Bürgerliche verhindern Theater-Supergau

«Salle» entkommt dem Todesstoss – muss aber abspecken

Hubert Achermann von der Stiftung Salle Modulable gibt nach der Debatte den Medien Auskunft. (Bild: lwo)

Uff, das war knapp. Die Bürgerlichen schmettern einen Vorstoss der Linken, der womöglich das vorzeitige Aus für den Theaterneubau bewirkt hätte, ab. Jetzt liegt der Ball beim Volk. Klar ist aber: Das Projekt muss redimensioniert werden. Und es braucht dringend einen besseren Dialog.

Das visionäre Projekt eines multifunktionalen Theaterneubaus auf dem Luzerner Inseli kann weiter vorangetrieben werden. Vorerst, zumindest. Das entschied das Luzerner Stadtparlament an seiner Sitzung diesen Donnerstagnachmittag.

Aber schön der Reihe nach.

Mit so viel Spannung wurde schon lange keine Abstimmung im Luzerner Rathaus mehr erwartet. Auslöser der Aufregung war ein Vorstoss der Grünen. Diese verlangten, dass auch der Motorboothafen als Standort für die Salle Modulable vors Volk soll. Nachdem zentralplus einen Brief der Stiftung Salle Modulable an alle Fraktionschefs publik machte, war Feuer im Dach. Denn im Brief machte Stiftungsratspräsident Hubert Achermann unmissverständlich klar: Wenn das Stadtparlament Ja sagt zum Vorstoss der Grünen, bedeute das bereits jetzt das definitive Aus für den geplanten Theaterneubau. «Damit würde die Schenkung des Mäzens Christof Engelhorn – unabhängig vom Standort – hinfällig. Wir würden das zutiefst bedauern», warnte Achermann. Denn der Motorboothafen erfülle die unverhandelbaren Auflagen an den Standort nicht. Zumal der sowieso schon superenge Zeitplan keine weitere Verzögerung erlauben würde (siehe Box).

Volumenstudie der Salle Modulable beim Motorboothafen.

Volumenstudie der Salle Modulable beim Motorboothafen.

(Bild: arup)

In seiner diesen Donnerstagnachmittag veröffentlichten Antwort auf den Vorstoss der Grünen begründet zuerst der Stadtrat, warum er das Postulat ablehnt. Er verweist dabei auf die bekannten Studien, die nur das Inseli als geeignet einstufen. Den Motorboothafen habe nur eine kleine Minderheit der involvierten Fachpersonen als geeignet befunden. «Beim Motorboothafen spricht vor allem die heutige Erschliessungssituation, das bauliche Umfeld sowie die Tatsache gegen einen Theaterneubau, dass der Kiesverlad und somit der sogenannte technische Sporn noch einige Jahre am heutigen Standort verbleiben wird und dessen Nutzung klar definiert und begrenzt.»

Stadt kritisiert Dimension des Projekts

So weit, so bekannt. Spannend wird’s am Schluss der stadträtlichen Antwort. Darin schreibt die Exekutive, dass sie mit den Verantwortlichen der Salle Modulable um ein besseres Projekt feilschen wolle. Geklärt werden soll, «ob und wie eine allgemeine Überarbeitung und insbesondere Redimensionierung des Projekts geeignet ist, das Projekt Neues Theater Luzern mehrheitsfähig zu machen.» Der Stadtrat ist folglich der Meinung, dass das aktuelle Projekt alles andere als perfekt und nicht mehrheitsfähig ist. Und vor allem: zu gross und zu teuer. Speziell das Volumen des Theaterneubaus kritisieren bekanntlich auch die Linken sowie Umweltschutzverbände. Der Stadtrat macht trotz dieser erstmals geäusserten Kritik aber klar, dass es durch diese Überarbeitung nicht zu zeitlichen Verzögerungen kommen dürfe.

Enger Zeitplan

Bereits ab Juni bis September 2016 stehen die nächsten politischen Entscheide an: Zuerst im Stadtrat (Baurechtsvertrag, Projektierungskredit) sowie im Regierungsrat (Planungs- und Projektierungskredit), danach in den Parlamenten von Stadt und Kanton. Am 27. November findet in der Stadt die erste Volksabstimmung statt. Im 3. und 4. Quartal 2018 folgt der politische Prozess mit nachfolgender Volksabstimmung für Baukredit und Anpassung der städtischen Bau- und Zonenordnung. Drei weitere Jahre hat man schliesslich Zeit für die Baubewilligung – bis 31. Dezember 2021.

zentralplus fragte Stadträtin Ursula Stämmer (SP) nach der Debatte, was mit «Redimension» gemeint ist. «Zum einen sind, wie wir bereits gesagt haben, die Betriebskosten zu hoch.» Eine Option wäre nun, das Raumprogramm zu verkleinern, damit auch die Betriebskosten sinken würden. Stämmer wagt sich aber nicht auf die Äste heraus und wird konkreter. «Wir stimmen im Herbst ja erst über den Baurechtsvertrag und den Projektierungskredit ab. Danach haben wir zwei Jahre Zeit, ein konkretes Projekt auszuarbeiten. Während dieser Zeit wird versucht, unser Anliegen umzusetzen.»

Redimensionierung nur beschränkt möglich

Auch Hubert Achermann, Präsident der Stiftung Salle Modulable, will bezüglich Redimensionierung nicht konkreter werden. Er mahnt aber und dämpft zu hohe Erwartungen: «Das ganze Projekt ist sehr komplex. Eine Verkleinerung würde die Vision Salle Modulable tangieren. Dies wissen die Verantwortlichen von Stadt und Kanton.» Wie Stämmer verweist auch Achermann auf den Umstand, dass man derzeit erst in der Vorprojektphase sei. «Erst nach einem allfälligen Ja am 27. November können wir in die Detailplanung gehen und konkretere Aussagen zum Bau machen.»

«Es braucht einen Plan B»

Die Debatte im Parlament über den Vorstoss der Grünen verlief im Grossen und Ganzen sehr engagiert und nur teilweise etwas gehässig. Anbei die Voten der Grossstadträte:

Urban Frye, Grüne

«Wenn man eine Strategie verfolgt, gibt’s einen Punkt, wo man sich einen Plan B zurechtlegen muss. Das ist dann der Fall, wenn die Strategie bedroht ist und ohne Plan B ein unermesslich grosser Schaden weit über das Projekt entstehen würde. Kein Plan B zu haben, ist das bewusste In-Kauf-Nehmen des Scheiterns. Im Projekt Salle Modulable sind wir genau an diesem Punkt angekommen. Das Projekt wird wohl scheitern oder mit Sicherheit scheitern. Den grössten Schaden trägt die Mehrheit der Bevölkerung. Diese möchte selber entscheiden, wo sie das Theater möchte.

«Bei einer Annahme unseres Postulats ist nichts verloren. Bei einer Ablehnung aber ist die Idee eines multifunktionalen Theaters um Jahre in die Ferne gerückt.»

Urban Frye, Grüner Initiant des Postulats

Wir wollen die Salle Modulable nicht verhindern! Wir wollen auch die Abstimmung über das Projekt im November nicht verhindern. Die Bevölkerung soll darüber entscheiden. Wir haben bewusst ein Postulat eingereicht. Das bedeutet: Der Stadtrat hat in eine bestimmte Richtung zu denken. Er kann kreativ sein dabei. Das Postulat könnte ohne Zeitverzögerung umgesetzt werden. Der Stadtrat müsste keinen zweiten Baurechtsvertrag ausarbeiten. Der Stadtrat muss die Umsetzung unseres Postulats aber prüfen und könnte ja nach einer seriösen Suche mitteilen, dass es keine Lösung gibt. Bei einer Annahme ist nichts verloren. Bei einer Ablehnung aber ist die Idee eines multifunktionalen Theaters um Jahre in die Ferne gerückt.»

Simon Roth, SP

«Geht es hier um einen Todesstoss für das Projekt? Nein, es geht um eine zusätzliche Chance. Das Inseli wird absehbar einen schweren Stand haben. Die Drohkulisse der Stiftung ist fehl am Platz. Ständig wird es heissen: Entweder es läuft so, sonst sind die 80 Millionen weg.

«Der grösste Geldgeber ist die öffentliche Hand, nicht der Trust.»

Simon Roth, SP

Aber die 80 Millionen sind nur dann sinnvoll, wenn eine Mehrheit das Projekt gut findet. Der grösste Geldgeber ist die öffentliche Hand, nicht der Trust. Die Salle Modulable auf dem Motorboothafen könnte ein Impulsgeber an diesem Standort sein. Stimmen Sie dem Postulat zu, damit die Bevölkerung eine Möglichkeit hat, über die beiden Standorte zu diskutieren. Sonst werden wir ein konstruktives Referendum gegen den Baurechtsvertrag ergreifen.»

Andràs Özvegi, GLP

«Das Postulat fordert einen zweiten Standort. Die GLP lehnt das ab. Denn viele wichtige Informationen folgen ja erst mit dem Bericht, der nun erarbeitet wird und dann in die Parlamente kommt. Dann sehen wir, was genau alles geplant ist. Wir sind offen und möchten die Diskussion weiterführen. Wir sind auch kritisch eingestellt, gewichten aber die Gefahren des Postulats für das Projekt höher ein als die Chancen.»

Joseph Schärli, SVP

«Die Zeit drängt. Zwar wäre es wünschbar, über beide Standorte abzustimmen. Aber es ist wegen des engen Zeitplans nicht realistisch. Wenn 80 Millionen Franken verlustig gingen, würde uns die ganze Schweiz belächeln. Das können wir uns nicht leisten. Die SVP lehnt das Postulat grossmehrheitlich ab.»

Fabian Reinhard, FDP

«Die Salle Modulable ist ein Geschenk. Das kann man annehmen oder nicht. Man kann aber dem Geschenkgeber nicht in allen Details vorschreiben, wie das Geschenk aussehen soll. Wenn man das Geschenk nicht will, soll man das klar sagen. Man kann sich aber nicht ewig hinter offenen Fragen verstecken.

«Wer für das Postulat stimmt, macht sich zum Totengräber der Salle Modulable.»

Fabian Reinhard, FDP

Zum Inhalt verlangt die SP, das alles so bleibt, wie es ist. Sprengen wir das Luzerner Theater in die Luft! Es muss alles neu werden. Zum Standort gab’s einen klar evaluierten Prozess. Der Entscheid fiel klar fürs Inseli aus. Klar sind noch viele Lösungen für diesen Standort nötig, etwa betreffend der Kritik von Umweltverbänden. Wer heute für das Postulat stimmt, nimmt weitere Verzögerungen in Kauf. Damit macht er sich zum Totengräber für die Vision einer Salle Modulable. Wir müssen jetzt den Mut haben, das Projekt weiter voranzutreiben. Wir wollen dieses Geschenk, wir wollen diese Salle Modulable.»

Albert Schwarzenbach, CVP

«Die Volksabstimmung im November wird zur Zitterpartie. Wenn diese verloren geht, schlummern die 80 Millionen weiter auf einer Karibikinsel. Und wir müssen unser Theater komplett selber finanzieren. Wenn man das Postulat überweist, wird das Projekt weiter verzögert. Das würde den vom Gericht auf den Bermudas definierten Zeitplan sprengen. Irgendwann müsste dann der Stecker gezogen werden. Wir wollen das Projekt weiterführen und deshalb den Bericht abwarten, der aktuell erarbeitet wird. Die CVP schliesst nicht aus, dass wir dem Bericht dann negativ gegenüberstehen. Das lassen wir zum jetzigen Zeitpunkt offen. Mir persönlich fehlen immer noch ein überzeugendes Konzept und eine Person, die der Salle Modulable ein Gesicht gibt.»

Christian Hochstrasser, Grüne

«Mit dem Postulat werden grosse Probleme aufgezeigt. Namhafte Kreise sagen, dass das Projekt nicht mehrheitsfähig ist. Wir müssen den Kurs nun korrigieren, um nicht den Eisberg zu rammen und unterzugehen. Ich bin sehr überzeugt, dass die Salle Modulable für die Stadt wichtig ist. Dazu braucht es ein Ja zum Postulat, so können wir einen konstruktiven Weg einschlagen.»

Peter With, SVP

«Wir hörten in den letzten Jahren immer wieder, dass die Standortsuche viel zu lange gehe. Nun hat man sich gefunden und das Vorgehen geklärt. Der optimale Standort ist gefunden worden. Das Inseli wäre nicht unser idealer Standort gewesen. Aber er ist es gemäss Studien nun mal. Wir müssen das akzeptieren, falls wir die Salle Modulable wollen. Wir müssen nun den Fokus auf die beste Lösung setzen und gemeinsam schauen, dass das bei der Bevölkerung durchkommt.»

Korintha Bärtsch, Grüne

«Das Projekt ist sehr komplex. Eine Totengräberstimmung zu verbreiten, ist falsch. SP und Grüne wollen an einer Umsetzung mithelfen. Sie sehen aber, dass der aktuelle Standort nicht zum Erfolg führen wird. Für uns ist das Ganze bislang höchst undemokratisch. Die Standortanalyse hat die politischen Realitäten und Risiken ausgeblendet, die das Inseli mit sich bringt.»

Theres Vinatzer, SP

«Das Geschenk von Christof Engelhorn wollen wir nicht verschmähen. Die grosse Schwierigkeit ist nun, die Vision von Engelhorn zur Vision der Bevölkerung werden zu lassen. Dafür bräuchte es eine Diskussion. Diese findet jedoch nur in einem abgeschotteten Rahmen statt.»

Mit Volumenstudien prüften die Studien, wie sich der Neubau in die Gegend einfügt – hier am Beispiel Inseli.

Mit Volumenstudien prüften die Studien, wie sich der Neubau in die Gegend einfügt – hier am Beispiel Inseli.

(Bild: Visualisierung PD)

Stadträtin macht Gesprächsangebot

Zum Schluss der Parlamentariervoten nahm auch Stadträtin Ursula Stämmer Stellung: «Wir stecken in einem klassischen Dilemma. Die Spielregeln werden teilweise von aussen gegeben. Nämlich durch den Trust, der die Schenkung verwaltet.» Die Überweisung des Postulats würde diesen Spielregeln aber widersprechen, mahnte Stämmer. Der Stadtrat sei deshalb dagegen. Dann aber machte Stämmer ein offensichtlich dringend nötiges Angebot: «Es gibt noch sehr viele offene Fragen. Ich glaube, es wäre viel besser, wenn wir uns ernsthaft zusammensetzen könnten. Es gibt ja die Von-Wattenwyl-Gespräche des Bundes. So was wäre auch für uns eine gute Lösung.»

Achermann nervt sich

Erpressung, undemokratisches Vorgehen, Drohkulisse: Stiftungspräsident Hubert Achermann machte nach der Debatte keinen Hehl daraus, dass ihn solche während der Debatte geäusserten Vorwürfe stören. «Ja, es nervt mich, wenn ich so was höre. Denn von Erpressung kann keine Rede sein. Erpressung ist etwas Niederträchtiges.» Der Inseli-Standort sei ja nicht von ihnen gefordert worden, sondern von der Expertengruppe von Stadt und Kanton als besten Standort auserkoren. «Wir haben lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass es ohne die Einhaltung dieser zwischen Stiftung und Trust getroffenen und mit Stadt und Kanton abgesprochenen Abmachung keine Schenkung von 80 Millionen gibt.»

Ärger über David Roth

Achermann begrüsste aber die Idee von Stämmer zu einem runden Tisch mit allen Beteiligten ausdrücklich: «Das bringt sicher etwas. Ich stelle fest, dass noch viel Unwissen und Halbwahrheiten zirkulieren. Das möchten wir korrigieren.» Mit Unwissen meint Achermann auch Aussagen wie jene von SP-Kantonalpräsident David Roth. Dieser hat auf Facebook unter anderem gepoltert, dass das Inseli eben nicht der einzige mögliche Standort für den Theaterneubau sei: «Das ist schlicht falsch. Wer die Arup-Studie liest, weiss, dass die Salle auch auf dem Motorboothafen möglich ist. Das ist eine unzulässige Erpressung in einem demokratischen Prozess.» Achermann bestreitet dies vehement. Und verweist auf die Studie von Ernst Basler und Partner: «Die Experten lehnen den Motorboothafen klar ab. Das Gebäude müsste viel zu lang gezogen gebaut werden. Ein effizienter Theaterbetrieb wäre so unmöglich.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinrich Weingartner
    Heinrich Weingartner, 24.05.2016, 11:32 Uhr

    «Beim Motorboothafen spricht vor allem die heutige Erschliessungssituation, das bauliche Umfeld sowie die Tatsache gegen einen Theaterneubau, dass der Kiesverlad und somit der sogenannte technische Sporn noch einige Jahre am heutigen Standort verbleiben wird und dessen Nutzung klar definiert und begrenzt.»

    Eine klar definierte und begrenzte Nutzung könnte doch auch nie vorher gesehene Kreativität freisetzen? Wieso soll Beschränkung und Definierung automatisch ein Argument gegen diesen Standort sein?

    Und dann noch dies: «Ein effizienter Theaterbetrieb wäre so unmöglich.» Effizienter Theaterbetrieb? Bei aller Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung in Ehren – dürfen dort dann auch noch Stücke gezeigt werden, bei denen die Einnahmen nicht Priorität sind?

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