Grüner verteilt «Flugi» bei Piraten

Missglückter Enterungsversuch

Martin Stuber von der Alternative – die Grünen versuchte vergeblich, die Aufmerksamkeit der Piratenpartei zu erheischen. (Bild: Collage zentral+)

Ihre Vergangenheit holt Jolanda Spiess-Hegglin in der Piratenpartei ein. Am Monatstreffen ihrer Partei staunten die Piratin und ihre neuen Kollegen nicht schlecht, als unvermittelt ein früherer Grüner Kantonsrat auftauchte und Papier verteilte.

Am Januar-Treffen der Piratenpartei im Restaurant Giardino in Zug erschien Ex-Kantonsrat Martin Stuber von der Alternative – die Grünen. Er sagte nicht viel, verteilte ein Flugblatt und ging so schnell wieder, wie er gekommen war.
In seinem Flugblatt nimmt Stuber Stellung zu Vorwürfen, die Jolanda Spiess-Hegglin in einem Artikel von zentral+ gegen ihn erhoben hatte, und zu denen er sich bis heute nicht geäussert hat (zentral+ berichtete).

Spiess-Hegglin bezichtigte Stuber im Artikel von zentral+, der anonyme Verfasser einer satirischen Kolumne in der letzten Ausgabe des Parteiblatts «Bulletin» zu sein (Frontal, Seite 25). In dieser machte sich der Autor auf ihre Kosten über K.o.-Tropfen lustig. Das sei Teil der Vergewaltigungskultur, so Spiess-Hegglin. Sie findet das im linken Lager absolut nicht tolerierbar. Auch Grünen-Präsidentin Barbara Beck hat sich von der Kolumne distanziert und findet die Scherze inakzeptabel.

Martin Stuber schreibt in seinem bei den Piraten verteilten Flugblatt, Spiess-Hegglin sei schon vor dem Erscheinen der Bulletin-Satire aus der Partei ausgetreten. Dies könne er mit zwei E-Mails belegen.

 

Der ehemalige ALG-Kantonsrat Martin Stuber.

Der ehemalige ALG-Kantonsrat Martin Stuber.

(Bild: PD)

Stuber: «Ich hatte noch nie Berührungsängste»

Zu seiner ungewöhnlichen Aktion erklärt der ehemalige ALG-Kantonsrat auf Anfrage, sein Flugblatt sei als Information für die Piraten gedacht gewesen. «Es ist ein öffentlicher Höck. Wir leben in einer Demokratie, da sollte man sich untereinander austauschen können. Ich hatte noch nie Berührungsängste», sagt Stuber zentral+.

«Es ist ein öffentlicher Höck. Ich hatte noch nie Berührungsängste.»

Martin Stuber, ehemaliger ALG-Kantonsrat

Piraten mögen kein Papier

Jolanda Spiess-Hegglin bestätigt den Besuch Stubers am öffentlichen Piraten-Höck im Restaurant Giardino. «Wir waren fünf. Alle hatten einen Laptop vor sich und waren am Arbeiten. Martin Stuber kam ins Restaurant, schaute mich nicht an, verteilte sein Flugi und ging wieder.» Die Piratin und ihre neuen Kollegen waren baff. Nicht nur wegen des Auftritts an sich, sondern  wegen des Kommunikationsmittels. «Hä, was sollen wir denn mit Papier?», sei der Tenor gewesen. Sie finden Papier etwas Altmodisches.

Die Piraten arbeiten mit modernen Mitteln, Social Media, nutzen Facebook und Twitter. So könnten sie im Nu einen Shitstorm organisieren, wenn sie wollten. «Meine neuen Kollegen sind aber ganz vernünftige Leute, die solche Aktionen eher belächeln», sagt Jolanda Spiess-Hegglin. Gemäss der neuen Piratin wurde der Inhalt des Flugblatts gar nicht erst besprochen.

Die neue Piratin Jolanda Spiess-Hegglin.

Die neue Piratin Jolanda Spiess-Hegglin.

(Bild: zvg)

Thöni: «Unsinn»

Pirat Stefan Thöni bestätigt auf Anfrage den ungewöhnlichen Versuch der Enterung ihrer Aufmerksamkeit. «Die Piratenpartei lässt sich jedoch von solchem Unsinn nicht beeindrucken und hat das Flugblatt dem grossen Rundordner zugeführt», sagt er.

«Was sollen wir denn mit Papier?»
Die computeraffinen Zentralschweizer Piraten

Was sagt Jolanda Spiess-Hegglin zu den Aussagen von Stuber zum Grund ihres Parteiaustritts? «Ich bin schon zwei Tage vorher aus der ALG ausgetreten, bevor ich die Kolumne zu Gesicht bekam. Das habe ich auch nie bestritten und gegenüber einem ‹Blick›-Journalisten genau so erklärt.» Der «Blick am Abend» habe die Aussage dann, versehentlich oder nicht, verdreht.

Obwohl sie seit Jahren zu den Abonnentinnen des Bulletins gehöre, habe sie diese Ausgabe mit den K.o.-Scherzen nicht per Post zugestellt bekommen. «Von verschiedenen Seiten wurde ich dann auf die geschmacklose Publikation aufmerksam gemacht, sodass ich es dann online nachgelesen habe», sagt Spiess-Hegglin. «Mein Parteiaustritt erfolgte aus diversen Gründen. Die ewigen Querelen, die von Martin Stuber ausgingen, waren aber der Hauptgrund.»

Stuber hatte nach 25 Jahren genug

Die Ex-Grüne sprach im Artikel von zentral+ ebenfalls von einer «Retourkutsche» Martin Stubers für vergangene politische Rivalitäten. Stuber habe bei den Wahlen 2014 nicht mehr als Kantonsrat antreten wollen, weil sie kandidiert habe. «Er befürchtete ein schlechtes Resultat oder gar eine Abwahl», sagt sie.

Dazu nimmt Stuber in seinem Flugblatt ebenfalls Stellung. Der von «JSH» erwähnte Auswahlprozess für die Kandidaturen zu den Stadtrats-, GGR- und Kantonsratswahlen habe sich von März bis Mitte Mai 2014 abgespielt. Am 1. Juni habe er bekannt gegeben, dass er nach 25 Jahren in zwei Parlamenten nicht mehr kandidieren werde. – Stuber bestreitet also indirekt, dass sein Rücktritt mit Jolanda Spiess-Hegglins Ambitionen etwas zu tun hat.

Stuber und Bossard finanzierten privat Kampagne

Er habe Jolanda Spiess-Hegglin nach deren Nomination als Stadtratskandidatin sogar unterstützt, schreibt Stuber weiter. Unter anderem mit einem blauen Flugblatt, das in alle Haushaltungen (inklusive Oberwil) verteilt worden sei. Zusätzlich zu fünf Plakaten im Weltformat.

Es handelt sich um ein Flugblatt aus dem Stadtzuger Wahlkampf von 2014. Es trägt den Titel «Wollen Sie wirklich 5 bürgerliche Männer (BS14) im Stadtrat? – Vroni Straub, Dolfi Müller und Jolanda Spiess-Hegglin heisst die Alternative.» Die Kampagne hätten er und der ehemalige ALG-Stadtrat Andreas Bossard privat finanziert, Kostenpunkt 7500 Franken. «Das Flugblatt hatte ein spürbares gutes Echo und dürfte zum relativ guten Wahlresultat von JSH einen ansehnlichen Beitrag geleistet haben. «Ist das nun eine Retourkutsche?», fragt Stuber rhetorisch.

Gewählt wurde dann aber nur die empfohlene Vroni Straub-Müller (CSP) als Stadträtin, und SP-Stadtpräsident Dolfi Müller wurde bestätigt.

«Machtspiele» und «Fantasien»

«Es gibt einfach Menschen, denen Machtspiele wichtiger sind als Politik», ist der Kommentar Jolanda Spiess-Hegglins. Darum sei sie nun zur Piratencrew gestossen und hisse dort die Segel mit frischem Wind.

Martin Stuber meint zu den Aussagen seiner ehemaligen Parteikollegin: «Fantasien von Frau Spiess-Hegglin kommentiere ich nicht.»

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Der Prospekt aus den Zuger Stadtratswahlen 2014, den Martin Stuber und Andreas Bossard laut Stuber privat finanziert haben.

Der Prospekt aus den Zuger Stadtratswahlen 2014, den Martin Stuber und Andreas Bossard laut Stuber privat finanziert haben.

(Bild: PD)

 

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