Kanton Zug: Wer hat Angst vor der neuen Stadt?

Jetzt müssen Visionen her

Wasserinseln, Hochhäuser: Wenn man Architekten wie hier die vom Bauforum spielen lässt, kommen schon Ideen raus. Aber wohin will die Regierung steuern? (Bild: zvg)

Die Lorzenebene füllt sich. Aber mit was? Bislang drehen die Zuger Tal-Gemeinden der Lorzenebene den Rücken zu. Da baut man Schlafquartiere. Dabei könnte die Ebene auch etwas ganz anderes werden: das Zentrum einer neuen Stadt.

Die Städte wachsen zusammen. Besonders Baar und Zug, aber auch Cham und Steinhausen, und schlussendlich alle miteinander in der Mitte der Lorzenebene. Gerade war’s noch eine verrückte Vision einiger Architekten (siehe Box).

Mittlerweile allerdings ist alles anders. Denn mit der Debatte ums Unterfeld ist das Thema endgültig Realität geworden. Das Unterfeld hat auf Baarer wie auf Zuger Seite heftige Diskussionen aufgeworfen, und zwar so stark, dass es nun sogar politische Vorstösse dazu gibt, die weit über das Projekt

CVP-Kantonsrat Heini Schmid

CVP-Kantonsrat Heini Schmid

hinausreichen: Heini Schmid hat zusammen mit der CVP-Fraktion eine Motion eingereicht, in der er vom Regierungsrat und den Gemeinden Visionen fordert. Visionen über den Städtebau auf der Ebene zwischen Zug, Baar, Cham, Steinhausen und Risch.

Gift für Investoren

«Wie sollen die Quartiere aussehen, die wir da bauen? Welche Sorte Stadt bauen wir da? Wollen wir Hochhäuser? Oder urbane Blockrandbebauungen mit lebendigen Innenhöfen? Wir können doch nicht erwarten, dass wir diese Fragen von Architekten je nach Projekt beantwortet bekommen», sagt Schmid.
Hier müsse die Regierung vorausschauen und sich eine Vision entwickeln. Das sei die Aufgabe der Behörde. «Für Investoren ist es Gift, wenn sie in einem Trial-and-Error-Prozess immer wieder neue Ideen liefern müssen und der Kanton immer wieder findet: Ja so aber auch nicht.»

«Wenn man sich das Unterfeld etwa ansieht, dann drehen beide Städte, Baar und Zug, diesem Areal ihren Rücken zu.»

Heini Schmid, CVP-Kantonsrat

Es brauche Vorgaben, sagt Schmid, und deshalb brauche es einen Diskurs über die Ebene – einen, der über die jeweilige Parzelle hinausgeht. Denn dass die Städte zusammenwachsen, das ist auch für Schmid unbestritten. Die Frage ist nur, wie. «Wenn man sich das Unterfeld etwa ansieht, dann drehen beide Städte, Baar und Zug, diesem Areal ihren Rücken zu», sagt Schmid.

Diese Visionen gibt es schon

Visionen von der überbauten Lorzenebene standen schon mal im Raum, Inseln, Hochhäuser, Gärten und Hotels am Strand: Klarer Fall, das waren Provokationen. Auf grosse Plakate aufgezogen, überall in Zug aufgehängt, das Bauforum Zug wollte damit im Sommer 2014 den Diskurs über die Entwicklung der Zuger Lorzenebene anwerfen. Thomas Baggenstos vom Bauforum freute sich damals auf Rückmeldungen – und wurde enttäuscht: Die Reaktionen auf die Plakate hielten sich arg in Grenzen, das Thema war wohl noch zu weit weg. Hier geht’s zu den Bildern: zentralplus berichtete.

Beide hätten Angst davor, ihre historischen Kerne zu verlieren oder zu vernachlässigen, wenn ein neues Zentrum als Konkurrenz auftauchen würde. «Diese Haltung ist in unserer Richtplanung latent vorhanden, an allen Ecken und Enden gibt es Regelungen, die sie in die Tat umsetzen.» So bauen alle Gemeinden ihre Schlafquartiere in die Ebene hinaus, statt städtische Kerne zu bauen.

Grosse Fragen ohne Patentlösung

Das könne man auch machen, sagt Schmid, nur müsse man dazu stehen. «Es muss endlich ausgesprochen werden: Wenn man keine Urbanisierung will, dann muss man das auch so sagen.» Der Kanton soll deshalb gemeinsam mit den Gemeinden eine Vision der Lorzenebene erarbeiten. Geht das überhaupt – kann der Kanton zwischen den Gemeinden vermitteln oder ihnen sogar ein Konzept aufzwängen? «Das sind die grossen Fragen, für die niemand eine Patentlösung gefunden hat. Aber der Kanton kann zumindest über die Richtlinien für Bebauungspläne grossen Einfluss auf die Gestaltung der Lorzenebene nehmen.»

«Wenn wir schon hochverdichtete Stadtteile bauen, dann sollen sie auch städtische Qualitäten haben»

Heini Schmid, CVP-Kantonsrat

Ob die Gemeinden sich zu einer Zusammenarbeit überzeugen lassen werden oder ob sie sich vor einem Souveränitätsverlust fürchten, müsse die Zukunft zeigen. Schmid: «Die Architektur des 20. Jahrhunderts hat meiner Meinung nach in der Frage etwas versagt, wenn es darum geht, Städte mit grosser Lebensqualität zu bauen. Jetzt langsam findet da ein Umdenken statt. Es gibt gute Beispiele für gelungene Neubauten städtischer Quartiere, etwa in Zürich, im Richti-Areal.»

Wenn schon, denn schon

Müsste man nicht ehrlicherweise auch über eine Fusion nachdenken? Immerhin: Eine Stadt wie Zürich kann über ihren urbanen Raum selber bestimmen – im zerteilten urbanen Raum in Zug kommen alle paar Kilometer Gemeindegrenzen. «Ich denke nicht, dass eine Fusion an der Ausgangslage etwas ändern würde», sagt Schmid. «Ob es jetzt eine einzige Instanz ist, die sich Gedanken machen muss, oder ob da verschiedene Gemeinden miteinander klarkommen müssen: Der Diskurs muss so oder so geführt werden. Und wenn es nach mir geht, dann muss er auch mit der Bevölkerung geführt werden.»

Was ihm vorschwebt? Städtische Quartiere, die alle Vorteile einer Stadt aufweisen. Kurze Wege, viele Angebote, Schulen, Restaurants, Geschäfte. «Mein Traum ist: Wenn wir schon hochverdichtete Stadtteile bauen, dann sollen sie auch städtische Qualitäten haben», sagt Schmid. «Denn natürlich wohnen alle lieber in Quartieren wie in der Zuger Gartenstadt, aber das ist nicht die Alternative. Wir müssen an gewissen Orten verdichten. Und da müssen wir dafür sorgen, dass diese Orte Lebensqualität aufweisen.»

Das sagt Baudirektor Urs Hürlimann zur Motion

Der Regierungsrat wird die Motion nun prüfen. Inhaltlich könne er dazu zwar noch nichts sagen, sagt Baudirektor Urs Hürlimann. Aber das seien Fragen, um die sich der Kanton in Zukunft kümmern müsse. «Man sieht ja, was an Bevölkerungswachstum auf den Kanton Zug zukommt. Wir müssen diese Herausforderung angehen, und das bedeutet, wir müssen verdichten.» Der Regierungsrat sei gerade an der Erarbeitung der nächsten Richtplanrevision, und im Zuge derer müssten die Fragen geklärt werden, die die Motion aufwerfe. «Das sind wichtige Fragen», sagt Hürlimann.

Baudirektor Urs Hürlimann

Baudirektor Urs Hürlimann

Dass die Gemeinden die Lorzenebene in Zusammenarbeit gestalten können, sei nur ein Aspekt. «Wir sind gerade am Projekt Raumordnungskonzept ROK, bei dem wir zusammen mit der Bevölkerung in intensiven Workshops Trends für die Zukunft des Kantons erarbeitet haben. Die Ergebnisse dieser Workshops werden wir bald im Regierungsrat behandeln können.»

Dass es Verdichtung geben müsse, sei klar: «Die Baulinien werden nicht angetastet werden, sie sind im Kanton Zug sakrosankt. Deshalb muss verdichtet werden.» Wie das geschehen könne, sehe man am Beispiel Unterfeld. «Auf der politischen Ebene ist dieser Gedanke schon angekommen, nur bei der Bevölkerung noch nicht: Für die meisten Leute bedeutet Verdichtung in erster Linie Hochhäuser, und das ist schlicht nicht die einzige Alternative.» Der Baudirektor sei deshalb daran, eine Informationskampagne zur Verdichtung ins Auge zu fassen. «Damit die Leute wissen, was gemeint ist, und mitdiskutieren können.»

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Daniel Wachter
    Daniel Wachter, 27.05.2016, 16:03 Uhr

    Der Artikel ist sehr gut geschrieben, die Argumente überzeugend. Nur gibt es leider Beispiele gegen die Stabübernahme des Kantons: Die Urmibergachse in Ingenbohl und Seewen. Seit der Kanton das Zepter übernommen hatte, passiert nichts mehr. Obwohl in Brunnen alles bereit wäre, passiert nichts, weil für den Kanton wichtiger ist, wie es mit dem Zeughausareal in Seewen weitergeht. So wird alles blockiert, was sicher nicht der Fall wäre, wenn jede Gemeinde für sich schauen könnte.
    An gewisse Kommentarschreiber hier: Verdichten heisst nicht, mehr Land zuzubauen, sondern bestehendes besser auszunützen. Und mehr Wohnraum benötigt man, egal ob man will, oder nicht. Es ist so und das muss man akzeptieren. Stur dagegen sein, nützt niemandem etwas!

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  • Profilfoto von fk hkk architekten.ch
    fk hkk architekten.ch, 26.05.2016, 16:46 Uhr

    Gratuliere zum ausgezeichneten Artikel.Heini Schmid stellt die richtigen Fragen. Der Kanton muss die gemeindeübergreifenden Planungsfragen koordinieren.Die Gemeindeautonomie stößt an ihre Grenzen.

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  • Profilfoto von Beat Hotz
    Beat Hotz, 26.05.2016, 14:31 Uhr

    Niemand braucht neue Visionen. Von denen gab es schon genug. Erinnern Sie sich an die Vision einer freien Lorzenebene, an welcher die Gemeinden Zug, Baar, Cham und Steinhausen gewerkelt haben? Angesichts der kommenden Verdichtungen noch immer die sinnvollste Lösung. Und die Einzige, die allen Teilen der Bevölkerung dienen würde. Wir brauchen nicht mehr Klötzli, sondern Grünraum…

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