Schlagabtausch über SP/GLP-Deal im Stadtparlament

Stadtrat verweigert Transparenz – und provoziert «SPexit»-Forderung

Manuela Jost hat die Wiederwahl in den Stadtrat geschafft und wird von der SP vor der Kulturbeiz «Meyer» gefeiert (Bild: Jakob Ineichen).

Es kam, wie es kommen musste: Nebst SP und GLP weigert sich nun auch der Stadtrat, die umstrittene Vereinbarung zwischen SP und GLP vollständig transparent zu machen. Die Debatte darüber im Stadtparlament war zwar unterhaltend, brachte aber keine Lösung. Doch für die FDP ist die Sache noch nicht gegessen.

Viel und intensiv wurde darüber geredet: Diesen Donnerstag sorgte der «Geheim-Deal» zwischen SP und GLP auch im Stadtparlament für heftige Voten. Auslöser war ein Vorstoss von Fabian Reinhard (FDP): «Solche schriftlichen Vereinbarungen sind äusserst fragwürdig und demokratiefeindlich.»

Und darum gehts bei diesem Deal: Die GLP hat der SP versprechen müssen, in diversen Punkten eine SP-genehme Haltung einzunehmen (siehe Box). Als Gegenleistung hat die SP im zweiten Wahlgang GLP-Stadträtin Manuela Jost unterstützt. Die beiden Parteien haben erst nach massivem öffentlichen Druck und erst nach den Wahlen über den genaueren Inhalt der Vereinbarung informiert – das Originaldokument wollen sie aber partout nicht offenlegen.

Stadtrat betreibt Schönfärberei

Die Antwort des Stadtrates auf den Vorstoss von Reinhard fiel erwartungsgemäss lauer als lau aus – schliesslich sind dort SP, Grüne und GLP in der Mehrheit. Tenor: Alles gar kein Problem! Konkret: Man sei ja von Jost am 8. Juni über den Inhalt und Wortlaut der Vereinbarung informiert worden. Dabei habe man – das war bislang nicht bekannt – das Originaldokument zu sehen bekommen, wie noch-Stadtpräsident Stefan Roth mündlich ergänzte.

Dann windet sich der Stadtrat, indem er behauptet, dass solche Vereinbarungen vor Wahlen «nicht unüblich» seien. Dabei ist bis dato von nichts Vergleichbarem etwas bekannt. Auch betreibt der Stadtrat Schönfärberei, wenn er behauptet, der Inhalt der Vereinbarung sei «vollständig transparent» gemacht worden. Vollständig transparent wäre, wenn die Öffentlichkeit das Originaldokument zu sehen bekäme. Aber so viel Transparenz wollen GLP, SP und neu also auch der Stadtrat partout nicht gewähren.

«Solche Spiele wollen wir in der Stadt nicht sehen.»

Fabian Reinhard, FDP

Weiter hält es der Stadtrat für völlig unproblematisch, dass sich Jost der SP gegenüber vertraglich verpflichtet hat. Denn ihm sei die Vereinbarung ja bekannt. Dass es unbefriedigend ist für Teile der Stadtparlamentarier und der Öffentlichkeit, wenn nur der von SP, Grüne und GLP dominierte Stadtrat das so sieht und der Rest im Unwissen gelassen wird – auf diese Idee kommt die Exekutive nicht.

Der neue Luzerner Stadtrat: (v.l.n.r) Stadtpräsident Beat Züsli (SP), Adrian Borgula (Grüne), Manuela Jost (GLP), Stefan Roth (CVP), Martin Merki (FDP).

Der neue Luzerner Stadtrat: (v.l.n.r) Stadtpräsident Beat Züsli (SP), Adrian Borgula (Grüne), Manuela Jost (GLP), Stefan Roth (CVP), Martin Merki (FDP).

Präzedenzloser Fall

Entsprechend harsch fielen auch die Voten der Bürgerlichen aus. «Es geht nicht, dass der Deal zwischen der SP und ihrem neuen Juniorpartner GLP nicht vollständig transparent gemacht wird», ärgerte sich Reinhard. «Solche Spiele wollen wir in der Stadt nicht sehen.» Reinhard wies darauf hin, dass diese Art von Vertrag «präzedenzlos» sei, deshalb könne man nicht behaupten, das sei üblich. Tatsächlich haben diverse von zentralplus angefragte Experten noch nie von etwas Vergleichbarem gehört (hier gehts zum Artikel).

Noch heftiger zog danach Thomas Gmür (CVP) vom Leder: «Dieser Vertrag ist unter dem Eindruck der Arroganz der Macht seitens der SP entstanden. So geht das nicht, das ist ein Missbrauch der Macht und Demokratie.» Für Gelächter sorgte dann Gmürs (hoffentlich) nur scherzhaft gemeinte, an den «Brexit» angelehnte Forderung: «Es braucht einen SP-Exit!» Die SP solle aus dem Parlament austreten.

«Ob die Vereinbarung schriftlich oder mündlich eingegangen wurde, ist schlussendlich sekundär.»

Simon Roth, SP

Zumindest teilweise mit Humor nahm es auch Urs Zimmermann (SVP). Er machte sich über die superdünne Antwort des Stadtrates auf Reinhards Vorstoss lustig: «Ich habe noch nie eine so kurze Antwort erhalten. Immerhin kostet die dafür aufgewendete Arbeit sicher nicht so viel wie andere.» Zimmermann betonte: «Hier geht es ja nicht um eine Listenverbindung. Sondern es sind politisch inhaltliche Zugeständnisse gemacht worden.» Diese unter Verschluss zu halten, sei undemokratisch.

SP bleibt stur

Und wie verhielt sich die SP? In den vergangenen Tagen räumte etwa Parteipräsident Claudio Soldati ein, dass das Vorgehen nicht optimal gewesen sei. Doch im Stadtparlament war von den Genossen dann keine Einsicht mehr spürbar. So versuchte Simon Roth die Wellen zu glätten, indem er auf die Umstände der Vereinbarung einging. «Unsere Mitglieder waren nur bereit, Jost zu unterstützen, wenn es mit ihr politische Übereinstimmung gäbe.» Deshalb habe man das mit der GLP in einem E-Mail-Verkehr ausgehandelt und festgehalten. Dann verstieg sich Roth zur Aussage: «Ob schriftlich oder mündlich, ist schlussendlich sekundär.»

«In dieser Absichtserklärung stehen keine konkreten Geschäfte.»

Luzia Vetterli, SP

Auch Parteikollegin und Rechtsanwältin Luzia Vetterli verteidigte den Deal: «Diese Vereinbarung enthält bloss Absichtserklärungen.» Das führe deshalb nicht zu einer Befangenheit von Manuela Jost. Dann redete sich Vetterli in die Bredouille: «In dieser Absichtserklärung stehen keine konkreten Geschäfte. Es geht darin um inhaltliche Themen, bei denen man einer Meinung sein müsste.»

Dass das falsch ist, ist spätestens seit dem 8. Juli bekannt. Damals orientierten SP und GLP über die 8-Punkte-Vereinbarung (siehe Box). Darin stehen so konkrete Ziele wie: Auf dem Rösslimattareal der SBB sowie auf dem Steghofareal sollen gemeinnützige Wohnungen entstehen. Oder: Der Fonds für den Kauf von zusätzlichen Liegenschaften soll auf 20 Millionen mindestens verdoppelt werden.

Manuela Jost freut sich über ihre sichere Wiederwahl vom 5. Juni (Bild: Jakob Ineichen).

Manuela Jost freut sich über ihre sichere Wiederwahl vom 5. Juni (Bild: Jakob Ineichen).

GLP räumt Fehler ein

Einsichtiger zeigte sich die GLP. András Özvegyi sagte: «Wir haben in letzter Zeit viel gelernt. Rückwirkend betrachtet, wäre es besser gewesen, wir hätten aktiver informiert.» Und sowieso: Verpflichtet sei man einzig dem Volk. Dann attackierte Özvegyi die Bürgerlichen. Diese hätten «als Wahlverlierer» mit der ständigen Thematisierung der Vereinbarung bloss von den eigenen Verlusten ablenken wollen.

Dabei unterschlug der GLP-Politiker, dass gerade seine Partei nebst der CVP bei den letzten Wahlen am meisten Stimmen verloren hat (minus 2,4 Prozent). Und die vierköpfige Minifraktion um ein Haar einen Sitz hat abgeben müssen. Von vollständiger Transparenz, wie von Reinhard gefordert, wollen GLP und SP aber nach wie vor nichts wissen.

Will FDP das Dokument herauszwingen?

Fabian Reinhard überlegt sich nun, in einem Postulat vom Stadtrat zu verlangen, dass er den Deal veröffentlicht. Das Problem hierbei: Ab neuer Legislatur verfügen SP, Grüne und GLP auch im Parlament erstmals über eine Mehrheit. Vermutlich wird die Öffentlichkeit also nie genau erfahren, zu was sich Jost nun der SP gegenüber exakt verpflichtet hat. Das dürfte ihr in den nächsten vier Jahren öfters mal vorgeworfen werden und wird ihre Arbeit sicher nicht vereinfachen.

Dabei wäre es doch so einfach, wie Albert Schwarzenbach (CVP) am Schluss der Debatte anfügte: «Wenn in dieser Vereinbarung doch nichts Schlimmes drinsteht – zeigt sie doch einfach, dann ist das ganze Theater vorbei.»

Darum gehts beim «Geheim-Deal»

SP und GLP haben vor dem zweiten Wahlgang vom 5. Juni miteinander über die Bedingungen verhandelt, unter denen die Genossen die GLP-Baudirektorin unterstützen könnten. Daraus entstand eine schriftliche Vereinbarung, unterzeichnet von Jost, bald-SP-Stadtpräsident Beat Züsli sowie den Parteipräsidenten und Fraktionschefs der beiden Parteien.

Beide Parteien weigerten sich lange, über den genauen Inhalt der Vereinbarung zu informieren. Es genüge, wenn die Öffentlichkeit mündlich über die Stossrichtung Bescheid wisse.

Diese Weigerung zur vollen Transparenz sorgte für heftigen Protest unter den Bürgerlichen. Erst drei Tage nach der Wahl vom 5. Juni rückten die Parteien mit detaillierteren Infos raus – ohne allerdings das Originaldokument zu veröffentlichen.

Diese acht Punkte aus der Vereinbarung haben SP und GLP schliesslich mitgeteilt:

  1. Verzicht auf allgemeine Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich bei allfällig zusätzlich notwendigen Sparprogrammen. 

  2. Bei der Umsetzung der Wohnraumpolitik nebst den für den gemeinnützigen Wohnungsbau definierten städtischen Arealen auch verstärkt den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen im Rahmen von Bebauungsplänen (Um- und Aufzonungen) einzufordern. 

  3. Vorbereiten einer Botschaft (im Jahr 2017) für eine aktive Bodenpolitik der Stadt Luzern. Der Fonds für den Kauf von zusätzlichen Liegenschaften soll von heute 10 Millionen Franken mindestens verdoppelt werden. Die Prozesse zum Kauf von Liegenschaften sind zu vereinfachen.
  4. Eine vorbildliche Energieplanung und -nutzung in städtischen Liegenschaften und auf städtischen Arealen sowie im Rahmen von Bebauungs- und Gestaltungsplänen. 

  5. Fraktion und Stadtrat engagieren sich ab 2016 für eine Mehrheit, dass ein massgeblicher Teil des Steghof-Areals einem gemeinnützigen Wohnbauträger zur Schaffung von Wohn- und Gewerberaum im Baurecht abgetreten wird. 

  6. Mit der SBB ist eine verbindliche Vereinbarung anzustreben für einen massgeblichen Anteil von gemeinnützigem Wohnungsbau in der 2. Etappe in der Rösslimatt-Überbauung. 

  7. Die GLP-Fraktion unterstützt eine autofreie Bahnhofstrasse. 

  8. SP, Grüne und GLP setzen sich im Herbst 2016 zusammen, um über eine gemeinsame sachpolitische Zusammenarbeit zu diskutieren. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Casiboy
    Casiboy, 01.07.2016, 13:53 Uhr

    Ich finde es traurig, dass unsere Volksvertreter sich weigern die Vereinbarung zu veröffentlichen.
    Es kommt der schale Geschmack auf; «Alle haben Dreck am Stecken». Hoffentlich werden Sie dadurch nicht erpressbar. Wen soll man das nächste mal Wählen? Die denken sich wohl in 4 Jahren haben das Alle vergessen.

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