Tiefbahnhof: Planung geht voran

Regierung forciert 2,4-Milliarden-Projekt

So soll es im Innern des Tiefbahnhofs aussehen.

(Bild: zvg)

Kürzere Reise- und Umsteigezeiten, strengerer Fahrplan und ein ausgebautes ÖV-Angebot: Der Luzerner Regierungsrat wirbt mit einem Planungsbericht für das Mammut-Projekt Tiefbahnhof. Doch es braucht offenbar eine Vorfinanzierung. 

Das Luzerner Parlament forderte vor gut einem Jahr einen umfassenden Bericht zum Megaprojekt Tiefbahnhof Luzern. Nun liegt das Papier auf dem Tisch.

Das Wichtigste: Der Regierungsrat favorisiert ein 2,4-Milliarden-Projekt mit Seeunterquerung Richtung Ebikon. Und um das Projekt in Bundesbern schmackhaft zu machen, will er das Geld vorschiessen.  

Zum Hintergrund: Das Stimmvolk des Kantons Luzern genehmigte am 29. November 2009 mit 75 Prozent Ja-Anteil einen Kredit von 20 Millionen Franken für die Ausarbeitung eines Vorprojekts zum Tiefbahnhof Luzern. Der Kanton Luzern hat daraufhin die SBB mit der Ausarbeitung dieses Vorprojekts beauftragt. Letztere hat den Auftrag zusammen mit verschiedenen Planern in den letzten knapp vier Jahren ausgeführt. Die Ergebnisse sind nun in den vorliegenden Bericht eingeflossen. 

Die «beste Variante» 

Wie gehabt: Trotz der komplexen geologischen Rahmenbedingungen sei der Tiefbahnhof technisch machbar. Dies haben laut Bericht zahlreiche Tests und Bohrungen ergeben. Die beste Variante sei laut Regierungsrat ein Durchgangsbahnhof Luzern mit einem Tunnel ab Ebikon, einem unterirdischen Bahnhof mit vier Gleisen und einem Tunnel unter der Neustadt. Diese Variante wurde bereits im Vorprojekt favorisiert und werde auch vom Bund als genügend relevant betrachtet. 

 

Die Variante D1 sei die beste: Durchgangsbahnhof gemäss Rahmenplan SBB.

Die Variante D1 sei die beste: Durchgangsbahnhof gemäss Rahmenplan SBB.

(Bild: zvg)

Vorschuss kostet bis 360 Millionen

Das Neue im Planungsbericht: Mit einer Vorfinanzierung könnte der Kanton das Schlüsselprojekt Tiefbahnhof vorantreiben, schlägt der Regierungsrat vor. Der Tiefbahnhof Luzern steht in Konkurrenz zu anderen Ausbauprogrammen des Bundes. Getragen werden die Kosten schlussendlich vom neuen Fonds System Fabi. Voraussichtlich 2017 entscheidet das Parlament in Bundesbern, ob für die nächsten Ausbauschritte sieben oder zwölf Millarden Franken zur Verfügung stehen werden. Wären es nur sieben, will der Luzerner Regierungsrat den Tiefbahnhof mit einer Vorfinanzierung vorantreiben, «um nicht zu viel Zeit zwischen Bau und Planung verstreichen zu lassen». 

Die Kosten für den Kapitalbedarf würden sich gemäss Planungsbericht zwischen 120 Millionen Franken (bei 1 Prozent Zins) und 360 Millionen Franken (bei 3 Prozent Zins) bewegen. Diese Kosten könnten unter den interessierten Kantonen Luzern, Nidwalden und Obwalden aufgeteilt werden. Für den Luzerner Anteil wäre zudem eine Verteilung zwischen Kanton und Gemeinden anzustreben. 

Für den kompletten Bau sind zwei Schritte nötig. In einer ersten Etappe würden der Dreilindentunnel und der Tiefbahnhof mit Kosten von 1,8 Milliarden Franken realisiert werden. Die Fahrtzeit der Züge aus Richtung Ebikon würde so verkürzt – etwa ein Viertelstundentakt im Fernverkehr zwischen Luzern, Zug und Zürich wäre möglich. Die Bauarbeiten für Tunnel und Tiefbahnhof könnten zwischen 15 und 18 Jahre dauern.

Betrieben würde der Bahnhof demnach vorerst als Kopfbahnhof. Der zweite Ausbauschritt, also ein Durchgang und eine Untertunnelung der Neustadt, wäre erst nach 2030 möglich. Insgesamt würden für diese Lösung laut Planungsbericht 2,4 Milliarden berechnet.

Ein komplett ausgebauter Tiefbahnhof könnte zusätzlich folgende Leistungen erfüllen: Halbstundentakt im Fernverkehr nach Bern und Basel, Viertelstundentakt im Regionalverkehr ins Rontal, ins Seetal, nach Sursee und nach Wolhusen, Halbstundentakt Regionalverkehr nach Küssnacht und Halbstundentakt nach Arth-Goldau (Voralpenexpress und Gotthardzug). 

6 Varianten im Vergleich

Diese sechs nachfolgend aufgeführten Varianten wurden gemäss Planungsbericht verglichen. Grundsätzlich ermöglichen Durchgangsbahnhöfe die Führung der von Regierung und SBB angestrebten 28 Zugspaare pro Stunde im Personenverkehr. Bei der Variante Kopfbahnhof Luzern und insbesondere bei der Variante Bahnhof Luzern Nord können die von den Initianten angestrebten 28 Zugpaare pro Stunde jedoch nicht angeboten werden.

Links: Die «beste» Variante D1. Rechts: Eine der geprüften Varianten D4 mit Durchgangsbahnhof unterhalb der Altstadt (rechts).

Links: Die «beste» Variante D1. Rechts: Eine der geprüften Varianten D4 mit Durchgangsbahnhof unterhalb der Altstadt (rechts).

(Bild: zvg)

Beim zweiten Durchgangsbahnhof der Variante Altstadt (hier rechts) könnten die neue Anlagen in gutem Fels und ohne Seequerung errichtet werden. Die Infrastruktur umfasst eine zweigleisige Strecke Ebikon–Tiefbahnhof Altstadt, den Tiefbahnhof Altstadt sowie die Anbindung an die Bestandsstrecke im Raum Reusszopf. Um in standfestem Fels bauen zu können, kommt der Bahnhof unter dem Bramberg zu liegen. Dies führt aber zu langen Umsteigewegen und -zeiten. Der Fussgängertunnel selbst ist ca. 500 m lang. Die Kosten werden auf 2 Milliarden Franken geschätzt (Quelle: Bericht Ernst Basler & Partner).

Durchgangsbahnhof Transit: Hier ist die Grundidee die Verkürzung der Fahrzeiten Richtung Basel/Bern. Durch die direktere Linienführung Richtung Emmenbrücke sind auf der Relation Luzern–Basel/Bern Fahrzeitreduktionen von ca. 2 Minuten möglich. Die zusätzliche Infrastruktur besteht aus einer zweigleisigen Strecke Reusszopf–Tiefbahnhof, dem Tiefbahnhof, der Anbindung an die Bestandsstrecke im Raum Heimbach sowie der Doppelspur Rotsee. Baulich bestehen Herausforderungen bei der Unterquerung der Autobahn (Anhebung des Lehnenviaduktes notwendig), bei der Unterquerung des Seebeckens sowie beim Tiefbahnhof selbst. Die Kosten betragen 2,7 Milliarden Franken.

Durchgangsbahnhof S-Bahn: Die Grundidee dieser Variante besteht in der Anbindung von Kriens und Littau Zentrum an das Eisenbahnnetz. Dies erfolgt mit einer zweigleisigen Strecke Ebikon–Tiefbahnhof–Kriens–Littau. Obwohl für den Tiefbahnhof eine kostengünstigere Lösung mit nur zwei Gleisen gewählt wurde, resultieren für diese Variante, bedingt durch die Seequerung, die schwierigen Baugrundverhältnisse im Abschnitt Luzern–Littau sowie die unterirdischen Haltestellen Kosten in der Höhe von 3,9 Milliarden Franken.

Ausbau Rotsee und Zufahrt/Kopfbahnhof: Bei dieser Variante prüfte man unterschiedliche Lösungsansätze. Der am besten beurteilte Ansatz basiert auf zwei neuen Zufahrtsgleisen, die zwischen der Abstellanlage und der Zentralbahn in den Bahnhof eingeführt werden. Zusätzlich sind ein Doppelspurausbau Rotsee sowie Anpassungen beim Weichenkopf und in der Bahnhofshalle vorgesehen. Die Abbildung zeigt eine mögliche Ausgestaltung mit einer neuen Doppelspur Reussbühl–Luzern Bahnhof.

Mit diesen Massnahmen kann die Leistungsfähigkeit gemäss Ernst Basler & Partner gesteigert werden. Aufgrund einer ersten Einschätzung sollten 24 plus/minus 2 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr angeboten werden können. Die Kosten betragen 1,2 Milliarden Franken. 

Luzern Nord mit Spange Reussbühl: Diese Variante umfasst den Ausbau des Bahnhofs Emmenbrücke, die Spange Reussbühl, eine Doppelspur beim Rotsee sowie ein drittes oder viertes Gleis westlich von Ebikon sowie den Ausbau des Bahnhofs Ebikon.

Gegenüber heute könnte das Angebot nach Luzern um 2 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr ergänzt und eine Tangentialverbindung Zug–Ebikon und Emmenbrücke–Seetal im Halbstundentakt angeboten werden. Nach Luzern Zentrum sind bei diesem Ansatz somit 20 Zugpaare pro Stunde beim Personenverkehr möglich. Zieht man die Züge via Spange Reussbühl mit ein, so resultieren 24 Zugpaare pro Stunde im Personenverkehr. Die Kosten für die Infrastrukturmassnahmen betragen 0,9 Milliarden Franken.

Hinweis: Diesen Montagmorgen findet eine Medienkonferenz der Regierung zum Tiefbahnhof statt. Wir werden anfangs Nachmittag einen weiteren, vertieften Beitrag über das Grossprojekt veröffentlichen, mit Stimmen aller Beteiligten.

UPDATE: STELLUNGNAHMEN DER PARTEIEN

«Durchgangsbahnhof: Jetzt Vorfinanzierung sicherstellen!». So lautet die Medienmitteilung der SP Luzern zum neusten Bericht über den Tiefbahnhof. Konkret schreibt die SP:  «Wir sind enttäuscht über den Planungsbericht Durchgangsbahnhof Luzern. Darin wird viel gehofft und erwartet, aber wenig konkret angepackt. Die SP vermisst im Planungsbericht ein klares Bekenntnis des Kantons zum Durchgangsbahnhof in Form einer Vorfinanzierung.» Für eine solche gäbe es keinen konkreten Fahrplan, vielmehr solle nun zuerst auf das Bundesamt für Verkehr (BAV) gewartet werden. «Soll der Durchgangsbahnhof in den Ausbauschritt AS2030 aufgenommen werden, darf aber nicht weiter abgewartet werden. Viel mehr muss jetzt endlich eine Vorfinanzierung aufgegleist werden!» sagt SP-Kantonsrat Marcel Budmiger.

Wenn der Durchgangsbahnhof dennoch in diesen Ausbauschritt aufgenommen werden soll, braucht es laut Budmiger ein von Parlament und Stimmbevölkerung genehmigtes Dekret zur Vorfinanzierung von mindestens 600 Millionen Franken. Auf Grund der steigenden Betriebskosten der Bahninfrastruktur müsse man sonst erst mit einer Realisierung weit nach 2030 rechnen.

Kanton soll nicht beim ÖV sparen

Positiv zu werten ist die laut SP die Bedeutung, welche der Bericht den Konzepten AggloMobil due und tre beimisst. «Mit dem Ausbau und einem attraktiveren ÖV werden mehr Luzernerinnen und Luzerner auf die Bahn umsteigen. Dies ist insbesondere für den Bund wichtig, damit auch die Nutzungsfrequenzen für den Ausbau des Luzerner Bahnnetzes sprechen.» Die SP erwartet deshalb vom Regierungsrat, dass bei den anstehenden Abbau- und Konsolidierungspaketen der ÖV und insbesondere die beiden AggloMobil- Konzepte ausgenommen werden, um den Durchgangsbahnhof nicht unnötig zu gefährden.

Grüne: Regierung soll Vorfinanzierung aufzeigen

«Durchgangsbahnhof Luzern: Es geht voran!». So titeln die Grünen ihre Medienmitteilung. Sie seien erfreut, dass es bezüglich Grossprojekt Durchgangsbahnhof Luzern vorwärts gehe. Es sei notwendig, dass der Kanton Luzern und der Bund gemeinsam den Ausbau der Bahninfrastruktur in Luzern vorantreiben.

Weiter schreibt Katharina Meile, Co-Präsidentin Grüne Luzern: «Der heute vorgestellte Planungsbericht macht es deutlich: der Durchgangsbahnhof ist eine gute Lösung für Luzern. Nutzen und Notwendigkeit werden aufgezeigt und sind nachvollziehbar. Die Passagierzahlen in und um Luzern steigen und machen eine höhere Kapazität auf der Schiene notwendig. Im heutigen Bahnhof Luzern sind Kapazitätssteigerungen jedoch kaum möglich, für dichtere Verbindungen braucht es Investitionen in Zu- und Ausfahrt. Der Durchgangsbahnhof bringt die geforderte Entwicklung.»

Investieren statt sparen

Für die Planung und Realisierung des Durchgangsbahnhofs in Luzern ist der Bund zuständig. «Der Kanton Luzern kann aber das seine tun und die Wichtigkeit des Projekts mit einer Vorfinanzierung unterstreichen. Der Regierungsrat muss konkret aufzeigen, wie die Vorfinanzierung aussehen soll. Trotz in den nächsten Jahren drohender Sparmassnahmen muss der Durchgangsbahnhof vorangetrieben werden – Investitionen in die längst notwendige öV-Infrastruktur und in die Zukunft dürfen nicht kurzfristigen Konsolidierungsbestrebungen zum Opfer falle», fordert Meile namens der Grünen. Denn nur mit Investitionen könne sich der Kanton Luzern als Wohn-, Bildungs-, Wirtschafts- und Tourismus-Standort weiterentwickeln.

VCS: Höhere Beiträge für ÖV

«Richtiges Projekt – Vorfinanzierung sicherstellen». So lautet die Überschrift der VCS-Medienmitteilung, verfasst von Michael Töngi, Präsident VCS-Sektion Luzern. Der Planungsbericht zum Durchgangsbahnhof schaffe eine gute Grundlage für die Realisierung des Projektes. Entschieden werde in Bern, aber die Zentralschweiz könne und müsse Ernsthaftigkeit an den Tag legen. Etwa mit einem Konzept zur Vorfinanzierung des Bahnhofs und mit genügend Finanzen für den öffentlichen Verkehr.

«Der Planungsbericht Durchgangsbahnhof schafft eine gute Grundlage für die Realisierung des Projektes. Insbesondere hilft die Darstellung der verschiedenen Projekte mit einer guten und nötigen Vergleichbarkeit, um den Nutzen des gewählten Projektes klar zu machen: Nur mit einem Durchgangsbahnhof kann längerfristig die nötige Kapazitätserweiterung und die Neuorganisation des Regionalverkehrs gelingen», teilt Töngi mit.

Der Regierungsrat lege im Bericht richtig dar, dass auf Grund der neuen Aufgabenteilung durch FABI der Bund für die Planung und Realisierung des Durchgangsbahnhofs verantwortlich sei. «Der Kanton und die Zentralschweiz sind damit aber nicht aussen vor: Nur mit genügend Druck und Begleitung des Projektes bestehen Chancen für eine Realisierung innert nützlicher Frist – die Konkurrenz ist gross und andere Regionen machen ebenfalls vorwärts.»

Ein wichtiges Argument für den Durchgangsbahnhof sind laut Töngi die Passagierzahlen beim öffentlichen Verkehr. «Benutzen täglich mehr Personen den öffentlichen Verkehr, so werden die Passagierzahlen schneller einen Ausbau im Raum Luzern rechtfertigen. Hier müssen Regierungsrat und Parlament Farbe bekennen. Die Beiträge für den öffentlichen Verkehr müssen erhöht und nicht gekürzt werden, damit das öV-Wachstum neue und dichtere Verbindungen rechtfertigt.» Im Budget 2015 sind laut Töngi hohe Beträge beim öV gekürzt worden – «Dies darf 2016 nicht wieder vorkommen.»

Ebenfalls muss der Regierungsrat zur Vorfinanzierung konkreter werden. Der Bericht zeigt auf, dass ein Durchgangsbahnhof erst weit nach 2030 eröffnet werden kann. Der Kanton kann die Frist verkürzen, in dem er eine Vorfinanzierung leistet. Gleichzeitig kann er mit einem Beschluss zu einer Vorfinanzierung auch die Ernsthaftigkeit unterstreichen.

BDP: Plan B nicht vergessen

Die BDP Kanton Luzern fordert, dass der Kantons- und der Regierungsrat nochmals über die Bücher gehen. «Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Luzerner Politik derart auf das mit 2,4 Milliarden astronomisch teure Prestigeobjekt eingeschworen hat und blind und taub für alle Alternativen ist», schreibt die Partei in einer Mitteilung.  

Selbst der Bund habe bereits Bedenken zu diesem Projekt geäussert und es sei fraglich, ob es jemals realisiert werden wird. Eine Alternative, wie es die Gruppe Bahndreieck Luzern Nord anstrebt (Spurausbau Rotsee), müsse intensiver geprüft werden um Kosten zu sparen und gleichzeitig die Verkehrsinfrastruktur im Kanton zu verbessern.


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