So wird sich Reussbühl West entwickeln

800 neue Wohnungen – und die Shedhalle bleibt

Wie es die Vögel sehen: Shedhalle (dunkles Dach) und dahinter das Gebiet Reussbühl West. (Bild: Kanton Luzern (vif))

Reussbühl – bis anhin ein wenig schmeichelhaftes Einfallstor für Luzern. Doch es wird alles besser: Das westliche Areal bei der prägnanten CKW-Shedhalle wird neu bebaut – Hunderte Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen. Die Testplanung ist abgeschlossen: Die Shedhalle bleibt erhalten und könnte öffentlich genutzt werden.

«Ich lebe an einem Örtchen, das sich aufgegeben hat, das Geschichte nicht kennt und keine will, mit 5000 mehr wäre es eine Stadt, my good, I live in Reussbühl Hill.» (Thomas Hösli: «Reussbühl»)

Der Luzerner Musiker Thomas Hösli hatte diesen ultimativsten aller Agglomerationssongs 1992 geschrieben. Und er passt wieder sehr gut, jetzt, da Reussbühl zwar immer noch keine Stadt ist – aber zumindest Teil davon. Und ebenso Teil dieses kühnen neuen Projekts Stadtzentrum Luzern Nord.

«Wir wollen das Quartier überführen von einem Industriequartier in ein modernes Stadtquartier.»

Stadträtin Manuela Jost

Während am und um den Seetalplatz schon kräftig gebaut wird (zentral+ berichtete), ist man auf der anderen Seite des Flusses noch weniger weit: Das Quartier Reussbühl West mit der prägnanten Shedhalle der CKW soll aber genauso zum zukünftigen Stadtzentrum Luzern Nord gehören wie die Viscosestadt. Und jetzt weiss man, wie es in Reussbühl weitergeht – die Testplanung ist abgeschlossen. «Wir wollen das Quartier überführen von einem Industriequartier in ein modernes Stadtquartier», sagt die Luzerner Baudirektorin Manuela Jost. Und weiter: «Es soll seine Identität behalten.»

Das letzte Zeugnis der Industrialisierung

Identität, das ist vor allem die CKW-Halle mit dem charmant gezackten Dach. Es ist das älteste Gebäude des Gebiets, eine ehemalige Seidenfabrik. «Es ist das letzte Zeugnis der Industrialisierung der Stadt», sagte Ruedi Frischknecht, Projektleiter Stadtentwicklung Luzern. Identitätsstiftend, aber zugleich in einem desolaten Zustand. Und um es vorwegzunehmen: Es «gewann» das einzige Projekt, welches die Shedhalle so stehen lassen will, wie sie ist – Frischknecht wollte nicht von Sieger sprechen, da es kein Wettbewerb, sondern eine Testplanung war.

Vier Teams brachten ihre Vision ein, wie das heute gewerblich-industriell genutzte Gebiet in ein lebendiges Stadtquartier mit Wohnen und Arbeiten verwandelt werden kann. Es sind rund 100’000 Quadratmeter Fläche, auf der einst Dutzende unterschiedlich grosse neue Bauten zu stehen kommen. Die Schlagworte lauten, man kennt es: vielfältige Nutzung, Belebung, soziale Durchmischung, 2000-Watt-Gesellschaft.

Die identitätsstiftende Shedhalle soll bleiben, so will es die Planung.

Die identitätsstiftende Shedhalle soll bleiben, so will es die Planung.

(Bild: Google Maps)

Aus Gewerbe wird mehrheitlich Wohnen

«Es ist keine grüne Wiese, sondern ein bebautes Gebiet, das sich über Jahrhunderte verändert hat – und weiter verändern wird», brachte es Frischknecht auf den Punkt. Das macht es nicht einfach, und man muss subtil eingreifen, etappenweise und wohlüberlegt.

Ziel der Stadt ist, dass aus einem mehrheitlich gewerblich genutzten Gebiet ein Stadtteil mit rund 80 Prozent Wohnfläche wird. Das entspricht rund 800 Wohnungen. Demgegenüber stehen etwa 20 Prozent Arbeitsfläche – das könnten etwa 1000 Arbeitsplätze sein. Diese Zahlen sind alle noch mit Vorsicht zu geniessen.

Ein Projekt aus Zürich überzeugte am meisten. Die Architekten und Stadtplaner Oester Pfenninger in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten von Mavo sehen im Gegensatz zu den anderen drei Projekten vor, die Shedhalle nicht abzureissen. Alle Gebäude sind rund 25 Meter hoch, mit Ausnahme eines 33-Meter-Hochhauses gegenüber des Seetalplatzes. Sozusagen als Kontrapunkt dazu.

Zusammenfassend spricht laut Bericht für dieses Projekt:

  • Es lässt sich etappenweise verwirklichen. Dies ist nötig, weil es viele Eigentümer und somit viele Interessen gibt
  • Die Sockel- und Hochbauten versprechen einen guten Mix
  • Erhaltung der Shedhalle als öffentlicher Ort
  • Gutes Verhältnis von Dichte und Freiräumen
  • Erschliessung der Einstellhallen mit Motorverkehr an den Rändern – im Innern wird das Quartier autofrei

Modell des Projekts von Oester Pfenninger: Die Shedhalle mit dem charakteristischen Dach, links davon das Areal Reussbühl West.

Modell des Projekts von Oester Pfenninger: Die Shedhalle mit dem charakteristischen Dach, links davon das Areal Reussbühl West.

(Bild: jwy)

Es lässt sich erst spekulieren, was dereinst in der Shedhalle sein wird. «Aber es ist wichtig, dass sie als Freiraum erhalten bleibt, als Gegensatz zur grossen Dichte der restlichen Bauten», sagt Frischknecht. Dazu muss man sie aber «ertüchtigen», also fit machen. Attraktiver wird sie ohnehin, denn die jetzt noch dicht befahrene Strasse vor der Halle wird verkehrsberuhigt, darauf sollen nur noch Busse fahren.

Eine Halle so gross wie der Seetalplatz

Ausstellung im Stadtarchiv

Die vier Ergebnisse aus der Testplanung sind als 3D-Modelle im Stadtarchiv Luzern (Ruopigenstrasse 38, Luzern) ausgestellt: Dienstag, 26., bis Donnerstag, 28. Januar, 13.30 bis 17 Uhr (Mittwoch: 13 bis 19 Uhr). Ein Besuch lohnt sich nur schon wegen des herrlichen Ausblicks auf Luzern Nord inklusive Reussbühl.

Den detaillierten Planungsbericht Reussbühl West gibt es auf der Webseite der Stadt Luzern.

Die ausgestellten Gipsmodelle im Stadtarchiv (siehe Box) zeigen schön die Dimension und städtebauliche Bedeutung der Halle – sie ist ähnlich gross wie der Seetalplatz.

Zumindest ausschliessen will Stadträtin Manuela Jost noch nichts – ob es also dereinst ein offener Markt, Kreativarbeitsplätze, eine kulturelle Nutzung sein wird, alles ist noch möglich. «Doch es wird nicht günstig, es ist nicht das Ziel, dass die Stadt das alles finanziert», dämpft Jost die Träume.

Vor 2018 passiert noch nichts

Elf Grundeigentümer teilen sich das Gebiet Reussbühl West, die grössten davon sind die CKW und die BKV Immobilien – sie übernahmen auch die Hauptkosten der rund 500’000 Franken teuren Testplanung (die Stadt rund 10 Prozent).

Es soll besser werden in Reussbühl, diesem wenig charmanten, von Industrie und Verkehr geplagten Vorort. Aber etwas Geduld ist noch nötig: Zuerst braucht es einen neuen Bebauungsplan, der von Stadt und Kanton genehmigt werden muss – voraussichtlich 2017. Ab dann können die Eigentümer erste Baugesuche einreichen. Vor 2018 wird sich noch nichts bewegen.

Sehen Sie in unserer Bildgalerie einen Plan, wie das Gebiet überbaut wird. Und werfen Sie einen Blick in die Ausstellung:

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon