Luzerner Tiefbahnhof im Kantonsrat

SVP fordert «Übungsabbruch» – und scheitert

So soll es im Innern des Tiefbahnhofs aussehen.

(Bild: zvg)

Das Mammutprojekt geht einen Schritt vorwärts. Das Luzerner Parlament nahm am Montag den Planungsbericht zum Tiefbahnhof zustimmend zur Kenntnis. Nur die SVP stellte sich quer und wollte die Lösung «Luzern Nord» bevorzugen. Die anderen Parteien konnten damit jedoch nichts anfangen.

Kürzere Reise- und Umsteigezeiten, ein dichterer Fahrplan und ein besseres ÖV-Angebot: Viele Luzerner wollen den Tiefbahnhof. Doch wie soll der aussehen und vor allem, wie soll er finanziert werden? Um den Antworten auf diese Fragen ein Stück näherzukommen, hat das Luzerner Parlament vor gut einem Jahr einen umfassenden Bericht zum Megaprojekt gefordert.

In diesem Bericht schlägt die Luzerner Regierung einen Durchgangsbahnhof für 2,4 Milliarden Franken vor (mehr zu den verschiedenen Varianten weiter unten). Dieser Vorschlag wurde diesen Montag im Parlament mit 93 zu 18 Stimmen zur Kenntnis genommen – aber vorher von der SVP noch scharf kritisiert. 

«Luzern wird leer ausgehen»

Der Bericht ist als Planungsinstrument zu verstehen. Die SVP forderte dennoch einen kompletten Übungsabbruch, dies obwohl die Partei 2009 den Tiefbahnhof einstimmig gutgeheissen hatte. In der Debatte stellte die SVP die vorgeschlagene «Bestvariante» von Regierungsrat und Experten infrage. Stattdessen sollten der Doppelspurausbau am Rotsee sowie eine Planung einer Direktverbindung von Rotsee zum Bahnhof Emmenbrücke vorangetrieben werden (Variante Luzern Nord). 

«Die Mittel des Bundes werden nicht ausreichen.»

Daniel Keller, SVP

Luzern sagte Ja zum Planungskredit

Das Stimmvolk des Kantons Luzern genehmigte am 29. November 2009 mit 75 Prozent Ja-Anteil einen Kredit von 20 Millionen Franken für die Ausarbeitung eines Vorprojekts zum Tiefbahnhof Luzern. Der Kanton Luzern hat daraufhin die SBB mit der Ausarbeitung dieses Vorprojekts beauftragt.

Die SBB hat den Auftrag zusammen mit verschiedenen Planern in den letzten knapp vier Jahren ausgeführt. Die Ergebnisse sind nun in den vorliegenden Bericht eingeflossen. 

«Die Gründe dafür sind vielfältig», sagte SVP-Kantonsrat Daniel Keller. Erstens hätte die SVP 2009 nur Ja zu einem Projekt gesagt, das lediglich 1,6 Milliarden koste. Zweitens sehe man, dass eine «wirklich umfassende Analyse von anderen Varianten» bis heute nicht erfolgt sei. Drittens würden die Mittel des Bundes in den kommenden 20 Jahren für ein 2,4-Milliarden-Projekt «mit Sicherheit nicht ausreichen» und andere Projekte aus anderen Städten würden so von Bundesbern eher bevorzugt. «Luzern wird leer ausgehen», mahnte Keller. 

Zudem fehle im Bericht eine Strategie, wie man den Tiefbahnhof konkret vorfinanzieren soll. Bei einer Vorfinanzierung der Baukosten gehe der Bericht von 300 bis 400 Millionen Franken aus. «Das ist nicht realistisch», moniert Keller. «Da fehlt der Verwaltung die nötige Bodenhaftung.» Eine solche Vorfinanzierung sei nicht umsetzbar. Weiter drohe mit dem favorisierten Projekt ein Wegfall von 400 Parkplätzen in der Stadt Luzern. 

«Es geht nicht um Parkplätze.»

Robert Küng, Regierungsrat (FDP)

Bericht als politisches Bekenntnis

Baudirektor Robert Küng (FDP) konterte, es gehe hier nicht um Parklplätze, sondern darum, ein politisches Zeichen zu setzen. «Der Inhalt des Berichts und die Zustimmung sind als Signal zu verstehen.» Zudem sei die von der SVP bevorzugte Variante (siehe Luzern Nord) aus heutiger Sicht nicht mehr umsetzbar.  

Der Kantonsrat stand grossmehrheitlich hinter Küng. Kantonsrat und Stadtpräsident Stefan Roth (CVP) sagte, Luzern werde mit einem Durchgangsbahnhof als Wohn- und Arbeitsstandort attraktiver. Er und andere Redner wiesen darauf hin, dass der öffentliche Verkehr in Luzern die Kapazitätsgrenzen erreicht habe.

«Der Kantonsrat muss heute ein klares Mandat zum Lobbying erteilen.»

Samuel Odermatt (GLP)

«Zusätzlicher Verkehr muss über den öffentlichen Verkehr aufgefangen werden», sagte etwa Katharina Meile (Grüne). Der Durchgangsbahnhof sei diesbezüglich ein Befreiungsschlag. Herbert Widmer (FDP) stimmte dieser Einschätzung zu. Das vorliegende Projekt sei aus einer Studie von 34 Varianten hervorgegangen. Nutzniesser des Durchgangsbahnhofes seien nicht einzelne, sondern viele.

Das Parlament beauftragte den Regierungsrat zusätzlich mit 92 zu 16 Stimmen, eine Vorfinanzierung aufzugleisen. Eine Forderung der SP, dazu einen Fonds einzusetzen, lehnte das Parlament aber klar ab.

Einen Vorentscheid zum Durchgangsbahnhof wird das Bundesparlament 2018 fällen. Der Kantonsrat müsse heute ein klares Mandat zum Lobbying erteilen, sagte Samuel Odermatt (GLP) (Sehen Sie hier, wer den Planungsbericht genehmigte und wer ihn ablehnte).

 

Die «beste Variante»: Tunnel ab Ebikon

Die beste Variante ist laut Regierungsrat ein Durchgangsbahnhof mit einem Tunnel ab Ebikon, einem unterirdischen Bahnhof mit vier Gleisen und einem Tunnel unter der Neustadt. Diese Variante wurde bereits im Vorprojekt favorisiert und werde auch vom Bund als genügend relevant betrachtet. 

 

Die Variante D1 sei die beste: Durchgangsbahnhof gemäss Rahmenplan SBB.

Die Variante D1 sei die beste: Durchgangsbahnhof gemäss Rahmenplan SBB.

(Bild: zvg)

Vorschuss kostet bis 360 Millionen

Mit einer Vorfinanzierung könnte der Kanton das Schlüsselprojekt Tiefbahnhof vorantreiben. Der Tiefbahnhof Luzern steht in Konkurrenz zu anderen Ausbauprogrammen des Bundes. Getragen werden die Kosten schlussendlich vom neuen Fonds System Fabi

Voraussichtlich 2018 entscheidet das Schweizer Parlament, ob für die nächsten Ausbauschritte sieben oder zwölf Milliarden Franken zur Verfügung stehen werden. Wären es nur sieben, wolle der Luzerner Regierungsrat den Tiefbahnhof mit einem Vorschlag zur Finanzierung vorantreiben, «um nicht zu viel Zeit zwischen Planung und Bau verstreichen zu lassen», sagte Baudirektor Robert Küng.

Die Fakten zum Bericht

Die Kosten für den Kapitalbedarf würden sich gemäss Planungsbericht zwischen 120 Millionen Franken (bei 1 Prozent Zins) und 360 Millionen Franken (bei 3 Prozent Zins) bewegen. Diese Kosten könnten unter den interessierten Kantonen Luzern, Nidwalden und Obwalden aufgeteilt werden. Für den Luzerner Anteil wäre zudem eine Verteilung zwischen Kanton und Gemeinden anzustreben. 

Für den kompletten Bau sind zwei Schritte nötig. In einer ersten Etappe würden der Dreilindentunnel und der Tiefbahnhof mit Kosten von 1,8 Milliarden Franken realisiert werden. Die Fahrtzeit der Züge aus Richtung Ebikon würde so verkürzt – etwa ein Viertelstundentakt im Fernverkehr zwischen Luzern, Zug und Zürich wäre möglich. Die Bauarbeiten für Tunnel und Tiefbahnhof könnten zwischen 15 und 18 Jahre dauern.

Betrieben würde der Bahnhof demnach vorerst als Kopfbahnhof. Der zweite Ausbauschritt, also ein Durchgang und eine Untertunnelung der Neustadt, wäre erst nach 2030 möglich. Insgesamt würden für diese Lösung laut Planungsbericht 2,4 Milliarden berechnet.

Ein komplett ausgebauter Tiefbahnhof könnte zusätzlich folgende Leistungen erfüllen: Halbstundentakt im Fernverkehr nach Bern und Basel, Viertelstundentakt im Regionalverkehr ins Rontal, ins Seetal, nach Sursee und nach Wolhusen, Halbstundentakt Regionalverkehr nach Küssnacht und Halbstundentakt nach Arth-Goldau (Voralpenexpress und Gotthardzug). 

Sechs Varianten im Vergleich

Im Planungsbericht wurden diese sechs nachfolgend aufgeführten Varianten verglichen. Ziel sind die von der Regierung sowie SBB angestrebten 28 Zugspaare pro Stunde im Personenverkehr. Bei der Variante Kopfbahnhof Luzern und insbesondere bei der Variante Bahnhof Luzern Nord können die von den Initianten angestrebten 28 Zugpaare pro Stunde jedoch nicht angeboten werden.

Links: Die «beste» Variante D1. Rechts: Eine der geprüften Varianten D4 mit Durchgangsbahnhof unterhalb der Altstadt.

Links: Die «beste» Variante D1. Rechts: Eine der geprüften Varianten D4 mit Durchgangsbahnhof unterhalb der Altstadt.

(Bild: zvg)

Beim zweiten Durchgangsbahnhof der Variante Altstadt (hier rechts) könnten die neue Anlagen in gutem Fels und ohne Seequerung errichtet werden. Die Infrastruktur umfasst eine zweigleisige Strecke Ebikon–Tiefbahnhof Altstadt, den Tiefbahnhof Altstadt sowie die Anbindung an die Bestandsstrecke im Raum Reusszopf. Um in standfestem Fels bauen zu können, kommt der Bahnhof unter dem Bramberg zu liegen. Dies führt aber zu langen Umsteigewegen und -zeiten. Der Fussgängertunnel selbst ist ca. 500 m lang. Die Kosten werden auf 2 Milliarden Franken geschätzt (Quelle: Bericht Ernst Basler & Partner).

Durchgangsbahnhof Transit: Hier ist die Grundidee die Verkürzung der Fahrzeiten Richtung Basel/Bern. Durch die direktere Linienführung Richtung Emmenbrücke sind auf der Relation Luzern–Basel/Bern Fahrzeitreduktionen von ca. 2 Minuten möglich. Die zusätzliche Infrastruktur besteht aus einer zweigleisigen Strecke Reusszopf–Tiefbahnhof, dem Tiefbahnhof, der Anbindung an die Bestandsstrecke im Raum Heimbach sowie der Doppelspur Rotsee. Baulich bestehen Herausforderungen bei der Unterquerung der Autobahn (Anhebung des Lehnenviaduktes notwendig), bei der Unterquerung des Seebeckens sowie beim Tiefbahnhof selbst. Die Kosten betragen 2,7 Milliarden Franken.

Durchgangsbahnhof S-Bahn: Die Grundidee dieser Variante besteht in der Anbindung von Kriens und Littau Zentrum an das Eisenbahnnetz. Dies erfolgt mit einer zweigleisigen Strecke Ebikon–Tiefbahnhof–Kriens–Littau. Obwohl für den Tiefbahnhof eine kostengünstigere Lösung mit nur zwei Gleisen gewählt wurde, resultieren für diese Variante, bedingt durch die Seequerung, die schwierigen Baugrundverhältnisse im Abschnitt Luzern–Littau sowie die unterirdischen Haltestellen Kosten in der Höhe von 3,9 Milliarden Franken.

 

Ausbau Rotsee und Zufahrt/Kopfbahnhof: Bei dieser Variante prüfte man unterschiedliche Lösungsansätze. Der am besten beurteilte Ansatz basiert auf zwei neuen Zufahrtsgleisen, die zwischen der Abstellanlage und der Zentralbahn in den Bahnhof eingeführt werden. Zusätzlich sind ein Doppelspurausbau Rotsee sowie Anpassungen beim Weichenkopf und in der Bahnhofshalle vorgesehen. Die Abbildung zeigt eine mögliche Ausgestaltung mit einer neuen Doppelspur Reussbühl–Luzern Bahnhof.

Mit diesen Massnahmen kann die Leistungsfähigkeit gemäss Ernst Basler & Partner gesteigert werden. Aufgrund einer ersten Einschätzung sollten 24 plus/minus 2 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr angeboten werden können. Die Kosten betragen 1,2 Milliarden Franken. 

Luzern Nord mit Spange Reussbühl: Diese Variante umfasst den Ausbau des Bahnhofs Emmenbrücke, die Spange Reussbühl, eine Doppelspur beim Rotsee sowie ein drittes oder viertes Gleis westlich von Ebikon sowie den Ausbau des Bahnhofs Ebikon.

Gegenüber heute könnte das Angebot nach Luzern um 2 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr ergänzt und eine Tangentialverbindung Zug–Ebikon und Emmenbrücke–Seetal im Halbstundentakt angeboten werden. Nach Luzern Zentrum sind bei diesem Ansatz somit 20 Zugpaare pro Stunde beim Personenverkehr möglich. Zieht man die Züge via Spange Reussbühl mit ein, so resultieren 24 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr. Die Kosten für die Infrastrukturmassnahmen betragen 0,9 Milliarden Franken.

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