Gehören Einbürgerungen an Gemeindeversammlung?

Luzerns «Schweizermacher» sollen Macht verlieren

Die Gemeindeversammlung: Soll weiterhin sie den roten Pass verteilen?

(Bild: Symbolbild: wahlkampfblog.ch)

Die Luzerner Grünliberalen fordern, dass Ausländer nicht mehr an der Gemeindeversammlung eingebürgert werden dürfen. Wer den roten Pass erhalte, sei kein politischer Entscheid, so die Begründung. Doch der Vorschlag ist umstritten.

Wer entscheidet, wer den Schweizer Pass erhält? Geht es nach den Grünliberalen des Kantons Luzern, dann in Zukunft nicht mehr die Gemeindeversammlung. Die Partei verlangt in einer Stellungnahme, dass der Kanton den Gemeinden vorschreibt, dass eine Kommission oder der Gemeinderat Einbürgerungsentscheide fällt – und nicht mehr Gemeindeversammlungen. Diese Forderung hat die GLP in die Vernehmlassung zum revidierten Bürgerrechtsgesetz eingebracht. Der Kanton passt zurzeit sein Gesetz den neuen Einbürgerungsregeln auf nationaler Ebene an.

Obwohl die Frage der Zuständigkeit bei Einbürgerungsentscheiden dabei kein Thema ist, greift die GLP dieses auf. «Eine Einbürgerung ist ein administrativer Entscheid und kein politischer, der an der Gemeindeversammlung gefällt werden muss», begründet GLP-Präsident Roland Fischer die Forderung. Eine gewählte Kommission oder der Gemeinderat könnten objektiver beurteilen, ob ein Kandidat die Voraussetzungen für das Schweizer Bürgerrecht erfülle.

Wer Schweizer werden will, muss einerseits mehrere formale Bedingungen erfüllen, zum Beispiel seit zehn Jahren in der Schweiz leben, sich in einer Landessprache verständigen und keinen Eintrag im Strafregister haben. Andererseits wird ein Gesuch nur gutgeheissen, wenn die Person gesellschaftlich integriert ist und die örtlichen Verhältnisse kennt. Da diese Kriterien nicht scharf definiert sind, besteht diesbezüglich ein gewisser Ermessensspielraum für die Gemeinden.

Gefahr der Diskriminierung?

Dass es wegen des heutigen Systems haufenweise zu Fehleinschätzungen kommt, will Roland Fischer damit aber nicht behaupten. Ein konkreter Fall sei ihm nicht bekannt. «Unsere Haltung ist prinzipieller Natur.»

Keine obligatorischen Einbürgerungstests

Im Kanton Bern oder Aargau müssen Kandidaten eine Multiple-Choice-Prüfung bestehen – zum Beispiel mit Fragen wie «Welches sind die vier Landessprachen?» oder «Wie viele Halbkantone hat die Schweiz?». Der Luzerner Regierungsrat will solche Tests aber nicht obligatorisch machen. Der standardisierte Test verunmögliche es, auf die Stärken und Schwächen der einzelnen Kandidaten einzugehen, begründet er. Auch in Zukunft soll es den Gemeinden selber überlassen sein, wie sie die Grundkenntnisse der Kandidaten prüfen – meist passiert dies in einem Gespräch, teilweise in einem schriftlichen Test.

National- und Ständerat haben im Sommer 2014 neue Einbürgerungsregeln beschlossen. Nun ist es an den Kantonen, ihre Gesetze entsprechend anzupassen. Neu gilt zum Beispiel: Wer Schweizer werden will, braucht einen C-Ausweis (Niederlassungsbewilligung), darf keine Sozialhilfe beziehen, muss seit zehn (statt bisher zwölf) Jahren in der Schweiz leben und eine Landessprache beherrschen.

Er verweist aber auf wissenschaftliche Studien zum Thema, die belegten, dass die Gefahr der Diskriminierung an Gemeindeversammlungen höher ist. «Womöglich wird an einer Gemeindeversammlung aufgrund der Herkunft, der Religion oder von Äusserlichkeiten entschieden und nicht aufgrund der gesetzlichen Kriterien», sagt Fischer. Das ist auch der Grund, wieso die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus empfiehlt, den Entscheid einer Kommission oder dem Gemeinderat zu delegieren.

Doch wieso sollen die Mitglieder einer Kommission zwangsläufig objektiver sein? Für Fischer ist klar: «Mitglieder der Kommission haben ein offizielles Amt inne und tragen entsprechend Verantwortung, sich an die gesetzlichen Grundlagen zu halten und nicht aufgrund eines Stimmungsbildes zu entscheiden.»

Trend zu Kommissionen

Zahlreiche Luzerner Gemeinden haben in den letzten rund zehn Jahren eine Bürgerrechtskommission eingesetzt. Heute entscheidet noch knapp jede zweite Gemeinde an der Gemeindeversammlung über die Bürgerrechte. Darunter zum Beispiel Wikon, Ufhusen, Romoos oder Altwis. Noch nie gehört? Kein Wunder, sind es doch oftmals kleine Dörfer, die am System der Gemeindeversammlung festhalten.

«Die Grösse einer Gemeinde darf nicht ein Kriterium sein, um auf eine rechtsstaatlich saubere Lösung zu verzichten.»

Roland Fischer, Präsident GLP

Der Grund: Für sie lohnt es sich kaum, eine Kommission zu gründen, sagt Ludwig Peyer, Geschäftsführer des Verbands Luzerner Gemeinden und CVP-Kantonsrat. Er nennt als Beispiel die Gemeinde Alberswil bei Willisau mit knapp 800 Einwohnern. «Da findet man erstens kaum Mitglieder für die Kommission, und zweitens kennt man sich im Dorf sowieso», sagt Peyer. Die meisten Entscheide an den Gemeindeversammlungen seien denn auch gar nicht umstritten.

Diesem Argument kann Roland Fischer indes gar nichts abgewinnen. «Die Grösse einer Gemeinde darf nicht ein Kriterium sein, um auf eine rechtstaatlich saubere Lösung zu verzichten.» Wenn Gemeinden zu klein seien, um ihre Aufgaben zu erfüllen, müssten sie überlegen, dies zu delegieren oder zu fusionieren, so Fischer weiter.

«Man kann dieses Modell nicht auf alle übertragen.»

Ludwig Peyer, Verband Luzerner Gemeinden

Ludwig Peyer hingegen weist darauf hin, dass beide Systeme gesetzeskonform seien. Und auch wenn viele Gemeinden gute Erfahrungen mit Bürgerrechtskommissionen machen, sagt er: «Man kann dieses Modell nicht auf alle übertragen. Die Wahl muss man jeder Gemeinde selbst überlassen.

Zweifel in Meggen

Rund um Luzern hingegen haben die meisten Gemeinden bereits Bürgerrechtskommissionen eingesetzt. Anders in Meggen: Dort setzt man immer noch auf die Gemeindeversammlung, an denen jeweils zwischen vier und acht Ausländer das Schweizer Bürgerrecht erhalten. Doch auch in Meggen gibt es Zweifel an diesem System. «Grundsätzlich müssen die Bürger begründen, wieso sie eine Einbürgerung ablehnen – doch das ist praktisch nicht möglich», sagt Gemeindepräsident und GLP-Kantonsrat Urs Brücker. «Viele empfinden die Abstimmung daher als Farce.»

«Viele Bürger empfinden die Abstimmung an der Gemeindeversammlung als Farce.» 

Urs Brücker, Gemeindepräsident Meggen

Man werde deshalb in der nächsten Legislatur die Einführung einer Kommission prüfen. «Sie wäre demokratisch breiter abgestützt, als wenn ich mit einem Mitarbeiter die Gesuche anschaue und der Versammlung etwas vorschlage», sagt Brücker.

Fischer hofft auf breite Unterstützung

Ob die Forderung der GLP eine Chance hat, wird sich zeigen. Die Vernehmlassung zur Bürgerrechtsgesetz-Revision dauert noch bis zum 24. August. Anschliessend wird der Kantonsrat das Geschäft beraten. Roland Fischer jedenfalls ist zuversichtlich, obwohl ihm bewusst ist, dass die Gemeinden keine Freude haben, wenn der Kanton in ihre Autonomie eingreift. Unterstützung erhofft er sich sowohl von den linken Parteien als auch von der FDP und CVP, «von allen Parteien, die den Rechtsstaat in den Vordergrund stellen».

Wie Emmen ungewollt bekannt wurde

Das Bundesgericht hat 2003 entscheiden, dass Urnenabstimmungen über Einbürgerungen nicht mehr zulässig sind. Genau das tat die Gemeinde Emmen während vier Jahre und wurde damit über die Landesgrenzen hinaus «berühmt». Der Grund: Auffällig viele Gesuche von Kandidaten aus Ex-Jugoslawien wurden abgelehnt. Das Bundesgericht beurteilte dieses Verfahren daraufhin als unzulässig. Denn jede Ablehnung bedarf gemäss dem Urteil einer Begründung. Dies sei nötig, damit die Betroffenen den Entscheid anfechten können. Emmen hat 2005 entschieden, eine Bürgerrechtskommission einzuführen, die seither für die Einbürgerungsgesuche zuständig ist.

 

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