Stefan Gisler beendet seine Polit-Karriere

«Ich habe eine gute Polsterung»

Geht immer noch mit dem Kopf durch die Wand – aber nicht mehr in der Zuger Politik. Stefan Gisler (zweiter von Links) verlässt den Zuger Kantonsrat, dem Rugby bleibt er treu. (Bild: zvg)

Plötzlich war er der linkste im Rat – so hat es Stefan Gisler zumindest erlebt. Dabei sei er gar kein Linker, sagt uns der Zuger ALG-Politiker und Rugby-Spieler. Nach 13 Jahren politischer Arbeit im Kantonsrat ist er nun zurückgetreten, ausgewandert, ausgeklinkt. Mit uns spricht er über seine grössten Erfolge und über die Gerüchte rund um seinen Rücktritt.

Der Zuger Kantonsrat wird links aussen farbloser, wenn er geht. Der Alternative Stefan Gisler hat in den letzten 13 Jahren flammende Reden gehalten, rhetorische Säbel geschwungen, gegen die Finanzpolitik argumentiert, hat den Bürgerlichen ins Gewissen geredet, ist ihnen auf die Pelle gerückt. Jetzt geht er weiter. Weg von Zug. Wohin, das will er uns nicht verraten. Nur politische Fragen, bitte. «Was weiss man über dein Privatleben?», fragt er den Autor, natürlich nichts. «Genau. So sollte es auch bei Milizpolitikern sein. Wir haben ebenfalls ein Recht auf Privatsphäre.» Deshalb sitzen wir nach der morgendlichen Budgetdebatte im Kantonsrat nun in einer Pizzeria am See, essen Pasta mit Rahmsauce und sprechen über eine beendete Politikerkarriere.

zentral+: Herr Gisler, wieso hören Sie auf mit der Politik? Macht der Kantonsrat keinen Spass mehr?

Stefan Gisler: Es ist aus privaten und beruflichen Gründen genau der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören. Es ist zwar etwas schneller gegangen, als ich gedacht habe, und ich war auch etwas überrascht. Aber es passt einfach gerade sehr gut. Ich war als Politiker sehr engagiert und habe diese Zeit auch als sehr positiv erlebt. Aber es gibt auch andere wichtige Dinge in meinem Leben, Politik ist nur ein kleiner Teil davon.

zentral+: Es wird gemunkelt, Sie hätten sich eigentlich als Nationalratskandidat aufbauen wollen – und der Frust über die Vorfälle nach der Landammannfeier und den medialen Rummel um Jolanda Spiess-Hegglin habe Ihnen den Stecker gezogen. Ist da was dran?

Gisler: Es braucht mehr als nur etwas Rummel, um mir den Stecker zu ziehen (lacht). Obwohl es mir schon auch etwas aufgezeigt hat: Wenn wir Milizpolitiker mit einem kleinen Nebenamt schon so im Rampenlicht stehen, sobald etwas Privates publik wird, wie geht das erst im Nationalrat zu und her? Ich finde das völlig übertrieben. Jeder Mensch hat Dinge in seinem Privatleben, die ihm peinlich wären, wenn sie an die Öffentlichkeit kämen. Das hat mich schon auch mit dazu bewogen, den Schritt in den Nationalrat nicht zu versuchen. Lieber aussteigen, solange noch alles gut ist (lacht).

zentral+: Sie haben 13 Jahre lang am äusseren linken Rand politisiert – und sind regelmässig bei der bürgerlichen Mehrheit angerannt. Ist ihnen diese Situation zu anstrengend geworden?

Gisler: Ich habe mich eigentlich nie als links empfunden, auch in meinen politischen Ansichten nicht. Ich befinde mich gefühlsmässig in der Mitte der Gesellschaft. Erst hier im Kantonsrat war ich plötzlich der Linkste von allen. Ob das mit einer gewissen Pointierung zu tun hat, weiss ich nicht, das kann aber schon sein. Angerannt? Na ja, ich denke, mittlerweile haben alle hier im Rat tief im Herz begriffen, dass es eine massvolle Steuererhöhung brauchen wird, nicht nur Leistungsabbau beim Mittelstand und bei den Armen.

zentral+: Schon sind wir mittendrin in der Politik. Können Sie die wirklich einfach so gehen lassen?

Gisler: Ja, das geht tatsächlich sehr gut. Wie gesagt, es gibt noch anderes im Leben.

«Dass wir überhaupt miteinander ein Interview über mich als Person machen, ist ein Grenzfall.»

Stefan Gisler, abtretender Kantonsrat

zentral+: Wo gehen Sie überhaupt hin? Und weshalb?

Gisler: Darüber möchte ich nichts sagen, es ist schlicht nicht von öffentlichem Interesse. Das habe ich immer strikte getrennt. Dass wir überhaupt miteinander ein Interview über mich als Person machen, ist ein Grenzfall.

zentral+: Und die Fraktion, kann die Ihren Abgang gut verkraften?

Gisler: Der EVZ ist auch erst Jahre nach dem Abgang von Ivan Hlinka Meister geworden (lacht), und der war immerhin der beste Spieler, den der Verein je hatte.

zentral+: Sie kämpfen gerne, nicht nur im Kantonsrat, spielen auch Rugby, Vollkontakt. Was fasziniert Sie so an der Konfrontation?

Gisler: Beim Rugby gefällt mir die Sportlichkeit unglaublich gut. Und wenn es doch eine Rauferei gibt und der Schiedsrichter trommelt alle herbei und sagt ganz ruhig: Jetzt hört ihr sofort auf damit und spielt Rugby. Und die Spieler sagen nur «Yes Sir, thank you, Sir». Und akzeptieren auch Strafen ohne zu murren. Das ist einfach ein guter Geist.

zentral+: Mit knapp fünfzig ist der Vollkontaktsport für den Körper relativ brutal – halten Sie das gut aus?

Gisler: Klar, ich habe auch eine gute Polsterung (lacht).

«Die SVP-isierung hat auch hier stattgefunden.»

zentral+: Hatten Sie im Kantonsrat Lieblingsgegner?

Gisler: Ich habe mich sehr gerne und auf fachlichem Niveau mit Daniel Grunder gestritten und auch mit dem verstorbenen Kantonsrat Martin B. Leemann. Mittlerweile sind aber einige Diskussionen im Zuger Kantonsrat entsachlicht worden.

zentral+: Wie meinen Sie das?

Gisler: Die SVP-isierung hat auch hier stattgefunden, obwohl ich nicht glaube, dass die Zuger SVP-Leute das aktiv vorantreiben. Das ist ein Phänomen, das alle politischen Organisationen ergreift: Es wird alles plakativer, in Schwarz-Weiss gedacht. Das finde ich schon bedenklich. Da muss die Gesellschaft schauen, dass sie die Werte, die ihr wichtig sind, wieder ins Zentrum stellen kann: Menschlichkeit, Menschenrechte, zivilgesellschaftlicher Zusammenhalt.

zentral+: Wenn Sie zurückdenken, welche politischen Erfolge freuen Sie besonders?

Gisler: (Überlegt lange) Das fällt mir wirklich schwer zu sagen. Ich glaube nicht, dass ich mich an den Siegen messe. Die machen natürlich Spass. Aber was mich wirklich freut, ist, dass wir als Linke es geschafft haben, in all den Jahren unsere Themen allen klarzumachen: Zahlbarer Wohnungsbau ist heute ein Thema, an dem auch die Bürgerlichen nicht vorbeikommen. Oder auch haushälterisch mit Energie oder Landschaft umgehen. Dasselbe mit familienergänzender Kinderbetreuung. Wir haben diese Themen immer und immer wieder gebracht, bis sie in den Köpfen gelandet sind. Und so wird es auch mit einer fairen Finanzpolitik inklusive Steuererhöhung gehen. (lacht)

zentral+: Glauben Sie das wirklich?

Gisler: Das glaube ich wirklich. Wir haben noch einige Vorschläge auf Lager. (grinst)

 

Sagt er, und wir gehen zurück in die Budgetdebatte des Zuger Kantonsrats. Da werden alle Vorschläge der Alternativen – die Grünen abgeschmettert, die der SVP ebenfalls. Aber das macht Gisler nichts aus – denn die Idee ist lanciert. Vielleicht dauert es einfach noch ein paar Jahre. Für Gisler ist das wohl kein Thema mehr – er macht in Zug Tabula Rasa. Sein Telefonanschluss ist schon abgemeldet, sein E-Mail-Konto ebenfalls.

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