Japaner kopieren Zug

Dolfi Müller im japanischen Fernsehen

Stadtpräsident Dolfi Müller erklärt den Japanern den Erfolg des Finanzplatzes Zug. (Bild: Screenshot Youtube)

Der Steuerföderalismus gehört zur Schweiz wie Schoggi und Käse. Die Japaner haben es auf alle drei abgesehen. Nun wollen sie offenbar die hiesige Steuerpolitik importieren. Besonders begehrt ist jene aus Zug. Ein japanisches Filmteam hat die Stadt besucht und den Stadtpräsidenten interviewt. Wichtige Fragen gingen dabei allerdings vergessen.

Die Schweiz ist ein Musterbeispiel für den Föderalismus. Das wissen offenbar auch die Japaner. Und wenn man dann noch die Steuern ins Spiel bringt, landet man sehr schnell in Zug. So wie ein Filmteam aus Ōsaka, das vor knapp zwei Monaten den Kanton Zug besucht hat. Deren Leitfrage lautete: Wie funktioniert das mit dem Steuerföderalismus? Stadtpräsident Dolfi Müller gab Auskunft und wir haben das Video übersetzt.

«Schauen wir uns anhand der Schweiz an, was Dezentralisierung der Gewalt ist», sagt der Herr im schwarzen Anzug ab Minute 5. Auf dem Bildschirm, der daraufhin eingeblendet wird, steht geschrieben: «Das führende Land im Föderalismus – die Schweiz.» Der Experte in Schwarz erklärt, dass in der Schweiz die Zuständigkeiten und Einnahmequellen den Kantonen, Städten und Dörfern zugeteilt werden. «Sie haben also eigene Kompetenzen und Einnahmen», sagt er und fügt an: «Das ist Dezentralisierung.»

Wachsende Steuereinnahmen? Kanton Zug!

Es folgt ein kurzes Porträt über die Schweiz. Es werden Passanten in Ōsaka gefragt, was sie mit der Schweiz verbinden. Alpen und Heidi, so das wenig differenzierte Bild. Eine Stimme aus dem Off versichert, dass die weitläufige Natur, in der Heidi lebe, auch in echt genauso wunderschön sei wie im Trickfilm. Ab 9’25» wird dann über den Kanton Zug gesprochen. «Wenn man in der Schweiz nach einem Kanton mit wachsenden Steuereinnahmen fragt, kriegt man die Antwort: Zug», sagt der Mann im Off.

«Hier gibt es eine überraschende Politik.»

Japanische TV-Sendung über Zug

«In dieser Gegend, wo sich die modernen Gebäude aneinanderreihen, versammeln sich Unternehmen aus über 100 Ländern», erklärt Rolf Elsener, Leiter Kommunikation Stadt Zug, den Japanern. Diese zeigen sich beeindruckt. Die Firmensitze von Johnson & Johnson und von Siemens werden eingeblendet. Eine internationale Firma nach der anderen lasse sich hier nieder, staunt der Japaner. So habe der Kanton Zug bereits Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen. «Hier gibt es eine überraschende Politik», sagt die Stimme im Off.

Kurze japanische Staatskunde

Japan ist in 47 Präfekturen unterteilt. Diese bilden die mittlere Verwaltungsebene zwischen dem Zentralstaat und den Gemeinden. Finanziell sind die einzelnen Präfekturen weitestgehend der Zentralregierung unterstellt und stellen selbst keine Verwaltungseinheiten dar.

Es gibt vier verschiedene Bezeichnungen für «Präfektur» im Japanischen. Der Ausdruck to wird nur für die Präfektur Tokio benutzt, für die Präfektur Hokkaidō, fu für die Präfekturen Ōsaka und Kyōto, ken für alle übrigen 43 Präfekturen.

Die Verwaltung jeder Präfektur wird von einem Gouverneur geleitet, der seit 1947 ebenso wie die Präfekturparlamente alle vier Jahre vom Volk gewählt wird.

Zugs Geheimnis

Jetzt fragt man sich natürlich, wie es der kleine Kanton Zug schafft, derart viele international tätige Unternehmen anzulocken. Die Antwort darauf sucht man beim Stadtpräsidenten Dolfi Müller. «Der Kanton Zug hält die Steuern für Unternehmen im Vergleich zu anderen Kantonen tief», sagt er ab Minute 10 im Film. «Deshalb kommen viele Unternehmen hierher, schaffen Arbeitsplätze und beleben so die Stadt», fügt er an. Der japanische Sprecher illustriert: «Die Körperschaftssteuer beträgt in Japan zurzeit 32,11 Prozent. In Zug sind es hingegen nur 8,6 Prozent.»

Das Geheimnis liege in der Selbstverwaltung der Provinzen, erklärt die Stimme aus dem Off. Eine Selbstverwaltung, an die man in Japan nicht einmal denken könne. Denn: «In Japan ist die Körperschaftssteuer im ganzen Land einheitlich und wird von der Regierung bestimmt», erklärt der Mann im schwarzen Anzug. In der Schweiz könne hingegen jeder Kanton selber entscheiden, wie hoch er diese ansetzen wolle. «Die Kantone stehen somit im Wettbewerb miteinander», schliesst er seine Analyse.

«Der Schweizer Föderalismus ist durchaus exportfähig.»

Dolfi Müller, Stadtpräsident Zug

Im Rückblick sei es für Dolfi Müller nicht überraschend, dass andere Länder Interesse am politischen System der Schweiz zeigten. «Die Schweiz ist ein wirtschaftliches Erfolgsmodell», sagt er. Deshalb sei der Schweizer Föderalismus durchaus exportfähig. «Föderalismus ist der Bruder der Marktwirtschaft und der direkten Demokratie», fügt Müller an. «Steuerwettbewerb, wie er bei uns herrscht, ist auf den Schweizer Individualismus zugeschnitten.»

Wettbewerb, der den Markt belebt?

Die TV-Sendung wurde in Ōsaka ausgestrahlt. Man muss dazu wissen, dass im Mai 2015 die Bürger der Stadt Ōsaka bei einer Volksabstimmung den sogenannten to-Plan ablehnten. Geplant war eine Umwandlung der Stadt-Präfektur (fu) Ōsaka in eine Metropol-Präfektur (to) Ōsaka (siehe Box). Das Ziel war die Schaffung von kommunalen, mit begrenzten Steuer- und Verwaltungskompetenzen ausgestatteten Bezirken der Präfektur Ōsaka. Mit der Umwandlung von Ōsaka-fu in Ōsaka-to würden die Städte Ōsaka und Sakai abgeschafft und in «Sonderbezirke» gegliedert, die dann Gemeindestatus hätten.

Die Wahlberechtigten stimmten mit knapper Mehrheit gegen das Vorhaben. Letztlich ging es dabei um mehr Autonomie – auch in Steuerfragen. Denn Ōsakas Wirtschaft ist vor Jahren schon ins Stottern geraten. Grosse Unternehmen verlegen ihre Sitze zunehmend nach Tokio. Ōsakas Bürgermeister Toru Hashimoto wollte mit der Reform zum Konkurrenten Tokio aufschliessen, wo es die angestrebte Metropol-Struktur bereits gibt.

Das übergeordnete Ziel der TV-Sendung war also die Wiederbelebung von Ōsaka. Man will den Leuten – trotz dem Abstimmungsverdikt – die Vorzüge des Steuerföderalismus schmackhaft machen. Da liegt es nahe, den Blick gut 9’500 Kilometer westlich zu richten und die Alpenrepublik Schweiz in den Fokus zu nehmen. Und wer, wenn nicht der Kanton Zug, kann dabei als Musterknabe für eine unternehmensattraktive Steuerpolitik fungieren?

Eishockey dank Föderalismus

Was in dem Video allerdings völlig verloren geht, sind allfällige negative Effekte der Tiefsteuerstrategie Zugs. Kein Wort zum Nationalen Finanzausgleich, kein Wort zu hohen Lebenshaltungskosten und kein Wort zur Bildung einer Expat-Parallelgesellschaft. Dafür wird die Bossard-Arena noch mit ein paar Worten erwähnt: «Diese Eishockeyhalle wurde kürzlich aus Steuereinnahmen gebaut», sagt die Off-Stimme aus dem Video. «Sie hat etwa 8 Milliarden Yen gekostet und trägt viel zum Erfolg des örtlichen Clubs bei.»

«Die Sendung war nicht fürs Bildungsfernsehen gedacht.»

Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller

«Das Ganze war sehr oberflächlich», sagt denn auch Dolfi Müller rückblickend. Für negative Aspekte hätten sich die Japaner nicht interessiert. Für Müller ist auch klar, weshalb: «Die Sendung war nicht fürs Bildungsfernsehen, sondern für eine Unterhaltungsshow gedacht.»

Nichtsdestotrotz ist es ein Werbevideo für den Föderalismus, ein Plädoyer für den Steuerwettbewerb. Trotz des Unterhaltungswerts ist es auch ein Aufklärungsvideo, wie die Japanerin Mai Matsuoka, die den Film für zentral+ übersetzt hat, erzählt: «Viele Japaner haben keine Ahnung davon, was Gemeindeselbstregulierung oder was Föderalismus ist. Darum hat man diese Sendung gemacht, mit der man versucht, von den Schweizern zu lernen.»

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