Abfuhr für Luzerner Regierung

Kantonsrat schickt Sex-Gesetz in die Wüste

Frauen in Kontaktbars – wie beispielse hier an der Eisengasse 9 – erhalten keinen zusätzlichen gesetzlichen Schutz. (Bild: anm)

Mehr Schutz vor Ausbeutung und Menschenhandel, mehr Prävention und Kontrolle: Der Kantonsrat will von besseren Bedingungen für Prostituierte nichts wissen und schickt ein entsprechendes Gesetz bachab. Doch wenigstens in einem Punkt könnte sich noch etwas tun.

Seit 2009 hat die Luzerner Regierung daran gearbeitet, unzählige Stunden Arbeit dafür investiert – und seit diesem Montag ist bekannt: Alles war für die Katz. Der Kantonsrat hat das neue Gesetz zur Regelung der Sexarbeit im Kanton Luzern versenkt. 51 Politiker stimmten für die umstrittene Vorlage, 61 dagegen. Zu gross waren die Vorbehalte, zu unklar die Auswirkungen. Schon im Vorfeld der Kantonsrats-Abstimmung war klar, dass es eng wird. Denn das Gesetz fand zuvor bereits in der Kommission Justiz und Sicherheit knapp keine Mehrheit (zentral+ berichtete).

Präventiv und repressiv

Das neue Gesetz hätte sowohl präventiv als auch repressiv wirken sollen. Vorgesehen waren unter anderem eine Registrierungspflicht für Prostituierte sowie eine Bewilligungspflicht für Sexclubs. So hätte die Schwarzarbeit bekämpft und die Bordellbetreiber in die Pflicht genommen werden sollen. Auch war vorgesehen, die Sexarbeitenden zu ihrem Schutz besser über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Geschätzter Kostenpunkt: Rund 70’000 Franken pro Jahr.

600 Sexarbeiterinnen, 110 Betriebe

Im Kanton Luzern bieten rund 600 Prostituierte ihre Dienstleistungen an, der grösste Teil von ihnen stammt aus dem Ausland. Die allermeisten arbeiten in den rund 110 Luzerner Etablissements, nur 15 bis 20 Frauen sind auf dem Strassenstrich im Luzerner Industriequartier Ibach tätig. Sie sind laut Überzeugung der Regierung aufgrund ihrer rechtlichen und sozialen Stellung oftmals Gewalt ausgesetzt. Sei es durch Freier, Zuhälter oder Bordellbesitzer. Auch vor gesundheitlichen Risiken wie Geschlechtskrankheiten oder Aids sind sie nicht sicher. Zudem arbeiten gemäss Schätzungen des Kantons bis zu einem Drittel der Sexarbeitenden ohne Aufenthaltsberechtigung oder -bewilligung, was Abhängigkeitsverhältnisse und Ausbeutungssituationen begünstigt.

Luzern als Mekka für Kriminelle?

Für das neue Gesetz setzte sich Hedy Eggerschwiler-Bättig (CVP) ein. «Die Erfahrungen aus anderen Kantonen mit einer Regelung zeigen, dass ein solches Gesetz Wirkung zeigt. Sollte der vorliegende Gesetzesentwurf abgelehnt werden, sind Tor und Tür geöffnet, dass der Kanton Luzern ein Mekka wird für Kriminelle aus dem Bereich Prostitution, Menschenhandel und Drogenhandel.» Denn diese drei Themen seien eng miteinander verbunden. Eggerschwiler betonte zudem, dass sich auch die Polizei mit dem neuen Gesetz mehr Erfolge erhoffe.

Anders sah es Christian Graber (SVP). Zwar gäbe es Probleme im Bereich der Prostitution, räumte er ein. Etwa Zuhälterei und Menschenhandel. «Wir sehen das Gesetz über die Sexarbeit jedoch als untauglich an, diese Probleme in den Griff zu bekommen.» Das Gesetz bringe keine Lösungen, es würden lediglich zusätzliche Stellen geschaffen. Gut wäre hingegen laut Graber, wenn es Regelungen bezüglich der Strassenprostitution gäben würde. Dafür brauche es aber kein neues Gesetz.

«Denn Menschenhändler und Zuhälter lassen sich von einer Bewilligungspflicht nicht abschrecken.»

Jim Wolanin (FDP)

Ganz ähnlich argumentierte Jim Wolanin (FDP). Zwar würden Sexarbeitende gesellschaftlich ausgegrenzt. Doch das neue Gesetz würde hier kaum die gewünschte Wirkung erzielen. «Denn Menschenhändler und Zuhälter lassen sich von einer Bewilligungspflicht nicht abschrecken.» Gemäss Wolanin müssen die Missstände aber durchaus angegangen werden.

Scheinsicherheit und mehr Bürokratie?

Das müsse jedoch mit den bestehenden Bestimmungen im Straf- und Ausländerrecht bekämpft werden. Und wenn das Gewerbepolizeigesetz angepasst würde, könnte die Polizei auch die Sex-Etablissements wirkungsvoller kontrollieren, was durchaus nötig sei. Wolanin zeigte sich überzeugt: «Das neue Gesetz bringt bloss eine Scheinsicherheit und massiv mehr Bürokratie.»

Vergeblich, wie sich bald zeigen würde, versuchte Ylvete Fanaj (SP) die drohende Abfuhr fürs Sexgesetz abzuwenden. Ihr sei bewusst, dass es nicht einfach sei, die Situation im Sexgewerbe zu verbessern. Doch nötig sei es ganz bestimmt.: «Für uns steht der Schutz der Sexarbeitenden gegen Ausbeutung und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Vordergrund.» Konkret müssten die Sex-Etablissement-Betreiber in die Pflicht genommen werden. Auch die Registrierungspflicht für die Prostituierten sei vertretbar, weil damit die Schwarzarbeit bekämpft würde.

Auch Grüne gegen Gesetz

Zu allem Übel für die brüchige Ja-Koalition aus CVP, GLP und Linken befand auch eine Mehrheit der Grünen, dass das Gesetz abzulehnen sei. Allerdings aus anderen Gründen, wie Hans Stutz erläuterte. Bei Diskussionen über die Sexarbeit dominiere häufig die Doppelbödigkeit. «Diese Doppelbödigkeit finden wir auch im vorliegenden Vorschlag. Anstatt dass die Sexarbeitenden geschützt und gestärkt werden, werden sie Opfer von Misstrauen und ausgeprägter Kontrolle, die ihre Stellung weiter schwächt.»

«Anstatt dass die Sexarbeitenden geschützt und gestärkt werden, werden sie Opfer von Misstrauen und ausgeprägter Kontrolle.»

Hans Stutz, Grüne

Damit sprach Stutz insbesondere die Registrierungspflicht an. Diese sei unnötig, bereits heute müssten sich diese Frauen oft sogar schon zwei Mal bei den Behörden anmelden. Auch würde es das Gesetz erlauben, dass diese Frauen auch ausserhalb des Arbeitsplatzes «dauernd kontrolliert» würden.

Unmotivierter Regierungsrat

Samuel Odermatt (GLP) schliesslich mahnte, dass die Probleme eigentlich mit dem geltenden Strafrecht angegangen werden müssten. Doch das sei offenbar schwierig. «Wir befürworten deshalb die Registrierungs- und Bewilligungspflicht. Damit erhalten die Behörden ein gutes Instrument im Kampf gegen Missstände.» Auch wenn mit dem neuen Gesetz wohl nicht alle Probleme gelöst werden könnten, wie Odermatt einräumte.

Nach den Voten der Fraktionssprecher wäre es eigentlich an Neo-Regierungsrat Paul Winiker (SVP) gelegen, mit Verve für die von der Regierung erarbeitete Vorlage einzutreten. Doch davon war nichts zu spüren. Knapp und sichtlich nicht wahnsinnig motiviert, führte er kurz die Vorteile des neuen Gesetzes auf.

Neuer Versuch gegen Sexbetriebe

Immerhin offerierte Jim Wolanin (FDP) als Trostpflästerchen: «Wenn wir nicht auf das Sex-Gesetz eintreten, werden wir heute noch ein Postulat einreichen, das die Registrierung von Indoor-Sexbetrieben fordert.» Nimmt man die Kantonsräte nach der Debatte diesen Montag beim Wort – ausnahmslos alle kritisieren ja Missstände im Sexgewerbe – dürfte die Zustimmung zu Wolanins Vorstoss kommunistisch-diktatorisch-gefärbte Ausmasse annehmen.

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