Luzerner Stapi mobilisiert mit neuer Kampagne

«Guet» reicht nicht: Roth setzt jetzt auf seine Erfahrung

Mit neuen Plakaten will Stefan Roth die Wiederwahl doch noch schaffen – hier in seiner Heimat Littau.

(Bild: jwy)

Aus «Dä machts guet» wurde «Erfahren. Erprobt.»: Stefan Roth ist gehörig unter Druck und bangt um seine Wiederwahl als Stadtpräsident und Stadtrat. Nun geht er mit neuer Kampagne in den zweiten Wahlgang. Für ihn heisst es jetzt: mobilisieren um jeden Preis.

Eine böse Zunge fragte vor der Wahl auf Facebook: «Haben der Stapi und die Doggwiler-Metzg den gleichen Werbetexter?» Der Hintergrund: Die berühmte Metzg an der Zürichstrasse wirbt seit Jahren mit einer Wurst, die sagt: «I bi guet.» Auf Plakaten der Kampagne von Stefan Roth sagte eine unbekannte Stimme: «Dä machts guet.» Natürlich haben sie nicht den gleichen Werbetexter – aber die Kampagne von Stefan Roth war Gesprächsstoff. Im Positiven wie im Negativen.

Stefan Roths verpasste Wiederwahl war die Überraschung schlechthin, die einzige der städtischen Wahlen vom 1. Mai. Er wurde vom Volk weder als Stadtrat noch als Stapi bestätigt, er lag fast 2000 Stimmen hinter dem neugewählten Beat Züsli (zentralplus berichtete).

Man kommt nicht umhin, zu fragen: War seine eher biedere, handgestrickte Kampagne mitschuldig am schlechten Abschneiden? Und was muss er in der Kampagne ändern, damit es am 5. Juni doch noch klappt mit seiner Wiederwahl als Stadtrat und Stadtpräsident?

Die Kochschürze wich dem Sakko

Roth hat seine Kampagne für den Endspurt umgekrempelt: Er gibt sich staatsmännischer und weniger handgestrickt. Aus «Dä machts guet» wurde jetzt «Erfahren. Erprobt.» Stapi Roth steht nicht mehr mit Kochschürze am Grill, sondern wirft sich leger sein Sakko über die Schultern.

Dazu kam das CVP-Orange und die Logos der bürgerlichen Parteien zementieren den Schulterschluss. Die alte Kampagne verzichtete noch gänzlich auf Parteilogos und -farben. Zudem zeigt sich jetzt Stefan Roth zusammen mit SVP-Kandidat Peter With.

Neu oben, alt unten: Stefan Roth gibt sich staatsmännischer.

Neu oben, alt unten: Stefan Roth gibt sich staatsmännischer.

(Bild: PD/Website Stefan Roth)

«Das könnte von Nervosität zeugen»

Kurt Bischof ist Kommunikations- und Kampagnenfachmann. Er hatte die «Dä machts guet»-Kampagne entworfen wie auch jene vor vier Jahren («Ein Stadtpräsident für alle»). Bei der neuen, überparteilichen Kampagne war er jedoch nicht mehr beteiligt. Bischof ist immer noch überzeugt von seiner Kampagne für den ersten Wahlgang, fand sie gar nicht bieder. «Die Plakate waren durchdacht, mit einer einfachen Formensprache und einer klaren Aussage.»

«Ich würde nie eine Kampagne mit nichtssagenden Allgemeinplätzen wie ‹kompetent›, ‹erfahren› oder ‹sachlich› konzipieren.»

Kurt Bischof, Kampagnenprofi

Dass man das Erscheinungsbild der Kampagne zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang wechselt, sei unüblich, da ineffizient. Es könne von Nervosität zeugen, so Bischof. «In diesem konkreten Fall ist der Wechsel nachvollziehbar, weil sich die Trägerschaft verändert habe. War es bisher nur das überparteiliche Komitee, so sind es jetzt gezielt und fokussiert die drei bürgerlichen Parteien.»

Das Spezielle zum Ausdruck bringen

Die neue Kampagne kritisieren will Bischof nicht, aber er sagt, dass er persönlich nie im Leben eine Kampagne mit nichtssagenden Allgemeinplätzen wie «kompetent», «erfahren» oder «sachlich» konzipiere. Solche Eigenschaften seien für Kandidaten für Spitzenämter selbstverständlich. Bischof: «Vielmehr sollte es darum gehen, das Spezielle an einem Kandidaten, in einer sympathischen Sprache, zum Ausdruck zu bringen.»

Aber ohnehin dürfe man die Bedeutung von Kampagnen nicht überschätzen, sagt Bischof. «Jeder Wahl- oder Abstimmungserfolg ist von drei gleichlautenden Komponenten abhängig. Erstens die Person selber, zweitens die konkrete politische Konstellation und drittens die Kampagne. Ausschlaggebend seien je etwa ein Drittel dieser drei Komponenten.»

«Ich wollte einen authentischen Wahlkampf betreiben. So auftreten, wie ich bin und wie ich politisiere. Ich bin kein Polteri.»

Stadtpräsident Stefan Roth

Bewusst keinen «grellen Wahlkampf»

Auch Stefan Roth glaubt nicht, dass sein schlechtes Abschneiden im ersten Wahlgang etwas mit der Kampagne zu tun hatte. Stefan Roth: «Man kann nur mutmassen, aber nicht wissen, was welchen Einfluss hatte auf das Wahlergebnis.»

Doch wieso jetzt eine rundum erneuerte Kampagne – kam er zur Einsicht, dass der bisherige Auftritt zu brav war? Stefan Roth: «Ich wollte einen authentischen Wahlkampf betreiben. So auftreten wie ich bin und wie ich politisiere. Ich bin kein Polteri.» Zum Polteri wurde Roth auch jetzt nicht – ganz bewusst: «Als amtierender Stadtpräsident wollte ich darauf verzichten, einen grellen oder polarisierenden Wahlkampf zu führen. Das ist meines Erachtens der Bedeutung dieses Amtes nicht angemessen.»

Dieser Slogan der alten Kampagne ist inzwischen Vergangenheit.

Dieser Slogan der alten Kampagne ist inzwischen Vergangenheit.

(Bild: jwy)

Trotzdem würde Roth auch im Nachhinein nichts ändern an seiner Kampagne für den ersten Wahlgang. «Wir waren vor dem ersten Wahlgang überzeugt, dass wir einen stimmigen Wahlkampf führen. Zu diesem Entscheid stehe ich.» Jetzt habe man lediglich die Kampagne fürs Stadtpräsidium grafisch der Kampagne des bürgerlichen Komitees angeglichen.

Es kommt zum Lagerwahlkampf

Für den Luzerner Politologen Olivier Dolder von Interface Politikstudien ist die überarbeitete Kampagne ein logischer Schritt: Im ersten Wahlkampf habe sich Stefan Roth als überparteilicher Kandidat, ganz ohne Parteilogo, präsentiert. «Es ist sicher nicht falsch, bei Exekutivwahlen die Partei im Hintergrund zu halten», sagt Dolder.

«Die Bedeutung der Plakate wird überschätzt, insbesondere wenn sie kaum politischen Inhalt transportieren.»

Politologe Olivier Dolder

Premiere: Stefan Roth goes Social Media

Stefan Roth war bisher weder auf Facebook noch auf Twitter präsent. Bräuchte Roth eine Social-Media-Strategie? «Ich habe bisher darauf verzichtet, auf Facebook und Twitter präsent zu sein. Es braucht Zeit, diese Kanäle regelmässig zu pflegen», sagt Stefan Roth. Etwas «halbbatzig» zu machen, das liege ihm nicht. «Es wäre unglaubwürdig, wenn ich kurz vor dem zweiten Wahlgang plötzlich ein Social-Media-Profil eröffnen würde», so Roth.

Allerdings hat Roth durchaus einen Pfeil im Köcher, mehr will er nicht verraten: «Wir haben betreffend Social Media etwas überlegt.» Dass Social-Media-Präsenz für die Wahl in den Luzerner Stadtrat (noch) kein Must ist, bewiesen Martin Merki und Adrian Borgula: Beide wurden am 1. Mai auf Anhieb gewählt – ganz ohne Facebook und Twitter.

Jetzt für den zweiten Wahlgang ist Roth der Kandidat der Parteien CVP, FDP und SVP. «Die bürgerliche Allianz hat sich formiert und es kommt zum Lagerwahlkampf.» Links unterstützt die Grünliberale Manuela Jost, rechts die Kandidaten Roth und den SVPler Peter With.

Welche Kampagne nun schöner oder professioneller daherkommt, will Dolder nicht beurteilen. Da sei aber auch gar nicht entscheidend. «Die Bedeutung der Plakate wird überschätzt, insbesondere wenn sie kaum politischen Inhalt transportieren», sagt Dolder.

Roth muss mobilisieren

Was kann denn Stefan Roth in der kurzen Zeit bis zum 5. Juni noch unternehmen, um gewählt zu werden? «Er muss seine Erfahrung herausstreichen, seine politischen Positionen klarmachen und jene Wähler abholen, die ihn vor vier Jahren gewählt hatten», so Dolder.

Vor vier Jahren wählten immerhin über 10’000 Stimmen Roth in den Stadtrat (im ersten Wahlgang) und rund 12’000 schliesslich ins Stadtpräsidium (zweiter Wahlgang). Jetzt, am 1. Mai, holte Roth lediglich 8700 Stimmen für den Stadtrat und sogar nur 8500 fürs Stadtpräsidium. Mobilisieren ist also angesagt für Roth, will er die Wiederwahl doch noch schaffen.

«Der Bisherigenbonus ist sehr wichtig, und wenn Roth gleich viele Stimmen holt wie im ersten Wahlgang, ist er so gut wie gewählt.»

Olivier Dolder

Der Wiederwahl in den Stadtrat kann Roth etwas gelassener entgegenschauen. Dolder wagt eine Prognose: Für den Stadtrat sieht er die Bisherigen im Vorteil, also Stefan Roth und Manuela Jost (GLP) gegenüber Peter With (SVP). «Der Bisherigenbonus ist sehr wichtig, und wenn Roth gleich viele Stimmen holt wie im ersten Wahlgang, ist er so gut wie gewählt», so Dolder.

Stadtpräsidium: Vorteil Roth, aber es wird knapp

Richtig spannend wird der Kampf ums Stadtpräsidium, hier holte Beat Züsli im ersten Wahlgang knapp 200 Stimmen mehr als Roth. «Die Linke ist im Aufwind, da hat sich eine starke Dynamik entwickelt.» Trotzdem: Dolder sieht in der Endausmarchung fürs Stadtpräsidium Stefan Roth leicht im Vorteil: «Es stellt sich die Frage, ob die Linke ihr Potenzial schon ausgeschöpft hat», sagt Dolder, «Stefan Roth kann eher noch die eine oder andere Stimme mobilisieren.»

Besonderes Augenmerk verdienen jene rund 1200 Personen, die sich am 1. Mai zwar an der Wahl für den Stadtrat beteiligten, jedoch keinen Stadtpräsidenten wählten. Lassen sich diese für den zweiten Wahlgang fürs Stadtpräsidium mobilisieren? Und wenn ja, wählen sie links ober bürgerlich? Züsli oder Roth?

«Es könnte äusserst knapp werden», fasst es Olivier Dolder zusammen. «So knapp, dass es fraglich ist, ob eine Aussage zum Ausgang überhaupt noch zulässig ist», sagt er durchaus selbstkritisch.

Hochspannung im zweiten Wahlgang

Drei Kandidaten haben die Wahl in den Luzerner Stadtrat bereits im Trockenen, sie wurden im ersten Wahlgang am 1. Mai gewählt: Martin Merki (bisher, FDP.Die Liberalen), Adrian Borgula (bisher, Grüne) und Beat Züsli (SP). Am 5. Juni findet der zweite Wahlgang für die verbleibenden zwei Sitze statt – es treten nochmals an: Manuela Jost (bisher, GLP), Stefan Roth (bisher, CVP), Peter With (SVP) und Rudolf Schweizer (parteilos). Die Linken sowie die GLP unterstützten Jost, die bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP sind für Roth und With.

Fürs Stadtpräsidium erwartet man ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Beat Züsli und Stefan Roth, im ersten Wahlgang lag Züsli knapp vorne.

Lesen Sie alles zu den städtischen Wahlen in unserem umfangreichen Dossier.

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