Wie Zug von Zürich lernen kann

Vergleich zeigt: Zuger Wohnbauförderung weit abgeschlagen

Zug ist ein teures Pflaster und bezahlbarer Wohnraum rar, kritisieren die jungen Linken. Ihre Gesetzesinitiative soll Abhilfe schaffen.

(Bild: Archiv)

Zug braucht neue Richtlinien, um preisgünstigen Wohnraum zu fördern, finden Zuger Jungparteien. Kein Bedarf, hält der Regierungsrat dagegen, die aktuelle Handhabung reiche völlig aus. Dabei zeigt ein Blick in die Nachbarkantone, dass aktive Wohnbauförderung durchaus Erfolge bringen kann – unter einer bestimmten Voraussetzung.

«Widersprüchlich», «naiv», «mutlos» – es ist kein erbauliches Zeugnis, welches die Jungen Grünen und die Juso Zug dem Zuger Regierungsrat ausstellen. Stein des Anstosses ist die hiesige Praktik zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum. Während die beiden Jungparteien mittels einer Gesetzesinitiative verlangen, dass 20 Prozent der Wohnungen im Kanton Zug bis in 20 Jahren preisgünstig vermietet werden (siehe Box), kann die Regierung diesbezüglich keinen Handlungsbedarf ausmachen (zentralplus berichtete).

Alles in bester Ordnung also? Oder täte der Kanton Zug doch gut daran, sogenannt preisgünstige Wohnungen aktiver zu fördern? Ein schweizweiter Vergleich spricht eher für Letzteres. Gemäss Zahlen des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) gab es in Zug Ende 2013 total knapp 55’000 Wohnungen. 1114 davon fallen unter die Kategorie «gemeinnütziger Wohnungsbau» – das entspricht einem Anteil von rund 2 Prozent (vergleiche Grafik). In der Stadt Zug sind es etwa 8 Prozent.

Marktversagen versus staatliche Kontrolle

Zum Vergleich: 2013 betrug der prozentuale Anteil gemeinnütziger Wohnungen im Kanton Zürich 10 Prozent. In der Stadt sind es 26 Prozent, wobei aktuell Bestrebungen laufen, diese Quote auf 33 Prozent zu erhöhen. Im Kanton Luzern sind es gut 8 Prozent. Die Stadt will von aktuell 14 auf 16 Prozent erhöhen. Im Direktvergleich fällt das Niveau im Kanton Zug mit 2 Prozent vergleichsweise tief aus. Und wenn es nach dem Regierungsrat geht, dann dürfte das in absehbarer Zeit auch so bleiben.

Prozentualer Anteil gemeinnütziger Wohnungen am Wohnungstotal nach Kantonen (Stand: 2013). Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen (BWO)

Prozentualer Anteil gemeinnütziger Wohnungen am Wohnungstotal nach Kantonen (Stand: 2013). Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen (BWO)

Denn der Zuger Regierungsrat erachtet die aktuellen Förderinstrumente als genügend. Die Initiative der Jungparteien hätte einen Ausbau der staatlichen Kontrolle zur Folge, so die Befürchtung. Zu starke Eingriffe in den Wohnungsmarkt lehnt er überdies als unverhältnismässig ab, weil man damit potenzielle Investoren abschrecken könnte. Damit würde sich die Wohnraumverknappung zusätzlich verschärfen. Der Regierungsrat empfiehlt dem Kantonsrat deshalb die Gesetzesinitiative zur Ablehnung.

20 Prozent in 20 Jahren

Die von den Jungen Alternativen und der Juso lancierte Gesetzesinitiative «für bezahlbaren Wohnraum in Zug» wurde im Oktober 2015 mit 2105 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Jungparteien verlangen, dass der Kanton Zug und die Einwohnergemeinden sich aktiv für die Schaffung und den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum einsetzen. Das angestrebte Ziel: Bis in 20 Jahren nach Annahme der Initiative soll ein Anteil von mindestens 20 Prozent des Wohnungsbestandes nach Grundsätzen des preisgünstigen Wohnungsbaus oder der Kostenmiete vermietet werden.

Dieses Ziel soll erreicht werden, indem Kanton und Gemeinden gemeinnützige Wohnbauträger unterstützen und zinsvergünstigte Darlehen gewähren, oder indem eigene Grundstücke für den preisgünstigen Wohungsbau zur Verfügung gestellt werden. Immobilienbesitzer mit grösserer Ausnützung sollen zudem belohnt werden, wenn sie auf ihren Bebauungsplänen Fläche für günstigen Wohnraum ausscheiden.

Das sei ungenügend, kontern die Jungparteien, die dem Regierungsrat Verharmlosung der Lage vorwerfen. Die aktuelle Regelung reiche bei Weitem nicht aus. Angebot und Nachfrage auf dem Zuger Wohnungsmarkt regelten sich eben nicht von alleine. Und dass Leitplanken für den Wohnungsmarkt Spekulanten davon abhalten könnten, Wohnraum zu sanieren oder neu zu erstellen, würden die Initianten mitunter bezwecken. Dafür hätten Wohnbaugenossenschaften die Möglichkeit, erschwingliche Bauflächen zu erwerben und so die «Preistreiberei» zu bremsen, schreiben die Jungen Linken in ihrem Gegenbericht zum Antrag des Regierungsrates (siehe Linkbox).

Keine Angst vor Mehraufwand

Die Frage ist also: Wie viel Wohnbauförderung verträgt ein Kanton? Ein Blick über die Kantonsgrenzen kann hier hilfreich sein. Der Kanton Zürich kennt sich mit der Sache aus, schliesslich wurde dort die Wohnbauförderung schon im Jahr 1918 gegründet. Die Stadt Zürich fördert gar seit 1907 bezahlbaren Wohnraum. Seither finanziert der Kanton einen Teil der Investitionskosten durch zinslose Darlehen. «Der Zinsverzicht bewirkt eine Verbilligung der Mieten, die nach dem Prinzip der Kostenmiete berechnet werden», erklärt Erich Wenzinger, Kommunikationsverantwortlicher der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion.

Sowohl die Maximalkosten für Subventionsobjekte als auch die persönlichen Voraussetzungen potenzieller Mieter werden dabei vom Kanton vorgegeben. «Damit können wir einerseits sichergehen, dass die Wohnungen auch wirklich preisgünstig sind, und andererseits, dass auch wirklich diejenigen Personen von kantonal geförderten Wohnungen profitieren, die dafür vorgesehen sind», erläutert Wenzinger.

«Diesen Aufwand auf sich zu nehmen, sind nur Wohnbauträger bereit, die ihr Engagement als Dienst an der Gemeinschaft verstehen.»

Erich Wenzinger, Volkswirtschaftsdirektion Kanton Zürich

Dass dies Mehraufwand bedeutet, ist klar. Wenzinger führt aus: «Diesen Aufwand auf sich zu nehmen, sind nur Wohnbauträger bereit, die ihr Engagement als Dienst an der Gemeinschaft verstehen. Andere Bauträger, deren Aufgabe in der Erwirtschaftung einer bestimmten Rendite liegt, werden hier sicherlich eher abgeschreckt.» Ein Bauträger müsse zwar nicht unbedingt gemeinnützig sein, aber er muss sich für die Dauer der Subventionslaufzeit gemeinnützig verhalten, konstatiert Wenzinger. Dennoch seien es in erster Linie gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften, die sich von den entsprechenden Bedingungen nicht abschrecken liessen.

Erfolgreiches Modell auch für Zug?

Im Kanton Zürich habe sich diese Praktik etabliert – und stosse auf grosse Akzeptanz: «Diese Ansicht wird relativ breit getragen und zeigt sich zum Beispiel im Umstand, dass die kantonalen Kostenlimiten immer wieder auch für Architekturwettbewerbe herangezogen werden, auch wenn gar nicht vorgesehen ist, geförderte Wohnungen anzubieten», sagt Wenzinger.

«Wohnbauförderung funktioniert.»

Remo Montanari, Finanzdepartement Stadt Zürich

Und auch in der Stadt Zürich spricht man von einem Erfolgsrezept. «Wohnbauförderung funktioniert», konstatiert Remo Montanari vom Stadtzürcher Finanzdepartement. «Der Anteil an preisgünstigem Wohnraum hat sich in der Stadt Zürich von 2011 bis 2015 um gut 0,5 Prozentpunkte erhöht. Das klingt nach wenig. Bei einem Ausgangswert von über 25 Prozent handelt es sich allerdings um eine Veränderung auf hohem Niveau.» Und diese sei durchaus beachtlich.

Montanari macht indes keinen Hehl daraus, dass es schwierig sei, von privaten Anbietern zu verlangen, dass diese auf einen Teil ihrer Rendite verzichten. Ohne Non-Profit-Akteure funktioniere es nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob man wie Zürich auf eine über 100-jährige Tradition in Sachen Wohnbauförderung zurückblicken kann oder wie der Kanton Zug diesbezüglich noch in den Kinderschuhen stecke.

In Zug wird wohl die Bevölkerung das letzte Wort haben. Sollte die Initiative – wie vom Regierungsrat empfohlen – im Kantonsrat nämlich abgelehnt werden, könnte das Zuger Stimmvolk an der Urne über das Begehren befinden. Bereits bei der Überreichung der Initiative im Oktober 2015 sagte Mitinitiant Andreas Lustenberger (ALG): «Ich denke, vor dem Volk hat die Initiative gute Chancen, das Thema ist wirklich brennend. Vor dem Kantonsrat allerdings stehen die Chancen schlechter.» Ob er mit seiner Einschätzung recht behält, wird sich zeigen.

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