränderungen, und die sind auch gekommen. Und die muss ich aushalten. Jede Veränderung bringt einen Schmerz, und das gehört zum Leben. Ich finde es besser, dass ich jetzt ein Theater habe; dafür kann ich sagen, dass alles transparent ist, was ich mache. Er zeigt auf ein A4-Blatt, das hinter dem Schreibtisch hängt. Auf diesem seht: «Klarheit + Wahrheit». Das ist mein Motto.

zentralplus: Werden Sie wieder bei den Wahlen antreten?

Keiser: Das kann ich heute nicht sagen. Da spielen viele Faktoren mit. Aber was ich unbedingt verhindern will, ist, dass die neuen Gemeinderäte das erleben müssen, was ich selber erlebt habe. Und zwar, dass ich in einen Gemeinderat komme, in dem vier von fünf Räten neu sind. Und der fünfte ist nach zwei Jahren zurückgetreten. Das war eine der grössten Katastrophen für die Gemeinden und das darf sich nicht wiederholen.

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