Lustenberger auf Amerika-Tournee

«Das ist keine Brainwash-Veranstaltung»

Andreas Lustenberger beim Treffen mit der lokalen NGO Refuge Coffee Co. und dem Bürgermeister von Clarkston, Georgia. (Bild: zvg)

Der alternative Zuger Kantonsrat Andreas Lustenberger reist derzeit durch die USA. Nicht zum Plausch, sondern auf Einladung des amerikanischen State Departments. Konkret geht es um einen dreiwöchigen Austausch zum Thema Integration. Im Interview erklärt der Zuger, wie die US-Amerikaner die Not zur Tugend machen, wo sich die Schweiz eine Scheibe abschneiden könnte und was er mit nach Hause nehmen wird.

Im Januar wurde der alternative Zuger Kantonsrat Andreas Lustenberger von der amerikanischen Botschaft kontaktiert. Nun reist er, auf deren Einladung hin, während drei Wochen durch verschiedene amerikanische Städte, um sich mit dortigen Organisationen und Politikern zum Thema Integration auszutauschen. zentralplus verabredete sich mit Lustenberger zum Skype-Interview, um Zwischenbilanz zu ziehen.

zentralplus: Andreas Lustenberger, seit dem 2. April tingeln Sie durch die USA, bereisen verschiedene Städte und befassen sich mit der dortigen Asylsituation. Wie kam’s dazu?

Andreas Lustenberger: Das amerikanische Aussenministerium organisiert jährlich Austauschreisen zu unterschiedlichen Themen. Dazu werden jeweils zirka 2000 Leute eingeladen, die für das Land interessant sein könnten. Zum Thema «Refugee Resettlement and Integration» wurden aktuell acht Europäer eingeladen, die drei Wochen durch die Staaten touren und sich mit Organisationen und Politikern austauschen.

zentralplus: Und wie kam die US-Regierung gerade auf Sie?

Lustenberger: Ich war Ende letzten Jahres auf der griechischen Insel Lesbos während zwei Wochen im Hilfseinsatz. Darüber schrieb ich verschiedene Blogeinträge (zentralplus berichtete). Daraufhin folgte ein Interview auf Radio SRF, aufgrund dessen die amerikanische Botschaft offenbar auf mich aufmerksam wurde.

zentralplus: Was bezwecken die US-Amerikaner damit, Sie auf diese Reise einzuladen?

Lustenberger: Ihr Ziel ist es, weltweite Netzwerke zu spannen, diese zu verknüpfen und zu vergrössern. Es geht ihnen darum, mittels der Treffen herauszufinden, wie die Haltung der Teilnehmer gegenüber den besprochenen Themen ist. Das soll den USA letztendlich auch helfen, ihre aussenpolitischen Ziele auszurichten.

«Ich bin froh, dass man uns auf dieser Reise nicht einfach das Blaue vom Himmel erzählt.»

zentralplus: Sie wurden von der Regierung eingeladen. Da liegt die Vermutung nah, dass da vieles beschönigt wird, was in den USA passiert. Wie nehmen Sie das wahr?

Lustenberger: Was grundsätzlich ausgeblendet wird, sind die Gründe für die Migrationswelle. Dass etwa die Interventionen der USA in den kriegsbetroffenen Ländern dafür sorgen, dass mehr Menschen aus diesen Ländern migrieren müssen, scheint kaum hinterfragt zu werden.

Ich bin jedoch froh, dass man uns auf dieser Reise nicht einfach das Blaue vom Himmel erzählt. Das ist keine Brainwash-Veranstaltung und es geht nicht um Selbstverherrlichung. Wir haben hier viel mit Nonprofit-Organisationen zu tun, die direkt mit Flüchtlingen arbeiten und gegenüber dem nationalen Asylwesen, welches in Folge der aktuellen Verhinderungspolitik seit Längerem keine Fortschritte erzielt, sehr kritisch eingestellt sind.

zentralplus: Nun sind Sie bereits seit eineinhalb Wochen in den USA. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Lustenberger: Die Reise war bisher recht interessant. Insbesondere das Thema «Resettlement» interessiert mich. Konkret geht es darum, kriegsbetroffene Flüchtlinge mithilfe der UN Refugee Agency direkt aus ihren Umgebungsländern zu holen. Mit solchen Programmen beginnt sich die Schweiz mehr und mehr zu befassen. Die Flüchtlinge würden damit direkt in die Schweiz geholt, der gefährliche Fluchtweg würde ihnen damit erspart. Dies würde aber eine intensive «Erstbetreuung» in den Nachbarländern der Krisenregionen bedeuten, was zurzeit trotz Aufruf der UNO an die internationale Staatengemeinschaft nicht der Fall ist.

«Die USA entstand ein starkes Netz von kleinen staatlichen und privaten Organisationen, weil der Staat selber kaum Sozialleistungen übernimmt.»

In den USA macht man das bereits seit den Achtzigern, die sind diesbezüglich sehr gut organisiert. Was für die Schweiz zudem interessant ist, ist das intensive Netz von kleinen staatlichen und privaten Organisationen, das stark ausgebaut wurde, weil der Staat selber kaum Sozialleistungen übernimmt. Dabei sollten wir uns nicht an den schlechten Sozialleistungen orientieren, sondern eine ideale Kombination anstreben. Bei uns sind in den letzten Jahren viele kleine lokale Netzwerke entstanden, bei denen zwar viele Leute mitmachen möchten, die jedoch noch nicht ausreichend organisiert oder vernetzt sind. Da können wir von den Amerikanern profitieren.

zentralplus: Wie ist in den USA die Integration organisiert?

Lustenberger: Es gibt neun nationale NGOs, die klare Anforderungen der Bundesregierung erfüllen müssen. Die Flüchtlinge geraten direkt zu einer dieser NGOs und sie bekommen einen sogenannten «Case Worker» zugeteilt. Zudem erhalten sie Integrationskurse, eine Wohnung und Schulungen. Man kann schon sagen: Alles, was bei uns ganz langsam läuft, ist dort ziemlich ausgeprägt organisiert.

Zudem hat die Freiwilligenarbeit, das sogenannte «Volunteering», eine lange Tradition in den USA. Und weil die Politik in den USA derzeit so blockiert ist, müssen sich die Leute selber helfen. Man hat also quasi die Not zur Tugend gemacht.

zentralplus: Sind die Amerikaner also besser darin, Menschen zu integrieren, als die Schweizer?

Lustenberger: Meines Erachtens schon. Was mich etwa positiv beeindruckt hat, ist, wie schnell man in den USA zum «Amerikaner» wird. Damit meine ich nicht nur die kurze Einbürgerungsdauer von fünf Jahren, sondern auch, wie schnell man akzeptiert wird, sobald man arbeitet. Es besteht eine grosse Integrationskultur. Bei uns wird die Frage nach der Herkunft viel stärker gewichtet.

Dass man möglichst bald arbeitet, ist systembedingt. Die staatliche Unterstützung wird nach drei Monaten gekappt. Dann muss man arbeiten, was natürlich nicht immer gelingt. In der Schweiz versucht man, diese Richtung einzuschlagen, indem man etwa kürzere Verfahren anstrebt und ebenso die Aufhebung des Status «Vorläufig aufgenommener Ausländer». Meines Erachtens ist dies eine Chance. Die Schweiz braucht Arbeitskräfte.

«Es wäre mir lieber, wir könnten mehr Zeit mit einer Organisation verbringen.»

zentralplus: Sie waren bisher in drei Städten und reisen heute weiter nach Seattle. Wie sieht Ihr Programm aus?

Lustenberger: Um ehrlich zu sein, wiederholt es sich bereits etwas. Es wäre mir lieber, wir könnten mehr Zeit mit einer Organisation verbringen. Dennoch hatten wir einige sehr interessante Begegnungen. Etwa mit zwei verschiedenen Bürgermeistern und Leuten des State Departments. Wir haben zudem ein staatliches Regierungsgebäude gesehen, NGOs und einen republikanischen Senator getroffen.

Alles ist sehr föderal aufgebaut und gleichzeitig ist die Situation überall etwas verfahren. Die NGOs beklagen etwa, dass sie keine Fortschritte machen können, weil sich der Präsident und der Kongress blockieren.

zentralplus: Und welches sind die Punkte, die Sie als Politiker nach Hause mitnehmen und womöglich auch umsetzen können?

Lustenberger: Sicherlich die Struktur der Freiwilligenarbeit. Ich habe gemerkt, dass wir diesbezüglich auf dem richtigen Weg sind und dass dies eine gute Möglichkeit für Leute ist, um sich zu organisieren und sicher auch, um Hemmungen und Ängste gegenüber den Flüchtlingen abzubauen. Auch bei uns wird gespart, und so bald zeichnet sich da wohl keine Kehrtwende ab. Aus pragmatischer Sicht sind wir auf Freiwillige angewiesen. Und ich glaube, das kann durchaus auch eine Chance sein.

 

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