Der Zuger Kantonsrat und die Gleichstellung

«An ihren Taten sollt ihr sie erkennen»

Die Frau verdient das Geld, der Mann kümmert sich um die Kinder: Immer noch die Ausnahme.

(Bild: Archiv)

Der Zuger Kantonsrat will in Sachen Gleichstellung von Frau und Mann kein neues Gesetz. Dies trotz einer Rüge durch das Bundesgericht. Befürchtet wurden finanzielle Konsequenzen. Wer nun glaubt, dass sich zumindest die Ratsfrauen solidarisch gezeigt hätten, irrt.

Alles begann 2010, als der Kanton Zug die Gleichstellungs-Kommission abschaffte. Die Mehrheit des Parlamentes war damals der Meinung, dass der Staat die zur Verwirklichung der Gleichstellung nötigen Rahmenbedingungen geschaffen hätte. Es sei nun Sache der Gesellschaft, diese auch zu leben.

Das oberste Gericht sah das jedoch anders. Einige Zugerinnen und auch Verbände hatten geklagt. In einem Urteil von 2011 wies das Bundesgericht den Kanton Zug an, einen Ersatz für die Kommission zu schaffen. Das Gericht fand nämlich, dass die Gleichstellung in Zug wie in anderen Kantonen noch nicht erreicht sei.

Inhaltsleeres Gesetz vorgelegt

Als Reaktion darauf wollte der Zuger Regierungsrat nun ein neues Gleichstellungsgesetz schaffen. Ein Gesetz ohne Inhalt. Es beinhaltet lediglich, dass der Regierungsrat Massnahmen anordnen «kann» und der Kantonsrat Geld dafür spricht. Die Ausführung sollte dann bei den Direktionen liegen.

Am Donnerstag kam das laut der Zuger Regierung «schlanke und pragmatische» Gesetz in den Kantonsrat. Und scheiterte prompt. Es wurde nicht einmal diskutiert, sondern blieb schon bei der Eintretensfrage hängen. Für Nicht-Eintreten votierten 45 Kantonsräte und –rätinnen, dagegen 27 Parlamentsmitglieder. Barbara Gysel (SP) hatte eine Abstimmung mit Namensaufruf verlangt.

Links und rechts auffällige Voten

Die voran gegangene Debatte ums Eintreten oder Nichteintreten war, bei allem Ernst des Anliegens, teilweise durchaus humoristisch geprägt. Einige Beispiele: Barbara Gysel, die sich im Rat als eine der Klägerinnen beim Bundesgericht «outete», berief sich einmal auf die Bibel. «An ihren Taten sollt ihr sie erkennen», schmetterte sie dem Rat ins Gesicht.

«Wir Männer wären ohne Frauen hilflos, schwach, hätten keinen Anstand und keine Kultur.»
SVP-Kantonsrat Philip C. Brunner

Und SVP-Kantonsrat Philip C. Brunner wurde von Ratspräsident Moritz Schmid aufgefordert, doch auf der Kanzel seine «Laudatio» fortzusetzen. Brunner hatte die Frauen episch in den Himmel gehoben – ohne allerdings auf die Gleichstellungsfrage einzugehen. «Wir Männer wären ohne Frauen hilflos, schwach, hätten keinen Anstand und keine Kultur», sagte Brunner. Er sei seit 30 Jahren mit derselben Frau verheiratet. Zudem nannte er Beispiele erfolgreicher Frauen, angefangen bei seiner eigenen Mutter über Marie Curie, Angela Merkel bis hin zu Katharina der Grossen.

«In Ihrer Aufzählung, Herr Brunner, fehlte eine Schweizer Frau.»
ALG-Kantonsrätin Esther Haas

Esther Haas, Kantonsrätin der ALG, konterte sec: «Sie hatten die Lacher auf Ihrer Seite. Aber in Ihrer Aufzählung, Herr Brunner, fehlte eine Schweizer Frau.» Man dürfe ausserdem als gesetzgebende Behörde nicht vom Einzelfall auf das Ganze schliessen, belehrte sie den Vorredner.

Kommission gegen Gesetz

Abgesehen von diesen Voten hatte der Gesetzesentwurf von Anfang an einen schweren Stand. Kommissionspräsident Beat Sieber (SVP) erklärte, die vorberatende Kommission sei mit 8 zu 6 Stimmen gegen das Eintreten. «Das Gesetz weckt zu viele finanzielle Ansprüche», sagt Sieber. Das Bundesgericht habe den Kanton ausserdem gar nicht angewiesen, ein Gesetz zu schaffen. Das stimmt. Tatsächlich liess das Gericht die Massnahmen, mit denen Zug den verfassungsrechtlichen Auftrag erfüllen will, offen.

Die Staatswirtschaftskommission (Stawiko) plädierte laut Sprecher Beat Unternährer (FDP) mit 5 zu 2 Stimmen für Eintreten.

Auch bürgerliche Frauen dagegen

Bei den Parteivoten wurde rasch klar, dass die bürgerlichen Parteien gegen und die Linke für das Eintreten aufs Gesetz waren. Eine allfällige Solidarität unter Frauen gab es bei dieser Vorlage überhaupt nicht: Viele bürgerliche Frauen fanden das Gesetz wie ihre männlichen Ratskollegen völlig unnötig. «Die Gleichstellung ist bereits in der Verfassung verankert, das genügt.», sagte FDP-Sprecherin Karen Umbach.

«Für die SVP ist die Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit.»
SVP-Kantonsrat Beni Riedi

«Für die SVP ist die Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit», fand SVP-Kantonsrat Beni Riedi. Der Rat quitterte diese Bemerkung mit Lachen. Und sie mutet insofern speziell an, als die 18-köpfige SVP-Fraktion keine einzige Frau in ihren Reihen hat.

SVP-Fraktionschef Manuel Brandenberg fand, die Frauen hätten es auch mit dem Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung sehr weit gebracht in der Schweiz. Der Anwalt erinnerte an die Zürcherin Emilie Kempin-Spyri, die erste Schweizerin, die als Juristin promovierte. Man habe ihr das Anwaltspatent verweigert. Das Bundesgericht wies ihre Beschwerde 1887 ab. Brandenberg: «Es fand Kempins Auffassung, dass auch Frauen in diesem Beruf tätig sein könnten, damals neu und kühn.» Heute seien wir aber viel weiter, so Brandenberg.

Linke finden das Gesetz mager

SP-Chefin Barbara Gysel vertrat naturgemäss eine diametral andere Meinung als die SVP. Das vorgeschlagene Gesetz sei eher «mager» als schlank. Ihre Fraktion sei dafür, auch wenn sie kaum Optimismus verspüre, dass damit in der Gleichstellung tatsächlich etwas passieren werde. Gysel: «Die Lohn- und Bildungsunterschiede bestehen weiterhin und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter – und auch Väter – ist noch lange nicht gegeben.»

Die Grünliberalen und Teile der CVP kritisierten die «Knappheit» des Gesetzes ebenfallls. So bringe das überhaupt nichts.

ALG-Fraktionschef Anastas Odermatt fand, die tatsächliche Gleichstellung zwischen den Geschlechtern sei nicht gegeben. Er erwähnte neben Arbeit, Familie und Beruf auch das Problem der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz.

Analyse nicht diskutiert

Das Gesetz ist also von der bürgerlichen Mehrheit bereits im Keim erstickt worden. Damit ersparte sich der Rat auch die Diskussion über allfällige ungerechte Zustände im Kanton Zug. Gemäss dem Bericht des Regierungsrats gibt es im Kanton Zug immer noch Lohn- und vor allem grosse Bildungsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Doch auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben gäbe es noch einiges zu tun.

Ausserdem wird im Bericht die ungleiche Vertretung der Frauen in Parlamenten und Exekutivämtern kritisiert. Betrug der Frauenanteil im Kantonsrat vor zehn Jahren mit 27 Politikerinnen noch 33 Prozent, beträgt er heute mit 21 Frauen (und 59 Männern) nur noch ein Viertel. Manuela Weichelt-Picard ist seit Jahren die einzige Frau im Regierungsrat.

Konkrete Massnahmen, wie die Zuger Regierung diese Ungleichheiten beseitigen will, vermisst man aber.

Insofern wird die Sache vielleicht wieder bald von Gerichten entschieden werden, statt vom Parlament, das die Zuger Bevölkerung vertritt.

Viele Männer: Betrug der Frauenanteil im Zuger Kantonsrat vor zehn Jahren mit 27 Politikerinnen noch 33 Prozent, ist er heute mit 21 Frauen und 59 Männern auf ein Viertel geschrumpft.

Viele Männer: Betrug der Frauenanteil im Zuger Kantonsrat vor zehn Jahren mit 27 Politikerinnen noch 33 Prozent, ist er heute mit 21 Frauen und 59 Männern auf ein Viertel geschrumpft.

(Bild: mbe.)

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