Nur die fünf Bisherigen wollen Gemeinderat sein

Sensation in Emmen: Keiner traut anzugreifen

Freude im «Schoggiturm», der Emmer Verwaltung: Die Gemeinderäte Susanne Truttmann (von oben links), Thomas Lehmann, Urs Dickerhof, Josef Schmidli und Rolf Born können mit ihrer Wiederwahl rechnen. (Bild: z+)

Gab’s das schon jemals? Entweder machen die Emmer Gemeinderäte ihre Arbeit so gut, oder keiner will sich das Amt antun. Auf alle Fälle treten zu den Wahlen vom 1. Mai nur die fünf Bisherigen wieder an. Zum Vergleich: Vor vier Jahren stürzten sich gleich zwölf Kandidaten in die Schlacht. Doch ganz gelaufen ist die Sache noch nicht. Und einer der fünf wird wohl vorzeitig zurücktreten.

Der diesjährige Emmer Wahlkampf um den Gemeinderat dürfte einer der gemütlichsten und friedlichsten in der Geschichte der mit 30’000 Einwohnern zweitgrössten Luzerner Gemeinde werden. Und einer der aussergewöhnlichsten.

Aktuell ist der Emmer Gemeinderat seit vier Jahren wie folgt bestückt: Rolf Born (FDP) als Gemeindepräsident, Urs Dickerhof (SVP) als Herrscher über die Finanzen, Susanne Truttmann (SP) als Bildungsdirektorin, Josef Schmidli (CVP) als Baudirektor sowie Thomas Lehmann (FDP) als Sozialdirektor.

«Ich bin seit 25 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.»

Emmer Gemeindeschreiber Patrick Vogel

An dieser Zusammenstellung ändert sich zu 99 Prozent auch nach den Wahlen vom 1. Mai nichts. Warum man das jetzt schon sagen kann? Kein einziger Neuling traut sich, die fünf erneut antretenden bisherigen Emmer Gemeinderäte anzugreifen. Dies teilte die Gemeinde heute Montagnachmittag mit. Das ist sehr ungewöhnlich. 2012 etwa stürzte sich ein ganzes Dutzend Kandidaten in den Wahlkampf. Von Parteilosen wie Vital Burger, von Jusos wie Francesco Saturino über Grüne wie Andreas Kappeler – alles war am Start (siehe Box). Selbst ums Amt des Gemeindepräsidenten Rolf Born wird es dieses Jahr keinen Kampf geben, niemand will ihm den Posten streitig machen.

Der alte und wohl auch neue Emmer Gemeinderat: Josef Schmidli (von links), Thomas Lehmann, Susanne Truttmann, Rolf Born und Urs Dickerhof.

Der alte und wohl auch neue Emmer Gemeinderat: Josef Schmidli (von links), Thomas Lehmann, Susanne Truttmann, Rolf Born und Urs Dickerhof.

(Bild: zVg)

Eine Wahl gibt’s trotzdem

Gemeindeschreiber Patrick Vogel kennt die Gemeinde wie seine Westentasche. «Ich bin seit 25 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.» Gründe dafür könnten laut Vogel sein, dass «der Gemeinderat gute Arbeit leistet und dass alle fünf Bisherigen wieder antreten».

2012: Beinahe-Schlappe für Dickerhof

An den Emmer Gemeinderatswahlen 2012 gab’s eine Vakanz. Gemeindepräsident Thomas Willi (CVP) hatte die verlorene Fusionsabstimmung derart zermürbt, dass er den Bettel hinschmiss. Den Sprung in die Exektutive geschafft hat Thomas Lehmann. Er holte als Neuling direkt hinter Rolf Born sogar die meisten Stimmen. Dickerhof machte mit 1946 Stimmen klar das schlechsteste Resultat, rund 400 Stimmen lag er hinter dem zweitletzten Schmidli. Und nur etwa 250 Stimmen weniger als Dickerhof machte der CVP-Herausforderer Christoph Odermatt. Zwar erzielte nur Born das absolute Mehr. Weil sich die anderen Kandidaten aber zurückzogen, gab es anstelle eines zweiten Wahlgangs eine stille Wahl und Lehmann, Truttmann, Schmidli und Dickerhof waren wiedergewählt.

Interessant: Eine Wahl wird es aber trotzdem geben. Denn es könnte ja sein, dass nicht alle fünf Bisherigen im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreichen. «Dann müssten sie in den zweiten Wahlgang, und dann könnten sich doch noch neue Kandidaten melden», erklärt Vogel. Falls es keinen zweiten Wahlgang geben würde, wie 2012, könnte die Gemeinde rund 10’000 bis 15’000 Franken sparen. Alle fünf Gemeinderäte arbeiten übrigens in einem 80-Prozent-Pensum. Und: Das Departement wechseln will nach dem 1. Mai vermutlich niemand.

Die Grünen scheuen den Aufwand

Nicht im Gemeinderat vertreten sind die Emmer Grünen. Warum die Partei für die Wahl am 1. Mai keinen Kandidaten ins Rennen schickt, begründet Präsidentin Monique Frey wie folgt: «Dass alle fünf Bisherigen erneut antreten, kommt sehr selten vor. Zwar wünschen wir uns durchaus eine andere Politik in Emmen. Aber weil die Bisherigen keine groben Fehler gemacht haben, dürfte eine grüne Kandidatur aussichtslos sein. Das ist eine Frage von Aufwand und Ertrag. Wir wollen keine Leute verheizen.» Das ist gut nachvollziehbar. So hat 2012 der grüne Einwohnerrat Andreas Kappeler nicht einmal halb so viele Stimmen geholt wie der letztplatzierte gewählte Gemeinderat Urs Dickerhof. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Laut Frey werden die Grünen wieder für den Gemeinderat kandidieren, wenn es die nächste Vakanz im Gemeinderat gibt.

Das sagen die quasi bereits wiedergewählten Gemeinderäte zur überraschenden Ausgangslage:

Born: «Ich poltere nicht»

Rolf Born (53) ist seit 2004 Emmer Gemeinderat. Bis 2012 war er dort Sozialvorsteher. Dann wurde er klar als Nachfolger des abtretenden Thomas Willi (CVP) als Gemeindepräsident gewählt. Seither ist Born im Gemeinderat zuständig für Sicherheit und Sport. Früher wurde Born vorgeworfen, zu viele Ämter auszuüben. Aber: Seine Anwaltstätigkeit hat er Ende 2012 beendet, auch Fraktionschef der kantonalen FDP ist der Kantonsrat nicht mehr.

Auch Born ist überrascht von der Mini-Kandidatenliste für den Emmer Gemeinderat: «Ich wohne seit 1990 hier, an einen Wahlgang nur mit allen Bisherigen kann ich mich nicht erinnern.» Gründe dafür könnten laut Born sein: Alle fünf Bisherigen treten wieder an, und Bisherige werden kaum je abgewählt. «Das kann andere Kandidaten von einem Angriff abhalten. Ein neuer Kandidat müsste wohl auch präzise darlegen können, weshalb ein bisheriges Gemeinderatsmitglied nicht mehr zu wählen ist.» Zudem hat der Gemeinderat, glaubt Born, in den Augen vieler Bürger in den letzten vier Jahren gute Arbeit geleistet, und das werde nun von den Parteien anerkannt.

«Dass auch mein Amt als Gemeindepräsident nicht angegriffen wird, ist wohl auch eine Bestätigung meiner Arbeit. Vielmehr aber ist es auch eine Bestätigung des Gesamtgemeinderates. Schliesslich vertreten wir uns ja auch oft.» Zudem mache sich ein Gemeindepräsident nur angreifbar, wenn er poltere oder unflätig sei – «das trifft auf mich nicht zu».

Truttmann: «Miteinander statt gegeneinander»

Bildungsdirektorin Susanne Truttmann (57) ist seit 1. September 2005 in Amt und Würden. Interessantes Detail: Seit 185 Jahren gibt es den Emmer Gemeinderat, seit 45 Jahren gilt das Frauenstimmrecht. Und noch immer ist Truttmann die einzige Frau, die je in der Emmer Exekutive sass.

Truttmann zur neuen aussergewöhnlichen Ausgangslage: «Ich dachte bis heute Montagmorgen, dass es doch noch irgendeine Überraschung geben und jemand Weiteres kandidieren wird.» Dass es nun anders gekommen ist, sei kein Grund, übermütig zu werden. «Aber natürlich freue ich mich extrem. Nun besteht eine sehr gute Chance, dass wir am 1. Mai als bisheriges Team bestätigt werden.» Truttmann ordnet die Gründe für die historische Mini-Wahl in der guten Arbeit des Gemeinderates, dass dieser als Team auftrete und eine gemeinsame Sprache spreche. «Es wird respektvoll miteinander und nicht gegeneinander gearbeitet. Unsere Stimmbevölkerung hat offenbar das Gefühl, dass es keine dringenden Änderungen braucht.»

Lehmann: «Werte das als gutes Zeichen»

Ex-FDP-Einwohnerrat Thomas Lehmann (54) wurde 2012 als einziger Neuling mit einem Glanzresultat in den Gemeinderat gewählt. Der stets sehr gewandte und umgängliche ehemalige LUKB-Kadermann sagt nun: «Mich freut diese Ausgangslage. Denn sie bedeutet, dass die Bevölkerung zufrieden ist mit der Arbeit des Gemeinderates. Ich werte das als sehr gutes Zeichen.»

Natürlich werde der Wahlkampf dadurch etwas lockerer. «Aber die Bevölkerung muss trotzdem wissen, wer zur Wiederwahl steht. Deshalb werden wir uns durchaus präsentieren. Der Vorteil an dieser Ausgangslage ist, dass wir unsere Kräfte auf die Einwohnerratswahl konzentrieren können.» Seinen eigenen Anteil an der Zufriedenheit mit dem Gemeinderat umschreibt Lehmann wie folgt: «Ich habe 2012 ein Versprechen gemacht: Ich will alles dazu beitragen, dass der Gemeinderat nach aussen als Einheit wahrgenommen wird. Mit meiner Art ist mir das gelungen.» Selbstverständlich werde im Gemeinderat manchmal heftig diskutiert. Wichtig sei aber, dass das Gremium immer gute Lösungen für die Gemeinde finde. 

Wer als Nächstes aus dem Gemeinderat zurücktreten könnte, wisse er nicht. Was Lehmann aber weiss: «Mein Ziel sind drei Legislaturen. Ich habe in meinem Departement einiges bewirken können. Vieles wurde begonnen und muss noch zu einem Abschluss geführt werden. Dies möchte ich gerne erledigen. Daher drängt sich für mich kein Departementswechsel auf.»

Dickerhof: «Wahl ist noch nicht gegessen»

«Es sieht zwar auf den ersten Blick so aus, aber die Wahl ist noch nicht gegessen», mahnt SVP-Finanzdirektor Urs Dickerhof (63), der auch als Kantonsrat in der Politik mitmischt. «Ohne das absolute Mehr kann im zweiten Wahlgang noch einiges passieren.» So sei es immer noch möglich, dass andere Parteien einen Kandidaten in die Wahl einbringen würden. Dieses Schicksal könnte am ehesten ihm selber blühen, wenn man die Resultate von 2012 vergleicht.

Dickerhof, der nebenbei noch als Unternehmer in einem halben Dutzend Verwaltungsräten wirkt und ein eigenes Bildungszentrum für Massage- und Kosmetik leitet, vermutet: «Der jetzige Gemeinderat ist gut aufgestellt und widerspiegelt auch die Parteienlandschaft im Einwohnerrat.» Ausserdem handle es sich dieses Jahr nicht um eine Richtungswahl, wie dies etwa 2012 in Zusammenhang mit der Fusionsdebatte der Fall gewesen sei. Damals hätten sich sehr viele Kandidaten für einen Sitz im Gemeinderat interessiert. Dickerhof sitzt seit zwölf Jahren im Gemeinderat Emmen und ist des Amtes noch lange nicht müde, wie er betont. «Gerade in einer Gemeinde wie Emmen, die sich so stark im Wandel befindet, wird Politik nie langweilig.»

Schmidli: «Gewählt werden müssen wir trotzdem»

Josef Schmidli ist seit acht Jahren Emmer Baudirektor und hat als solcher jede Menge zu tun. Auch ihn, den 55-Jährigen, hat die Mini-Kandidatenliste überrsacht: «Das ist aussergewöhnlich in Emmen, ich kann mich an keinen ähnlichen Fall erinnern. Offenbar sind die Leute zufrieden mit unserer Arbeit.» Auch, weil der Gemeinderat einige Erfolge vorweisen konnte.

Der Wahlkampf wird mit dieser Ausgangslage sicher um einiges friedlicher als vergangene, ist CVP-Mann Schmidli überzeugt. «Aber gewählt werden müssen wir trotzdem. Das Ziel wäre schon, im ersten Wahlgang das absolute Mehr zu schaffen.» Die Chancen dazu sind arithmetisch grösser als 2012, weil sich die Stimmen nicht auf total zwölf Kandidaten aufsplitten. Schmidli zu seinen Zukunftsplänen: «Ich will sicher nochmals vier Jahre Vollgas geben. Was danach kommt, wird sich zeigen.»

Dickerhof wird Platz frei machen

Damit ist klar: Die nächste Vakanz im Emmer Gemeinderat wird wohl der Rücktritt von Urs Dickerhof. Er wird kaum bis 67 Gemeinderat bleiben. Spätestens in ein, zwei Jahren also dürfte der frei werdende SVP-Sitz im Gemeinderat wieder Heerscharen von Kandidaten in den Wahlkampf locken. Per Schlafwagen in den Gemeinderat gewählt zu werden – das dürfte sich in Emmen nicht so schnell wiederholen.

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