Regierungsrat sieht Handlungsbedarf

Gewalt gegen Polizisten: Luzern rüstet auf

Polizeieinsatz an einem FCL-Heimspiel.

(Bild: Severin Bigler)

Immer mehr Polizisten in Luzern werden beleidigt, bedroht und angegriffen. Der Regierungsrat hat das Problem erkannt: Bessere Kleidung, neue Schutzwesten und Spuckhauben sollen nun für mehr Schutz sorgen. Auch abschreckendere Strafen sind ein Thema.

Fliegende Flaschen oder Steine bei Demonstrationen, Angriffe von betrunkenen Hooligans oder ein frustrierter und fluchender Parksünder: Wer Polizist ist, lebt immer gefährlicher. Zwar werden Übergriffe auf Polizisten in der Kriminalstatistik nicht separat ausgewiesen. Aber die Zahl der Straftaten gegen Behörden und Beamte, wozu Polizisten gehören, hat sich zwischen dem Jahr 2000 und 2015 schweizweit beinahe vervierfacht.

Dieses Problem betrifft auch Luzern, findet CVP-Kantonsrat Peter Zurkirchen, der im Mai eine Anfrage zum Thema eingereicht hatte. «Der Respekt vor anderen Menschen und Institutionen hat generell abgenommen», sagt Zurkirchen, der als Feuerwehrinstruktor sowie als Präsident des Feuerwehrverbandes oft Kontakt mit Polizisten hat, die von ihren Erfahrungen berichteten. «Das ist besonders beim Umgang mit Polizisten eine beunruhigende Entwicklung.»

 

Damit stösst er beim Regierungsrat auf offene Ohren. «Es besteht Handlungsbedarf im Kanton Luzern», hält dieser in seiner Antwort auf Zurkirchens Anfrage fest. Von den 200 Meldungen, die 2015 im Zusammenhang mit Gewalt und Drohungen gegen Beamte eingingen, betrafen 84 Luzerner Polizisten. Die restlichen gingen im Zusammenhang mit anderen Mitarbeiter von Behörden ein, beispielsweise von Sozialdiensten, Betreibungsämtern oder Gemeinderäten.

Wenig überraschend ist die Gefahr für Gewaltakte bei Anlässen mit grossen Menschenmengen grösser. «Insbesondere im Zusammenhang mit erhöhtem Alkoholkonsum bei grösseren Anlässsen sinkt die Hemmschwelle für gewalttätige Übergriffe», so die Regierung. Allerdings gebe es auch Grossveranstaltungen, die «praktisch problemlos über die Bühne gehen».

Der Regierungsrat verweist indes auf die gestiegene Zahl von Gewalt und Drohungen in den letzten Jahren. Aber nicht nur das: «Parallel dazu registriert die Luzerner Polizei auch zunehmend verbale Übergriffe.»

Bessere Ausrüstung

Erste Massnahmen sind denn auch bereits eingeleitet worden. Diese betreffen in erster Linie die Ausrüstung. Im November erhalten die Luzerner Polizisten eine neue Schutzbekleidung. «Diese wird den Schutz der Polizistinnen und Polizisten wesentlich verbessern.» Denn die aktuelle Schutzausrüstung des Ordnungsdienstes sei – mit Ausnahme des Helms – veraltet. Diese sei zum Beispile nicht flammhemmend ausgestattet, sagt Erwin Rast, Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Zudem sei der Schlagschutz zu klein. Bei der neuen Ausrüstung ist sowohl der Polizeianzug als auch die Unterwäsche flammhemmend, zudem gibt es einen Schlag- und Stichschutz für den Oberkörper und einen Schlagschutzhelm.

«Das Problem ist anerkannt und man bemüht sich um Verbesserungen.»

Peter Zurkirchen, CVP-Kantonsrat

Auch bei den schweren Schusswesten bestehe nach den jüngsten Terroranschlägen in Europa «dringlicher Handlungsbedarf», schreibt der Regierungsrat. «Die in jüngster Zeit verübten Terrorakte in Europa wurden mit sogenannten Armeelangwaffen – Kalaschnikow – verübt», sagt Rast. «Einen adäquaten Schutz bieten nur Schutzwesten, welche die Schutzklasse 4 aufweisen.» Eine interne Arbeitsgruppe evaluiere zurzeit die Bedürfnisse.

Bereits seit dem Frühling zur Verfügung stehen 250 sogenannte Spuckhauben: «Säcke», welche die Polizisten Angreifern überstülpen können, wenn sie befürchten, angespuckt zu werden. Offenbar keine Einzelfälle mehr. «Spuckattacken gegen Polizistinnen und Polizisten kommen im Kanton Luzern immer wieder vor», sagt Erwin Rast und weist auf die damit verbundenen Gefahren hin. «Für bespuckte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht neben einer massiven Verletzung der Würde auch das potentielle Risiko, mit Krankheitserregern infiziert zu werden, wenn Speichel in die Augen, den Mund oder offene Wunden gelangt.» Die Spuckhauben kämen aber nur zum Einsatz, wenn eine Person bereits gespuckt habe oder «als notorischer Spucker bekannt» sei.

Zu guter Letzt wird auch bei den Autos aufgerüstet: Ende 2016 kommt es zu einer neuen Ausschreibung der Fahrzeugflotte. Der Regierungsrat weist aber auch darauf hin, dass aufgrund der finanziellen Möglichkeiten eine gestaffelte Anschaffung unumgänglich ist. 

Polizisten schützen

Der Urheber der Anfrage, Peter Zurkirchen, ist zufrieden mit den getroffenen Massnahmen. «Das Problem ist erkannt und man bemüht sich um Verbesserungen.» Es sei angesichts der zunehmenden Gewalt wichtig, dass die Polizei bei der Ausübung ihrer Arbeit genügend geschützt sei.

«Das heutige Strafsystem greift zu wenig und entfaltet insbesondere zu wenig abschreckende Wirkung.»

Luzerner Regierungsrat

Zurkirchen hofft, dass auch auf juristischer Ebene Gegensteuer gegeben wird, indem Gewalttäter strenger gebüsst werden. Das gültige Strafmass für Verstösse gegen den Art. 285 («Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte») reicht von einer Geldstrafe bis hin zu maximal drei Jahren Gefängnis. «Härtere Strafen hätten bestimmt Konsequenzen», ist Zurkirchen überzeugt. «Manch einer würde sich wohl zweimal überlegen, was er tut.»

Einfacher Anzeige erstatten

Ähnlich tönt es vonseiten des Regierungsrates. «Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit von Übergriffen gegen Polizistinnen und Polizisten stellen wir fest, dass das heutige Strafsystem zu wenig greift und insbesondere zu wenig abschreckende Wirkung entfaltet.» Allerdings sind der Regierung diesbezüglich die Hände gebunden. Eine Verschärfung liege in der Kompetenz des Bundes.

Doch diesbezüglich gibt es Unterstützung aus Luzern. Denn der Ruswiler CVP-Nationalrat Leo Müller will Beamte ebenfalls besser schützen. Er plant, in der Herbstsession eine Motion einzureichen, um die Strafverfolgung zu vereinfachen, wie die «Neue Luzerner Zeitung» (NLZ) berichtete. Wenn ein Beamter oder eine Polizistin beschimpft oder beleidigt wird, sollen auch deren Vorgesetzte eine Anzeige einreichen können. Heute müssen bei solchen Antragsdelikten die direkt Betroffenen eine Anzeige machen – was sie laut Müller aus Angst vor weiteren Attacken oder dem grossen Aufwand oftmals unterlassen.

Den Chef informieren?

Ebenfalls für eine Verschärfung des Strafrechts plädiert der in Luzern ansässige Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB). Seit letztem Jahr beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des Verbandes mit dem Thema. Zudem unterstützen die Polizeibeamten eine Online-Petition des Tessiner Vereins «Amici delle Forze di Polizia Svizzere»: Wer Polizisten angreift, soll für mindestens zehn Tage hinter Gitter wandern. Von den 100’000 Unterschriften, welche der Verein bis im September sammeln wollte, sind allerdings erst ein Zehntel zusammen.

Noch einen Schritt weiter geht übrigens die Aargauer SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni. Sie will nicht nur alle Angreifer von Beamten ins Gefängnis schicken, sondern verlangt darüber hinaus, dass die Arbeitgeber der Täter informiert werden. Das Ziel: Durch die soziale Ächtung soll die abschreckende Wirkung deutlich erhöht werden.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von samu81
    samu81, 30.08.2016, 17:38 Uhr

    Die Luzerner Polizei wieder.
    – Wie man in den Wald hinein ruft, so tönts hinaus.
    Die sollten mal bei sich aufräumen!

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