Baukommission gegen Überbauung Unterfeld

Schlechte Karten für Zugs 275-Millionen-Projekt

So sieht die geplante Überbauung Unterfeld (eingefärbte Fläche) aus. Das Projekt soll Zug (vorne im Bild) und Baar (hinten) verbinden und einen neuen Stadtteil hervorbringen. (Bild: PD)

Im Gebiet Unterfeld soll ein neuer Stadtteil entstehen. Die Zuger Baukommission äussert nun jedoch fundamentale Kritik am Megaprojekt und lehnt dieses entschieden ab. Die beiden involvierten Gemeinden Zug und Baar fühlen sich darob vor den Kopf gestossen – geben sich aber kämpferisch.

Sechs Hochhäuser mit bis zu 60 Metern Höhe, knapp 700 Wohnungen und Platz für rund 2500 Menschen: Die Ausmasse des Bauprojekts Unterfeld Schleife sind für Zuger Verhältnisse gewaltig. Nichts weniger als ein neuer Stadtteil soll dort entstehen (siehe Box unten). Eine Art Symbiose aus der Stadt Zug und der Gemeinde Baar. Im Zentrum des neuen Quartiers soll überdies ein 1,5 Hektar grosser Park mit Wasserfläche realisiert werden. Ein Manhattan in Kleinformat sozusagen – Central Park inklusive. Geschätzte Kosten: 275 Millionen Franken.

Während die einen bereits jetzt von einem lebhaften und urbanen Quartier träumen und sich auf preisgünstige Wohnungen freuen, tun andere Bedenken kund. Allen voran die Bau- und Planungskommission (BPK) des Stadtzuger Parlaments. In einem 30 Seiten starken Papier empfiehlt diese dem Grossen Gemeinderat, der am Dienstagnachmittag über das Projekt in erster Lesung berät, den Bebauungsplan abzulehnen.

Ein grosser Park soll das Herzstück der Überbauung Unterfeld Schleife bilden – inklusive Wasserfläche.

Ein grosser Park soll das Herzstück der Überbauung Unterfeld Schleife bilden – inklusive Wasserfläche.

(Bild: PD)

Fundamentale Kritik

«Der Bebauungsplan ist das falsche städtebauliche Konzept für diesen Ort», so das übergeordnete Fazit aus dem BPK-Bericht. Selbst die zu erwartenden preisgünstigen Wohnungen vermochten die ganz grundsätzlichen Bedenken einer Mehrheit der Kommission nicht aufzuwiegen. Die Ablehnung mit 3:6 Stimmen fusst grob auf fünf Gründen:

1. Eine Zwischenstadt auf der grünen Wiese

BPK-Präsident Urs Bertschi

BPK-Präsident Urs Bertschi

(Bild: zvg)

«Im Grundsatz handelt es sich um einen technisch gesehen guten und an sich vorbildlich ausgearbeiteten Bebauungsplan», sagt BPK-Präsident Urs Bertschi. «Nach Meinung der BPK ist das Unterfeld dazu allerdings nicht der richtige Ort.» Stossend ist vor allem das Volumen der Bauten, welches bloss im Stadtmodell richtig sichtbar wäre. «Die vorhandenen Visualisierungen kaschieren die Ausmasse des Projekts geschickt», fügt Bertschi an. Sie würden den Eindruck erwecken, dass das Projekt von seinen Dimensionen her ähnlich wie die umliegenden Überbauungen daherkomme. Tatsächlich aber spiele das Unterfeld in punkto Dimensionen in einer völlig anderen Liga.

Das Projekt lässt eine angemessene Rücksichtnahme auf die umliegenden Gebiete vermissen und orientiert sich zu wenig am Kontext der gewachsenen Stadt, meint Bertschi weiter. Das Unterfeld würde so zu einer Zwischenstadt auf der grünen Wiese verkommen.

2. Keine familienfreundliche Siedlung

Gemischte Nutzungen seien an sich gut, die BPK wünsche sich aber kleinräumigere, menschenfreundlichere Strukturen. «Nischen, verschiedene Plätze und Grünräume», präzisiert SP-Gemeinderat Bertschi. Hinzu kommen Bedenken gegenüber einer reinen Hochhaussiedlung, welche für Familien nicht unbedingt wohnenswert sei. «Es wird nur in die Höhe verdichtet. Für die zur Verfügung stehende Fläche fällt der Ausnutzungsgrad folglich schwach aus.»

3. Überdimensionale Ausmasse

Das Stadtmodell zeigt in aller Deutlichkeit auf, welche baulichen Dimensionen mit dem Projekt auf die Städte Zug und Baar zukommen werden. «Eine Überbauung an diesem Ort, auch wenn sie dicht sein soll, muss sich nicht zwangsläufig in einem derart massiven Volumen niederschlagen», sagt Bertschi. «Für eine Mehrheit der BPK ist dies eine zu grosse Kiste.»

4. Kein Leben

Die Erdgeschosse sollen publikumsattraktiv genutzt werden. Bertschi bezweifelt allerdings, dass sich im Unterfeld eine florierende Nachfrage generieren lässt. «Die an sich zu Recht angestrebte Urbanität lässt sich nicht auf der grünen Wiese planen, wenn ein übergeordneter Kontext fehlt.»

Das Konzept wäre besser geeignet für den innerstädtischen Bereich, zum Beispiel das Siemens-Areal. «An einem Ort, an dem alles viel selbstverständlicher ist und wo auch ein hinreichender Publikumsverkehr stattfinden würde. Ein Ort also, der geeignet wäre, die angestrebten EG-Nutzungen auch zum Leben zu erwecken.» Die Beispiele Feldhof und Feldpark zeigen, dass EG-Nutzungen in peripheren Quartieren nicht funktionieren.

5. Grünflächen nicht schaffen, sondern schonen

«Ein Park macht hier wenig Sinn. Er ist überdimensioniert und dürfte nach Meinung der BPK zudem aufgrund der Gebäudekrone stark beschattet werden.» Bertschi plädiert deshalb dafür, Grünflächen nicht in Verdichtungsgebieten zu schaffen, sondern Grünflächen zu schonen.

Visualisierung der geplanten Überbauung. Die Erdgeschosse sollen publikumsattraktiv genutzt werden.

Visualisierung der geplanten Überbauung. Die Erdgeschosse sollen publikumsattraktiv genutzt werden.

(Bild: PD)

Keine Alternativen

Die Ausführungen der BPK stossen seitens der Stadt Zug und der Gemeinde Baar indessen auf wenig Gegenliebe. Andreas Hotz, Gemeindepräsident von Baar (FDP), sagt, er könne den Gesamtbeschluss nicht nachvollziehen: «Wir waren von Beginn weg in den Planungsprozess einbezogen. Eine grundsätzlich ablehnende Haltung konnte dabei zu keiner Zeit wahrgenommen werden. Die stadtzugerische BPK war auch an öffentliche Veranstaltungen eingeladen und hat sich damals nie kritisch oder gar negativ geäussert.» Selbstverständlich, so fügt Hotz an, liegt es jedoch in der Autonomie der Kommission, heute andere Schlüsse zu ziehen.

Der Baarer Gemeindepräsident glaubt indessen nicht, dass das Projekt nun begraben wird. Er steht weiterhin hinter dem Bebauungsplan und geht davon aus, dass auch der Grosse Gemeinderat Zug dies so sehen wird. «Ich persönlich sehe schlicht keine Alternative für eine bessere Überbauungsmöglichkeit des Baufeldes Unterfeld Schleife.»

Ein Subzentrum zweier Gemeinden

Ähnlich tönt es beim Zuger SP-Stadtpräsidenten Dolfi Müller: «Dieses Projekt ist so wichtig, dass es auch auf Zuger Seite dem Volk vorgelegt werden sollte. Da gehe ich mit der BPK einig. Inhaltlich kann ich den Argumenten jedoch nicht folgen.» Wenn es nach Müller geht, dann steht das Projekt entgegen der Meinung der BPK genau an der richtigen Stelle. Denn: «Der Bebauungsplan bildet eine Art Subzentrum an der Nahtstelle zwischen den beiden Gemeinden. Die Bauten im Park bilden einen interessanten Kontrast zu den bereits bestehenden Siedlungen auf Baarer und Zuger Seite. Zudem hat das Stimmvolk beider Gemeinden das Land entlang dem Bahngeleise der Bauzone zugewiesen.»

Es darf mit Spannung erwartet werden, wie das Zuger Parlament dem Grossprojekt gegenübersteht. Am Dienstagnachmittag findet die erste Lesung des Bebauungsplans im GGR statt. Dort wird naturgemäss noch kein Entscheid gefällt. Dolfi Müller betont diesbezüglich jedoch bereits im Vorfeld: «Auf Zuger Seite geht es vor allem um zahlreiche preisgünstige Wohnungen der Korporation. Wer diese verhindern will, braucht schon sehr gute Argumente.»

Das Projekt sieht eine Randbebauung mit 15 Baukörpern vor. Die höchsten Gebäude sollen 60 Meter in die Luft ragen.

Das Projekt sieht eine Randbebauung mit 15 Baukörpern vor. Die höchsten Gebäude sollen 60 Meter in die Luft ragen.

(Bild: PD)

Das Projekt in Kürze

Das rund 5,5 Hektar grosse Areal Unterfeld Schleife liegt zu einem Drittel auf Zuger Stadtgebiet und zu zwei Dritteln auf Baarer Gemeindegebiet. Auf Zuger Seite ist die Korporation Alleineigentümerin, auf Baarer Seite fungieren die Implenia, die Zuger Kantonalbank und die Familie Stocker als Eigentümer. Grundeigentümer, Stadt Zug und die Gemeinde Baar haben das Gebiet gemeinsam beplant.

Mit dem Projekt Unterfeld soll ein nachhaltiges Stadtquartier mit einem ausgewogenen Mix an Wohn-, Arbeits- und Erholungsnutzungen entstehen – inklusive preisgünstigen Wohnungen. Als Zentrum des neuen Quartiers ist ein rund 1,5 Hektar grosser Park mit einer Wasserfläche vorgesehen. Die Erdgeschosse sind für publikumsorientierte Betriebe reserviert. Das Projekt sieht eine Randbebauung mit 15 Baukörpern vor. Punktuell werden sechs Hochhäuser von 34 bis 60 Metern gesetzt, wobei das höchste Gebäude bei der Stadtbahnhaltestelle zu liegen kommen soll.

Das Planungsgebiet in Zug liegt in der fünfgeschossigen Wohn- und Arbeitszone WA5. Es ist mit der Nordstrasse und der Stadtbahnhaltestelle Lindenpark erschlossen. Durch das Planungsgebiet verläuft der Stampfibach, der im Falle einer Überbauung an den Bebauungsrand verlegt werden müsste.

Gebietsplanung Unterfeld, Dachaufsicht (HHF Architekten)

Gebietsplanung Unterfeld, Dachaufsicht (HHF Architekten)

(Bild: zvg)

Gebietsplanung Unterfeld, Modell (HHF Architekten)

Gebietsplanung Unterfeld, Modell (HHF Architekten)

(Bild: zvg)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Arthur Huber
    Arthur Huber, 10.05.2016, 21:22 Uhr

    Nachdem auf Baarer Seite mehrheitlich positiv auf das Projekt reagiert wurde, äussert sich nun die Zuger Baukommission mit ihrer Empfehlung an den grossen Gemeinderat recht negativ über das «Megaprojekt» und spart nicht mit Kritik. Nun häufen sich in der Presse vornehmlich negative Stimmen zum Projekt. Dabei gibt es dazu wenig Alternativen:
    1) Verursacht durch den Bevölkerungsdruck planlose Zersiedeln der Landschaft.
    2) Steuern so erhöhen, dass Zug auch für die Wirtschaft unattraktiv wird und der Bevölkerungsdruck abnimmt.

    Beides wollen wahrscheinlich die wenigsten von uns. Also bleibt nur die Variante Verdichten, was das Projekt meiner Ansicht in vorbildlicher Art macht. Zu den Kritikpunkten, wie sie im Artikel aufgelistet sind, meine Einschätzung:
    1. Eine Zwischenstadt auf der grünen Wiese.
    Wo bleibt da die grüne Wiese? Benachbarte Gebiete entlang der Bahnlinie sind schon längst überbaut: Feldhof, Feldpark, Eschenring (ehemals Kistenfabrik) und Lindenpark. Aus Baarer Sicht kann die Überbauung allenfalls als Satelittenstadt bezeichnet werden, nicht aber aus Zuger. Die Stadt Zug beschränkt sich nicht auf die Altstadt und auch nicht auf die Neustadt. Sie hat sich schon längst mit grossformatigen Gebäuden Richtung Norden und Westen (Herti) ausgedehnt. Die Überbauung Unterfeld ist nur die logische Fortsetzung und Ausdehnung über die politische Stadtgrenze hinaus.. Die Grössenordnung der Bauten hebt sich nicht wesentlich von den benachbarten Grossüberbauung Feldhof und Feldpark ab.

    2. Keine familienfreundliche Siedlung
    Durch die Blockrandbebauung werden Freiräume geschaffen. Ich gehe davon aus, dass auch Schulen und Kindergärten Platz haben werden. Verdichtung erfordert Kompromisse. Sind Einfamilienhaussiedlungen familienfreundlicher?

    3. Überdimensionale Ausmasse
    Ich sehe bezüglich Gebäudeformate keine wesentlichen Unterschiede zu den benachbarten Überbauungen. Verdichtung einerseits und die Erhaltung von Freiräumen anderseits bedingt grössere und höhere Bauten.

    4. Kein Leben
    Dass die Belebung mit publikumswirksamen Geschäften schwierig ist, zeigen die Überbauungen Feldhof und Feldpark. Es ist schwierig, dies zu planen, doch müssen die Möglichkeiten für eine EG-Nutzung geschaffen werden. Warum soll die Belebung auf dem Siemens-Areal besser funktionieren? Wichtig ist, dass neben Wohnraum auch Arbeitsplätze geschaffen werden.

    5. Grünflächen nicht schaffen, sondern schonen
    Durch die Verdichtung und Blockrandbebauung werden Grünflächen geschont. Würde eine konzeptlose und wenig verdichtete Zersiedlung weniger Grünfläche beanspruchen? Grünflächen nicht in Verdichtungsgebieten zu schaffen, bedeutet noch mehr zu verdichten. Wie familienfreundlich wird so eine Überbauung?

    Sicher kann da und dort noch Kosmetik betrieben werden, doch zum Grundkonzept gibt es keine vernünftige Alternative.

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