Die feine Linie zwischen Amt und Mandat

Baarer Gemeinderat zeigt sich nicht selber an

Es kehrt Ruhe ein im neuen Pflegezentrum Baar. Jetzt darf der vierte Stock offiziell gebraucht werden.

(Bild: zentralplus/dog)

Das ging nochmals gut für den Baarer Gemeinderat: Die nachträgliche Umnutzungsbewilligung für das Baarer Pflegezentrum ist da und auf eine Anzeige wird verzichtet. Doch der Experte wird deutlich: «Die Trennung von Mandat und Amt ist dringend zu empfehlen.»

Jetzt ist klar: Es gibt keine Anzeige in Baar. Und das, obwohl im neuen Pflegezentrum leerstehende Zimmer ohne die entsprechende Bewilligung genutzt wurden. Diese wurde nun vom Gemeinderat nachträglich gesprochen (zentralplus berichtete).

Dass drei Gemeinderäte Einsitz im Stiftungsrat des Pflegeheims haben, macht die Sache mit der fehlenden Umnutzungsbewilligung besonders pikant. Der Bauvorsteher und Pflegeheim-Stiftungsratspräsident Paul Langenegger musste deswegen schon Kritik von der Baarer SVP einstecken und gab zu, Fehler gemacht zu haben (zentralplus berichtete). Nun entlastet sich der Gemeinderat quasi selbst, indem er sich nicht für den Fauxpas anzeigt.

Paragraph 31 macht den Unterschied

Die drei Stiftungsräte, die gleichzeitig auch Gemeinderäte sind, seien «von der Prüfung des Gesuches bis zum Beschluss» in den Ausstand getreten, schreibt die Gemeinde Baar. Die Umnutzungsbewilligung hat deshalb auch nicht der Bauvorsteher Langenegger, sondern sein Stellvertreter, Jost Arnold, kommuniziert.

«Es ist zu keinem baulichen Verstoss gekommen.»
Jost Arnold, Baarer Gemeinderat

Dass der in die Verhandlung involvierte Teil des Gemeinderates die drei anderen Gemeinderäte (Paul Langenegger, Andreas Hotz und Berty Zeiter) nicht angezeigt hat, begründet Arnold folgendermassen: «Die Ausgangslage ist, dass wir ein Pflegezentrum gebaut haben und Zimmer haben, die nicht genutzt werden.» Arnold erklärt, dass die Behörden gemäss Paragraph 31 der Verordnung zum Planungs- und Baugesetz (VPBG) eine Ausnahmebewilligungen erteilen können. «Das ist dann möglich, wenn gemeindliche Bauvorschriften im Einzelfall zu einer offensichtlich unzweckmässigen Lösung führen oder eine unbillige Härte bedeuten würden und nachbarliche Interessen nicht erheblich beeinträchtigt werden.»

Gesunde statt kranke Bewohner im Pflegeheim

Dies sei im Fall des Pflegezentrums gegeben, sagt Arnold. Die Zimmer würden exakt so genutzt, wie beim Bau vorgesehen. «Es ist zu keinem baulichen Verstoss gekommen.» Der einzige Unterschied sei, dass darin gesunde und nicht kranke Personen leben würden. «Zudem ist es sinnvoll, dass die Zimmer bewohnt werden. Wären die Zimmer leer, müssten wir die Taxpunkte anheben, um die fehlenden Einnahmen der leeren Zimmer zu kompensieren.» Deshalb entspräche die Nutzung der leerstehenden Zimmer auch dem öffentlichen Interesse.

«Nicht umsonst gibt es auf Bundesebene Leitsätze, nach denen Bundesräte keine zusätzlichen Ämter in Verwaltungsräten oder Stiftungsräten ausüben sollten.»
Dr. Roger W. Sonderegger, Projektleiter an der Universität St. Gallen

Dass es zu keiner Anzeige gekommen sei, weil diese den Gemeinderat selbst betreffen würde, verneint Arnold. «Da keine baulichen Veränderungen vorgenommen wurden, kann auf eine Anzeige verzichtet werden.» Entgegen den Aussagen Beni Riedis ist es auch bei der Zuger Staatsanwaltschaft zu keinem Verfahren gekommen, noch sei Strafanzeige eingegangen, hiess es auf Anfrage.

Trennung von Amt und Mandat wird dringend empfohlen

Damit scheint das Thema gegessen. Dennoch hat der Vorfall in Baar aufgezeigt, wie fein die Linie zwischen Amt und Mandat sein kann und wie viel im Ermessen des einzelnen Amtsträgers liegt. Dr. Roger W. Sonderegger, Projektleiter an der Universität St. Gallen, beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit der Thematik. Er sagt: «Nicht umsonst gibt es auf Bundesebene Leitsätze, nach denen Bundesräte keine zusätzlichen Ämter in Verwaltungsräten oder Stiftungsräten ausüben sollten.» Noch haben nicht alle Kantone diese Themen für die eigenen Beteiligungen geregelt. Im Kanton Zug ist es sogar Usus, dass Regierungsräte auch Einsitz in Stiftungen nehmen (zentralplus berichtete).

«Ob aus juristischer oder auch aus betrieblicher Perspektive: Es ist ein Risiko für die betroffenen Personen», sagt Sonderegger. Die Trennung von Mandat und Amt sei wegen Interessenkonflikten dringend zu empfehlen. In der Praxis sei das aber oft – noch immer – nicht der Fall. «Dass die Behörden gleichzeitig auch in Stiftungsräten Einsitz nehmen, ist auch heikel, weil das operative Geschäft einer Geschäftsleitung obliegt und Stiftungsräte oft nicht über alles Bescheid wissen, aber letztlich dennoch die politische Verantwortung zu übernehmen haben.»

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