Wie verteilt der Kanton seine Bauaufträge?

Junge Architekten: «Zug ist ausgetrocknet»

Hier hat der Wettbewerb gespielt: Das Amt für Verbraucherschutz wurde per offenem Wettbewerb ausgeschrieben. Das sei nur selten der Fall, sagt ein Architekt.

(Bild: zvg)

Es sieht alles etwas ähnlich aus im Kanton Zug. «Copy-Paste-Architektur», findet ein Zuger Architekt. Und fordert: Der Kanton müsse ein gutes Beispiel abgeben – und mehr Wettbewerb fördern, wenn er Aufträge vergibt. Denn bei Letzterem, das zeigt ein junges Beispiel, kommen immer etwa dieselben zum Zug.

Wer baut den Kanton Zug? Offenbar stets ungefähr dieselben Architekten – zumindest sieht die Stadt so aus. Thomas Baggenstos vom Bauforum Zug prägte dazu den Begriff «Copy-Paste-Architektur» (zentralplus berichtete). «Umso wichtiger ist es, dass die öffentliche Hand bei eigenen Bauvorhaben Bauten mit Vorbildcharakter erstellt», sagt Baggenstos. Ein wichtiges Instrument dazu ist der Architekturwettbewerb. «Leider findet dieser nicht immer statt.» Das hat sich ganz konkret gezeigt, als die Regierung den Auftrag für den Bau der Dreifachturnhalle vergab – völlig ohne Wettbewerb. CVP-Kantonsrat Richard Rüegg hat dieses Vorgehen in einer Interpellation moniert. Und trifft damit einen wunden Punkt (siehe Box).

Denn der Vorfall zeigt exemplarisch auf, dass im Kanton bei der Vergabe von Bauprojekten offenbar vorzugsweise zu alten Bekannten gegriffen wird – möglicherweise, weil sich der Kanton vor allem auf Referenzen verlässt.

Das ist nicht verboten, aber fördert nicht gerade die Baukultur. Baggenstos vom Bauforum sagt: «Es ist wichtig, dass das Thema auf politischem Weg angegangen wird.» Denn dahinter stecke ein zu vorsichtiges Wettbewerbsdenken. Der Kanton Zug veranstalte praktisch nur Wettbewerbe mit Präqualifikationsverfahren für seine Bauten, sagt Baggenstos. Also Wettbewerbe, bei denen nur Architekturbüros eingeladen werden, die schon grosse Erfahrungen in dem spezifischen Bereich vorweisen können, der in einem Projekt gefragt ist. Klartext: immer in etwa dieselben.

«Es kommen zwangsläufig mehr und vielfach auch bessere Ideen dabei heraus, wenn sich mehr Büros beteiligen können.»

Thomas Baggenstos, Bauforum Zug

«Wettbewerbe mit Präqualifikation garantieren der Verwaltung zwar, dass nur Büros mit Erfahrung mitmachen, nützen aber der regionalen Wettbewerbskultur nicht viel.» Baggenstos fordert: Stattdessen müsste der Kanton offene Wettbewerbe veranstalten. Bei offenen Wettbewerben können sich auch unerfahrenere Büros mit guten Ideen beteiligen. Das habe für den Kanton handfeste Vorteile: «Es kommen zwangsläufig mehr und vielfach auch bessere Ideen dabei heraus, wenn sich mehr Büros beteiligen können. Zudem können sich dann auch jüngere Büros präsentieren, werden vielleicht auf Grund neuer Referenzen bei anderer Gelegenheit einmal eingeladen und können sich so besser etablieren.»

Junge Architekten sagen: Zu wenige Möglichkeiten

Genau das schwebt zumindest einem jungen Architekturbüro vor. Louis Schiess von Weber Schiess Architekten sagt: «Wir würden uns vor allem wünschen, dass nicht immer nur dieselben Büros zu Wettbewerben eingeladen werden, sondern dass die Verwaltung analog zu anderen Kantonen auch immer wieder junge Zuger Büros als Sprengkandidaten einlädt.» Das würde den Jungen die Chance geben, ihre Ideen einzubringen. Für Schiess wären solche Einladungen wichtiger als offene Wettbewerbe. «Offene Wettbewerbe lohnen sich praktisch nie, und uns als kleinem Büro fehlen dafür oft die finanziellen Ressourcen. Bei Einladungen hat man zumindest die Chance, in die Ränge zu kommen, damit die Kosten gedeckt sind.»

Freihändige Vergabe bei der Dreifachturnhalle

Der Kanton hat den Auftrag für die geplante Dreifachturnhalle an der Kantonsschule Zug offenbar freihändig vergeben – obwohl es sich dabei um einen Objektkredit von 18,7 Millionen Franken handelt. «Von einem öffentlich durchgeführten Wettbewerb ist nichts bekannt», schreibt Richard Rüegg in seiner Interpellation. Das Baugesuch für die Halle wurde Anfang des Jahres eingereicht.

Die Vergabe der Dreifachturnhalle sei aber ein Einzelfall gewesen, beschwichtigt Thomas Baggenstos vom Architekturforum Zug. «Das hat die Verwaltung den Vertretern der Planerverbände auch mehrmals zu verstehen gegeben: Man war unter Zeitdruck und es war ausnahmsweise nicht möglich, einen Wettbewerb auszutragen.» Die Antwort der Regierung auf die Interpellation von Richard Rüegg steht noch aus.

Dass junge Architekten andere Ideen hätten, davon ist er überzeugt: «Wir gehen anders vor als die letzte Generation, die ihre Ausbildung in den 70ern gemacht hat. Das merkt man in Städten wie Zürich und Basel schon eher, wo es viele junge Büros gibt.» Zug sei ausgetrocknet, was junge Architekten angehe: «Der Generationenwechsel hat hier noch nicht stattgefunden. Wir versuchen zwar, unsere Kollegen dazu zu bringen, auch hier ihre Büros zu starten», sagt Schiess und lacht, «aber es sind wirklich nicht viele. Das ist schade, es wäre schön, wenn es auch in Zug mehr Austausch zwischen jungen Architekten gäbe.»

Kanton muss Kultur vorleben

Für Baggenstos ist klar: Der Kanton hat auch eine Vorbildfunktion: «Offene Wettbewerbe bringen die Baukultur im ganzen Kanton weiter. Wie die Geschichte zeigt, haben sich die Architektur und der Städtebau oft dann weiterentwickelt, wenn grosse öffentliche Bauprojekte anstanden: Zum Beispiel der Wettbewerb von 1911 für das neue Uni-Hauptgebäude von Karl Moser oder 1927 der Wettbewerb für den Völkerbundpalast in Genf mit dem ausserordentlichen Beitrag von le Corbusier.»

Wenn der Kanton eine offene Wettbewerbskultur vorleben würde, würde das auch auf private Bauherren abfärben. «Viele Städte und Kantone gehen schon in diese Richtung», sagt Baggenstos. Für den Kanton bedeuten offene Wettbewerbe zwar Mehraufwand, der halte sich aber in Grenzen, sagt Baggenstos. «Die Stadt Zug hat gerade einen offenen Wettbewerb beim Schulhaus Riedmatt durchgeführt. Da konnten wir 70 Projekte in zweieinhalb Jurytagen bearbeiten.» Das sei bezahlbar.  

Baudirektor widerspricht

Bei Baudirektor Urs Hürlimann klingt das naturgemäss anders: Es sei nicht so, dass der Kanton nur auf Einladung Bauaufträge vergebe. «Das Gegenteil ist der Fall. Der Kanton führt vielmehr sowohl offene als auch Präqualifikationsverfahren durch.»

«Gleichzeitig muss aber auch erwähnt werden, dass offene Projektwettbewerbe zeitaufwändig und auch mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sind.»

Urs Hürlimann, Baudirektor Kanton Zug

Bei grösseren Bauvorhaben führe der Kanton in der Regel immer einen offenen Projektwettbewerb durch, sagt Hürlimann. Er stellt nicht in Abrede, dass offene Wettbewerbe die Qualität der Bauten steigern würden. «Gleichzeitig muss aber auch erwähnt werden, dass offene Projektwettbewerbe zeitaufwändig und auch mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sind.» Das Wettbewerbsverfahren hänge zudem stark von der jeweiligen Aufgabenstellung ab. Der Kanton entscheide entsprechend der Aufgabenstellung, ob ein offenes Verfahren oder ein Präqualifikationsverfahren durchgeführt werde. «Die Wettbewerbe für den Stadtgarten und das neue Amt für Verbraucherschutz waren zum Beispiel offene Verfahren.»

Und auch bei der Nachwuchsförderung sei Zug gut unterwegs, sagt Hürlimann. «Wird ein Präqualifikationsverfahren durchgeführt, werden immer auch ein bis zwei Nachwuchsbüros berücksichtigt, die weniger hohe Ansprüche an Referenzprojekte erfüllen müssen», sagt Hürlimann. Dabei sei es schon vorgekommen, dass am Schluss ein Nachwuchsbüro den Sieg davontrug, wie etwa im Wettbewerb für die Wirtschafts- und Fachmittelschule an der Hofstrasse. «Die Nachwuchsförderung von jungen Architekten ist für den Kanton schon seit Jahren ein wichtiges Anliegen. Wir betrachten sie übrigens nicht als Sprengkandidaten, sondern sie bereichern mit ihren zum Teil unkonventionellen Ideen die Wettbewerbsergebnisse.»

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