Immer mehr los: Stadt Luzern ändert Spielregeln

Mehr Fasnacht, weniger Feuerwerk und mehr Pflanzentöpfe

Beim Luzerner Fest 2013 nachts um zwei auf der Seebrücke.

(Bild: zvg)

Die Nutzung des öffentlichen Grundes nimmt Jahr für Jahr zu. Nun reagiert die Stadt und passt die Regeln an. An der Fasnacht ist künftig mehr erlaubt, im Gegenzug gibt’s Verschärfungen an Hotspots und für Feuerwerk. Gute Nachrichten gibt’s für das Gewerbe – dessen Vertreter sind verhalten optimistisch.

Zwar ist die Nutzung des öffentlichen Raums ein bei Medien wie Bürgern und Wirtschaft beliebtes und emotionales Streitthema – und eine beliebte Angriffsfläche für die Stadt. Doch diesen Dienstag wirkten Stadtrat Adrian Borgula und der Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, Mario Lütolf, ziemlich entspannt – grosse Diskussionen erwarteten sie nicht. Borgula scherzte gleich zu Beginn der Medienkonferenz: «Ausser bei den neuen Regeln zu den Feuerwerken ist kein Sprengstoff dabei.»

Kein Wunder: In vielen Punkten lockert die Stadt ihre Vorgaben und kommt Geschäften und Veranstaltern entgegen. In der «Teilrevision des Reglements über die Nutzung des öffentlichen Grundes», wie das 44-seitige Dokument heisst, nimmt die Stadt lediglich Feinjustierungen am Reglement von 2011 vor – die nächste komplette Anpassung folgt 2018. «Wir sind sehr pragmatisch vorgegangen», sagt Borgula.

Gesuche steigen jährlich an

Dass Handlungsbedarf besteht, demonstriert Mario Lütolf anhand einer Statistik: Die Gesuche steigen seit Jahren an und haben sich in den letzten 10 Jahren etwa verdoppelt auf zuletzt 1310. Gleichzeitig habe man es geschafft, die Anzahl von Veranstaltungen auf öffentlichem Grund zu stabilisieren, bei zuletzt rund 900.

«Es ist eine Gratwanderung: Der Druck auf die Nutzung des öffentlichen Grundes nimmt zu, gleichzeit soll es nicht zu laut sein und nicht zu viel los.»

Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen

«Es ist eine Gratwanderung: Der Druck auf die Nutzung des öffentlichen Grundes nimmt zu, gleichzeit soll es nicht zu laut sein und nicht zu viel los. Diese Abwägung gelingt uns nicht schlecht», sagt Lütolf. «Nutzungskonflikte sind da vorprogrammiert», ergänzt Adrian Borgula. Dies, weil eben der öffentliche Raum nicht nur so heisse, sondern öffentlich sei.

Das sind die fünf wichtigsten Anpassungen der Teilrevision:

1. Gebührenbefreiung für zahlreiche Veranstaltungen: Aufgrund einer Motion erhebt die zuständige Dienstabteilung Stadtraum und Veranstaltungen seit Ende 2014 keine Nutzungsgebühren mehr für Veranstaltungen von Kinder- und Jugendvereinen. Nun wird das auch im Reglement so festgehalten. Auch nichtkommerzielle Kunst- und Kulturausstellungen auf öffentlichem Raum werden gebührenbefreit.

2. «Rüüdig Samschtig» und Fasnachtssontag neu ohne Bewilligung: «Die Realität hat uns überholt, theoretisch hätten wir an diesen Tagen jede Guggenmusig bewilligen müssen», sagt Adrian Borgula. Da ist natürlich sinnlos, deshalb kommt man der Realität entgegen. Der «Rüüdig Samschtig» ziehe ein breites Publikum an, der Reinigungsaufwand habe sich seit 2010 vervierfacht. «Die unbewilligten Nutzungen am Fasnachtssamstag haben ein Mass erreicht, das sich kaum mehr quantifizieren und kontrollieren lässt», so die Stadt Luzern. Also erlaubt man das fasnächtliche Treiben grundsätzlich auch am Samstag (zwischen 12 und 23 Uhr) und am Sonntag im Stadtteil Littau. Dies, weil dann jeweils bis zu 25’000 Personen den Umzug besuchen. Diese beiden Tage sind auch weiterhin keine offiziellen Fasnachtstage (das regelt der Kanton), aber faktisch gleichgestellt.

3. Lockerung für Geschäfte: Die Stadt kommt Ladenbesitzern entgegen. Geschäfte in der Innenstadt dürfen mit dem neuen Reglement statt bisher einen, neu zwei Pflanzentöpfe oder saisonale Dekorationsgegenstände aufstellen. Blumengeschäften und Kiosken ist es neu erlaubt, ihr Angebot entlang ihres Geschäftes zu präsentieren. Und Lebensmittelgeschäfte können bis zu drei Werbetafeln aufstellen. «Mit diesen Lockerungen werden die seitens verschiedener Gewerbetreibender an die Stadt herangetragenen Anliegen umgesetzt», teilt die Stadt mit.

Ein Ausschnitt aus dem neuen Reglement – die Neuerungen sind gelb markiert.

Ein Ausschnitt aus dem neuen Reglement – die Neuerungen sind gelb markiert.

4. Neue Vorschriften: Drohnen, Multicopter und auf öffentlichem Grund angebrachte Kleber, Sticker, Markierungen, QR-Codes, die auf Kampagnen hinweisen, sind neu bewilligungspflichtig. Beim Feuerwerk will die Stadt der zunehmend und «übermässigen Nutzung durchs ganze Jahr» (Borgula) entgegentreten, aber auch da Augenmass beweisen, sprich: nicht jeden Vulkan bewilligen. Neu heisst es aber beispielsweise in der Verordnung: «In der Altstadt ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern generell verboten.» Im übrigen Stadtgebiet ist die Nachtruhe einzuhalten – ausgenommen sind Silvester sowie die Nächte vom 31. Juli auf den 1. August und vom 1. auf den 2. August. Grossfeuerwerke sollen maximal viermal jährlich stattfinden. Für die Bewilligungen ist die Feuerwehr zuständig.

5. Neue «Bespielungspläne»: An Orten mit hohem Nutzungsdruck – beispielsweise auf dem Bahnhofplatz oder Plätzen in der Altstadt – erstellt die Stadt neu sogenannte Bespielungspläne. Heute kennt man dieses Modell bereits für die Allmend und den Europaplatz. Mit diesem Instrument regelt die Stadt die Anzahl und Art von Veranstaltungen im Vornherein und verspricht sich für Veranstalter, Quartierbevölkerung und die Behörde selbst mehr Transparenz.

Flohmarkt wird teurer

Daneben gibt es im Reglement neu auch ein paar Verschärfungen respektive Verteuerungen: Die Stadt erteilt keine unbefristeten Bewilligungen mehr zur Sondernutzung des öffentlichen Grundes – diese werden neu auf 20 Jahre beschränkt. Daneben werden die Gebühren laut Lütolf «moderat erhöht». Etwas teurer werden Gebühren von Märkten, der Warenmesse Määs und Megapostern. Für Zeitungsboxen schafft die Stadt einen neuen Tarif (1500 Franken pro Jahr). Für den Flohmarkt verlangt die Stadt statt Quadratmeter-Preise neu 23 Franken pro Tag oder 450 Franken pro Jahr. Nicht erhöht werden die Preise am Wochen- und Fischmarkt.

Eine grundsätzliche Überarbeitung von Reglement und Verordnung ist dann vorgesehen, wenn entsprechende Kenntnisse aus den Projekten «Stadtraum Luzern – Strategien für die Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums» oder «Forum Attraktive Innenstadt» vorliegen. Das wird voraussichtlich 2018 oder 2019 der Fall sein.

Reaktionen: «Die Stossrichtung stimmt»

Bevor am Dienstag die Medien informiert wurden, waren am frühen Morgen Vertreter von Wirtschaft, Verbänden und Quartiervereinen ins Stadthaus geladen. Sie wurden von Mario Lütolf und Adrian Borgula über die Änderungen in der Nutzung des öffentlichen Raums informiert. Was sagen sie zum neuen Reglement?

Franz Stalder, Präsident der City-Vereinigung, findet die Lockerungen «erfreulich»: Man erhalte mehr Möglichkeiten für Werbung oder Dekoration wie Blumentöpfe, die Stadt komme da dem Gewerbe etwas entgegen. Stalder hat das frühmorgendliche Treffen genutzt, um Lütolf darauf hinzuweisen, mit «freundlicheren Augen durch die Stadt zu gehen».

Entscheidend sei für die City-Vereinigung die Gesamtrevision des Reglements in zwei bis drei Jahren. Und da hofft er, dass das Gewerbe von Anfang an besser miteinbezogen werde. Denn trotz aller Verbesserungen bemängelt Stalder die Kommunikation der Stadt: «Ich wäre froh gewesen, wenn wir zwei bis drei Monate im Vorfeld informiert gewesen wären.»

Ähnlich tönt es von Seiten Gastroluzern, der Interessenvertretung von 360 Betrieben im Amt Luzern. Patrick Grinschgl, Präsident des Stadtluzerner Zweigs, sagt: «Die Stossrichtung stimmt.» Einige Probleme seien behoben worden, wobei das meiste davon die Gastronomie nicht direkt betreffe. «Wir begrüssen das neue Reglement, auch wenn es nicht der grosse Wurf ist», sagt Grischgl. Im Hinblick auf die Gesamtrevision in einigen Jahren sagt er: «Es gibt immer viel zu diskutieren, nur schon den Status quo beizubehalten wäre ein Erfolg.»

Alexander Gonzalez, Präsident des Wirtschaftsvebands Stadt Luzern, konnte die Teilrevision aufgrund der kurzen Vorlaufzeit noch nicht abschliessend beurteilen. Er schreibt: «Nach einer ersten Sichtung begrüssen wir die punktuelle Lockerung.» Aber: Gleichzeitig seien die bestehenden Auflagen immer noch «zu reglementiert», die Verwaltung habe hier nach wie vor eine zu starke Position. Nach einer detaillierten Prüfung werde der Verband eine Eingabe an das Parlament prüfen.

Gar nicht zufrieden ist «Rüdiger Mötzli», der selbsternannte Obermotzer des Sorgenbriefkastens der Stadt Luzern. Er geht weniger auf den Inhalt der Teilrevision ein, mokiert sich auf Facebook aber über die späte Einladung der Stadt: «Wie soll sich jemand seriös vorbereiten, wenn 18 Stunden vor dem Anlass ein 42-seitiges überarbeitetes Reglement per Mail verschickt wird. Da deutet doch alles darauf hin, dass nur informiert werden will und möglichst wenig Fragen gestellt werden können.»

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