Das wird eine Herausforderung: Für die Stadtratswahlen müssen sich die Stimmberechtigten mit 27 Listen herumschlagen – 44 Prozent mehr als 2012. Nicht ganz unschuldig daran ist ein alter Bekannter.
Wortwörtlich dicke Post steht an: Am 1. Mai wählt Luzern die Stadtregierung (und Parlament). Zur Wahl erhält man einen Block mit Listen. Darunter finden sich die Wahlvorschläge der Parteien, aber auch weitere «freie» Listen, die jeder und jede einreichen darf. Dieses Jahr den Überblick zu behalten, wird eine Herausforderung. Es stehen nämlich ganze 27 Listen zur Auswahl, bei der letzten Wahl waren es noch 19 (siehe Box).
Drei Listen für ein «Bürgerliches Luzern»
Unter den 27 Wahlvorschlägen tummeln sich auch einige Exoten. Unsere Highlights:
Die Liste «Aktive Senioren Luzern (ASL)» propagiert die Herrschaft der Erfahrenen. Ältestenräte sollen, so erfährt man auf der Homepage, die Gemeinschaft leiten als «Fortsetzung des vorausschauenden, mahnenden und beschützenden Familienoberhauptes.» Zur Wahl in den Luzerner Ältestenrat empfiehlt ihre Liste den bisherigen Sozialdirektor Martin Merki (53, FDP) und den Metallbauer Peter With (43, SVP).
Ob hinter der Liste «Viva Jost – Für Senioren mit Energie und Weitblick» die städtischen Altersheime («Viva AG» ) stecken, war nicht in Erfahrung zu bringen. Von Amtes wegen müssten diese eigentlich Sozialdirektor Merki unterstützen.
Sicher ist, wer die Liste mit dem postmodernen Namen «Parteilose – Schweizer.ch PS» eingereicht hat: Es ist der parteilose Schweizer Rudolf Schweizer, «Carosseriespengler-Werkleiter» aus Malters, neuerdings wohnhaft in Luzern. Schweizer empfiehlt den Luzernern neben Schweizer (sich selber) auch Manuela Jost zur Wahl. Baudirektorin Jost reagierte unbestätigten Berichten zufolge gefasst über die unverhoffte Unterstützung. Wir stellen uns das in etwa so vor:
Und das, obwohl laut Gesetz jeder Stimmberechtigte eigentlich nur eine Liste einreichen dürfte. Steffen hat seine verschiedenen Listen denn auch im Namen verschiedener Mitglieder seines Komitees für eine bürgerliche Mehrheit (dabei sind unter weiteren auch Marcel Lingg, Fraktionschef der SVP und Fabian Reinhard, Präsident der FDP) entworfen. Bei der Stadt eingereicht hat Steffen die drei Listen dann aber persönlich.
Mit seinem Komitee will Steffen – der Name verrät es – eine bürgerliche Mehrheit in der Luzerner Stadtregierung durchsetzen. Auf allen drei Listen schlägt Steffen deshalb die drei Kandidaten Martin Merki (FDP, bisher), Stefan Roth (CVP, bisher) und Peter With (SVP, neu) zur Wahl vor. Die linken Spitzenkandidaten Adrian Borgula (Grüne, bisher) und Beat Züsli (SP, neu) will er nicht unterstützen, dürften aber so oder so gewählt werden.
Und was ist mit der bisherigen GLP-Stadträtin Manuela Jost? Hat die Stadt Luzern mit ihr nicht längst eine bürgerliche Regierungsmehrheit? «Die Grünliberalen sind keine bürgerliche Partei», putzt Steffen den Einwand weg. Steffen hatte sich bereits innerhalb der CVP dafür ausgesprochen, mit einem grossen bürgerlichen Schulterschluss den SVP-Kandidaten With zu unterstützen – erfolglos (zentral+ berichtete: «With wird es schwer haben»).
«Kein Trickli»
Dass er sich nun gleich mit drei Listen für With einsetzt, sei «kein Trickli» so Steffen. Auch wenn alle Merki, Roth und With zur Wahl empfehlen, findet er: «Die Listen sind gar nicht identisch. Die drei unterschiedlichen Listentitel sprechen unterschiedliche Zielgruppen an.»
«Meine langjährige politische Erfahrung sagt mir, dass die Leute sehr heikel sind», sagt Steffen. Es gebe Leute, die eine Liste für ein «Bürgerliches Luzern (BL)» wählen würden, nicht aber eine «Für eine bürgerliche Mehrheit (BM)», glaubt er: «Mental ist das nicht das Gleiche. Das sind wichtige Nuancen.»
Nuancen, für die die Steuerzahler aufkommen müssen: «Mehr Listen kosten auch mehr», sagt Thomas Zumbühl, Leiter Abstimmungen und Wahlen bei der Stadt Luzern. «Wir brauchen mehr Papier, müssen mehr drucken. Und auch das Auszählen der Stimmen am Wahltag wird komplizierter bei mehr Listen.»
Beziffern konnte die Stadt die Mehrkosten nicht. Aber zu einem «schlanken Staat» wird die dreifache Liste kaum beitragen. Listenvater Steffen stört’s nicht: «Die Ausgaben für die drei Listen sind absolut lächerlich im Vergleich zu dem, was die Stadt sonst ausgibt. Die Verwaltung wird immer mehr aufgebläht.»
Politologe zweifelt an Nutzen
Trotz ausgeklügelter Titelwahl glaubt der Luzerner Politologe Olivier Dolder nicht, dass die vielen Listen Anton F. Steffen zum Erfolg verhelfen werden: «Ich wüsste nicht, was es bringen soll, dreimal die gleiche Liste einzureichen. Mehr Listen bringen nicht auch mehr Stimmen.»
Ganz grundsätzlich warnt der Politologe davor, solche «freien» Listen zu überschätzen: «Damit gewinnt man kaum Wahlen. Mag sein, dass es einzelne Personen gibt, die solche freien Listen einwerfen. Aber die meisten Leute nehmen entweder den Blankowahlzettel oder dann die Liste einer Partei. Wenn sie einen Block mit 27 Listen vor sich haben, werden die Leute nicht jene Liste auswählen, von der sie nicht einmal wissen, wer ihnen hier einen Kandidaten vorschlägt.»
Eine Stimme haben die Listen von Steffen jedoch bereits auf sicher: Jene von Anton F. Steffen selber. Aber für welche der drei Listen entscheidet sich der Politfuchs? «Ich werde die Liste ‹Bürgerliches Luzern (BL)› einwerfen.»
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