Zuger Nationalrat Thomas Aeschi

Zu wenig giftig für die SVP?

Asyl ist nicht sein Thema: Thomas Aeschi will im Nationalrat die Verwaltung stärker kontrollieren.

(Bild: zvg)

Thomas Aeschi kam jung für Zug in den Nationalrat, jetzt will er in die zweite Runde. Ein Polterer ist er bestimmt nicht – passt der Mann überhaupt zur Partei? Wir unterstellen ihm ein Kontrollbedürfnis und fragen, ob es auch einen kreativen Aeschi gibt.

«Nein, ich will ins Festzelt», sagt uns Thomas Aeschi am Telefon, er wurde gerade in der Stadt von ein paar älteren Damen aufgehalten, die mit ihm über die Asylpolitik diskutieren wollen. «Danke», sagt er denen, «aber jetzt muss ich wirklich los», und zu uns am Telefon: «Im grossen Festzelt, in fünf Minuten, okay?»

Okay. Der Zuger Stierenmarkt geht dem Ende zu, aber es reicht noch für eine Portion Bodenhaftung. Im Festzelt schmeckt der Kaffee nach Instant, so wie auf dem Feld aus der Thermoskanne. Und der Sänger auf der Bühne singt zu Playback Lieder übers Cowboy-Werden. Thomas Aeschi kommt in grossen Schritten, zieht das Jackett aus, und will sich hinsetzen, wird aber nochmal von Passanten zurückgehalten: «Herr Aeschi, ich muss mit Ihnen über die Politik sprechen» – «Gleich nachher, ich habe noch ein Interview, danach auf jeden Fall» – «Ich bin aber nicht einfach» – «Das macht nichts.» Einfach wird es auch in diesem Gespräch nicht.

zentral+: Herr Aeschi, Sie passen doch gar nicht hierher. Sind weltoffen, urban, hochintelligent, haben eine sehr gute Ausbildung, arbeiten in der internationalen Wirtschaft als Berater. Mit der Landwirtschaft, mit der ländlichen Bevölkerung, mit der SVP-Basis haben Sie null und nichts am Hut.

Thomas Aeschi: Das trifft nicht zu. Wenn man meine Wurzeln anschaut, dann wird das klarer: Ich bin in Allenwinden aufgewachsen, habe den grössten Teil meiner Kindheit in der Natur, auf dem Land verbracht, in einer grossen Freiheit. Meine Eltern haben handfeste Berufe, viele meiner Kollegen aus der Primarschule sind Handwerker geworden. Ich habe von meiner Herkunft her einen Bezug zur ländlichen Bevölkerung. Aber klar, heute arbeite ich in einer Firma, die Schweizer und internationale Unternehmen berät, das hat mit Landwirtschaft nichts zu tun. Das ist aber auch nicht mein Kerngebiet, da haben wir von der SVP ausgewiesene Politiker, die in der entsprechenden Kommission diese Anliegen sehr gut vertreten.

zentral+: Sie sind doch eigentlich viel zu wenig giftig für die SVP, Sie können gar nicht poltern.

Aeschi: Das ist richtig, ja. Ich bin kein Polterer. Ich glaube, diese Partei hat gute und wichtige Inhalte, und ich möchte diese Inhalte mit guten Argumenten umsetzen, nicht mit populistischen Parolen. Klar, die Polterer braucht es auch (lacht). Aber da gibt es andere. Die SVP ist eine Volkspartei, sie deckt alle Spektren ab. Insbesondere vertrete ich die wirtschaftspolitischen Themen wie Steuern, Regulierung und Finanzpolitik, wenn Sie wollen, den eher «akademischen» Teil.

zentral+: Gibt’s den wirklich?

Aeschi: (lacht) Ja klar. Zunehmend stossen auch immer mehr Akademiker zu unserer Partei, ohne dass aber gewerbliche oder bäuerliche Kreise deswegen weniger Einfluss hätten, wie die entsprechenden Abstimmungen im Parlament zeigen.

«Im Gegenteil, ich habe einen sehr starken Gestaltungswillen.»

Thomas Aeschi, Nationalratskandidat

zentral+: Sie wurden sehr jung in den Nationalrat gewählt, wie ist es Ihnen in den ersten vier Jahren ergangen?

Aeschi: Ich hatte das Glück, dass ich als erstes in die Finanzkommission gekommen bin. In dieser Funktion konnte ich die Verwaltung bestens kennenlernen, hatte mit den jeweiligen Amtsleitern direkt zu tun. Das hat mir den Einstieg in den Nationalrat sehr erleichtert. Die letzten zwei Jahre war ich in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, das ist eine sehr interessante Kommission, denn man hat mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Einfluss als in der Finanzkommission. Hier geht es um meine Kernthemen, die Gestaltung der Wirtschaftspolitik. Es ist für mich eine Ehre, dass mich die Fraktion für diese Kommission vorgeschlagen hat.

zentral+: Wenn man sich Ihre Vorstösse im Nationalrat betrachtet, dann wird eine Stossrichtung schnell deutlich: Sie fordern oft eine stärkere parlamentarische Kontrolle über die Verwaltung. Woher kommt dieses Kontrollbedürfnis?

Aeschi: Die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative ist natürlich eine wichtige Aufgabe des Parlaments. Der Bund hat sein Budget in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt, von knapp 32 Milliarden Franken im Jahr 1990 auf 64 Milliarden im letzten Jahr. Das ist keine nachhaltige Entwicklung, da das staatliche Ausgabenwachstum in den letzten Jahren massiv über dem Wirtschaftswachstum lag. Während ich früher in Bezug auf die Bundesfinanzen stark mit Vorstössen arbeitete, habe ich unterdessen ein gutes Netzwerk in der Verwaltung etabliert, weshalb ich heute viele Informationen direkt an der Quelle erhalte.

zentral+: Aber neben diesem Kontrollbedürfnis, gibt es da auch einen kreativen Thomas Aeschi, einen mit Gestaltungswillen, der etwas schaffen will?

Aeschi: Im Gegenteil, ich habe einen sehr starken Gestaltungswillen, nehme als Vizefraktionspräsident Einfluss auf die Parlamentsgeschäfte und habe überdurchschnittlich viele parlamentarische Vorstösse eingereicht. Die SVP setzt sich vor allem auch dafür ein, dass der Staat möglichst wenig in die Wirtschaft eingreift, die grundsätzlich gut funktioniert.

«Sie wollen ja nicht an Ihrer Arbeitszeit gemessen werden, sondern an der Qualität Ihrer Artikel.»

Thomas Aeschi, Nationalratskandidat

zentral+: Sie haben ja unter anderem auch gefordert, dass die Zeiterfassung in gewissen Branchen abgeschafft wird – da schwächen Sie direkt die Arbeitnehmerrechte. Politisieren Sie da nicht gegen Ihre Basis?

Aeschi: Nein, da muss man betrachten, was gerade geschieht. Die Kantone haben in letzter Zeit angefangen, die Gesetze immer strikter auszulegen, und immer mehr Kontrollen der Arbeitszeiterfassung bei Betrieben zu machen. Gerade in Ihrer Branche, beim Journalismus, oder in meiner, bei Beratungen, funktioniert das aber nicht. Wir müssen flexibel sein, arbeiten auch mal spät in der Nacht, am Wochenende: Sie wollen ja nicht an Ihrer Arbeitszeit gemessen werden, sondern an der Qualität Ihrer Artikel. Ich habe gefordert, dass in solchen Branchen die Arbeitnehmer selber freiwillig auf eine Zeiterfassung verzichten können. Da könnte man sagen, das setzt die Arbeitnehmer unter Druck. Um dieses Argument zu entkräften, bin ich dafür, dass man für dieses «Opting out» eine Lohnuntergrenze einführt.

zentral+: Kommen wir zum grossen Thema dieses SVP-Wahlkampfs, dem Asylwesen. Sie selber haben fast keine Vorstösse dazu eingereicht. Wenn Sie sich zum Thema jetzt äussern, dann ist das ja blosser Wahlkampf – in Ihrer Politik geht es nicht ums Asylthema.

Aeschi: Es trifft zu, dass die SVP im Asylwesen Spezialisten mit einem grössen Fachwissen als ich hat, wie zum Beispiel Nationalrat Heinz Brand. Das Thema Asyl und Migration war aber schon immer eines der Hauptthemen der SVP. Denken Sie an die von der SVP lancierte und von Volk und Ständen im Jahr 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative, oder die vor auch schon bald zwei Jahren von Volk und Ständen gutgeheissene Masseneinwanderungsinitiative. Dieses Thema ist nicht blosser Wahlkampf, es ist ein wichtiges Thema für unsere Partei.

zentral+: Wird es für Sie nicht zum Problem werden, dass die grossen Kernthemen der SVP eigentlich nicht Ihre sind? Das wird Ihre Karriere in der SVP doch irgendwann blockieren, wenn Sie es nicht schaffen, einen Bezug zur Basis herzustellen.

Aeschi: Neben dem Thema Asyl und Migration sind die beiden anderen Hauptthemen der SVP im laufenden Wahlkampf die administrative Entlastung von Wirtschaft und Gewerbe, sowie das Abwenden eines schleichenden EU-Beitritts. Wie erwähnt setze ich mich in der Wirtschaftskommission stark für die administrative Entlastung als Antwort auf die Euroschwäche ein. Und bezüglich des Verhältnisses zur EU habe ich gerade diese Woche einen Vorstoss zu Schengen/Dublin eingereicht mit der Frage: Was unternimmt der Bundesrat in Anbetracht der offensichtlichen Schengen/Dublin-Vertragsverletzung durch die EU? Ist er bereit, zumindest temporär wieder Grenzkontrollen einzuführen oder andere Ausgleichsmassnahmen zu ergreifen? Meiner Meinung nach wurde durch die EU Vertragsbruch begangen, da die EU-Aussengrenze kaum mehr gegen die illegale Einwanderung kontrolliert wird und illegal in die Schweiz einreisende Asylbewerber nicht mehr in das EU-Ersteinwanderungsland zurückgeführt werden können. Diese Frage muss in den Verhandlungen mit der EU zur die Freizügigkeit unbedingt aufgenommen werden.

«Ich bin aber, wie andere auch, erleichtert, dass die Zuger Affäre nun vorbei ist.»

Thomas Aeschi, Nationalratskandidat

zentral+: Sie sind wie schon gesagt sehr jung ins Parlament gekommen, das ist ja auch eine Belastung für Ihre berufliche Karriere. Wie gehen Sie damit um?

Aeschi: Das ist eine schwierige Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um in die Politik einzusteigen? Ich war noch nicht Partner bei der Beratungsfirma, in der ich arbeite, als ich Nationalrat wurde. Ab dann reduzierte ich mein Pensum, weil das Mandat den Rest der Zeit inklusive einzelner Wochenendtage in Beschlag nimmt. Ich stecke da in einer ähnlichen Lage wie alleinerziehende Mütter, deren Karriere wegen der Kinder weniger schnell verläuft. Mit einem Teilzeitpensum ist es schwer, die Karriere gleich schnell voranzutreiben. Die Beratung ist ein kompetitives Geschäft, und da gibt es andere, die auch Karriere machen wollen, und die sind öfters beim Kunden vor Ort und mehr in die laufenden Geschäfte involviert. Dafür erlebe ich andere Dinge im politischen Leben, die mich bereichern.

zentral+: Sie sehen sehr dünn aus, etwas abgezehrt, haben Sie Ihr Zeitmanagement im Griff oder muss man sich Sorgen machen?

Aeschi: (lacht), Im Gegenteil, ich treibe gerne Sport und gehe oft Joggen. Meine schlanke Figur rührt wahrscheinlich daher.

zentral+: Sie sind im neusten SVP-Wahlvideo in einer Szene mit K.o.-Tropfen zu sehen (zentral+ berichtete). Hat Ihnen der mediale Wirbel um die Zuger Affäre nachhaltig geschadet?

Aeschi: Das wird die Wahl zeigen. Das weiss ich wirklich nicht. Ich bin aber, wie andere auch, erleichtert, dass die Zuger Affäre nun vorbei ist. Schlussendlich ist es einfach schade, dass so etwas passiert ist.

zentral+: Sie mussten in dieser Situation die Führung über Ihre Partei übernehmen. Ist Ihnen das gelungen?

Aeschi: Das müssen die Parteimitglieder beurteilen. Es gab schon zwei Strömungen in der Partei, als es um die Frage nach dem Ausschluss von Markus Hürlimann ging. Und mitten drin hat der Blick angefangen, mich persönlich anzugreifen, weil ich an der ersten Parteiversammlung nicht dabei sein konnte, bei der es um den Ausschluss Hürlimanns ging – ich war an einem Anlass meines Arbeitgebers am WEF, das ist nun mal das Miliz-System, man muss auch die Interessen des Arbeitgebers wahrnehmen. Zudem war ich nur einer von zwei SVP-Vizepräsidenten, der andere hat an diesem Abend die Führung übernommen. Wir konnten das Ganze entschärfen, indem wir eine weitere Versammlung mit dem Traktandum «Aussprache betr. der Vorfälle an der Landammannfeier vom 20. Dezember 2014 inkl. Abstimmung über allfällige Anträge» ansetzten. Die Partei hat abgestimmt und zu einem Antrag auf Ausschluss Nein gesagt. Somit hat auch der Blick wieder aufgehört, gegen mich zu schiessen. Schlussendlich ist es mir natürlich lieber, zu politischen Themen Stellung zu nehmen, als zu solchen Angelegenheiten.

zentral+: Zum Schluss: Wie steht’s um Ihren Wahlkampf, sind Sie gut unterwegs?

Aeschi: Wir haben schon viel gemacht, aber müssen noch viel mehr unternehmen, müssen noch mehr auf die Strasse. Die anderen Parteien sind auch stark präsent. Beim letzten Wahlkampf bin ich gegen zwei Mitbewerber angetreten, die beide einen feurigen Wahlkampf geliefert haben. Dieses Mal ist der interne Wettkampf etwas moderater. Entsprechend müssen alle SVP Mandatsträger und Parteimitglieder umso aktiver sein.

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