Kein Verbot für extremistische Gruppierungen

«Die Stadt drückt sich vor der Verantwortung»

Der Islamische Zentralrat stösst immer wieder auf heftige Kritik, etwa, als er 2014 einen Propagandafilm in Kriens drehte. (Bild: Aus Video Islamischer Zentralrat)

Gruppierungen mit radikaler Gesinnung sollen in Luzern keine Standaktionen durchführen dürfen: Damit werde Mord und Unterdrückung in Kauf genommen – die Forderung eines Postulats stösst beim Stadtrat auf taube Ohren. Insbesondere bei muslimischen Organisationen gehe man bereits restriktiv vor. Die SVP wirft dem Stadtrat trotzdem Mutlosigkeit vor.

Die Aufregung war gross, als der umstrittene Islamische Zentralrat (IZRS) im November 2014 einen Propagandafilm in Kriens drehte. Auf Unmut stiess auch eine Standaktion derselben Gruppierung im März beim Bahnhof Luzern: Frauen, von denen man nur gerade die Augenpartie sah, warben für einen Islam mit  einem äusserst problematischem Weltbild. Es wurde kritisiert, dass dabei mitten in Luzern gezielt Frauen für die radikalen Ansichten des IZRS angeworben wurden. Und das in aggressiver Art und Weise. Damit werde die Demokratie missbraucht, man dürfe einer Gruppierung, welche den politischen Islam propagiere, keine solche Plattform geben, hiess es von gemässigten islamischen Vereinigungen.

Verständnis für Besorgnis

Solche Extremismusströmungen sollen gestoppt werden: Dies fordert Sandra Felder-Estermann (FPD) in einem Postulat. Konkret verlangt sie, dass Gruppierungen mit radikaler Gesinnung von der Stadt Luzern keine Auftrittsmöglichkeiten gegeben werden. Damit werde als Folge Mord und Unterdrückung in Kauf genommen, wird kritisiert. Sandra Felder nimmt insbesondere auf Standaktionen von muslimischen Organisationen Bezug.

Der Stadtrat will von einem Verbot solcher Aktionen nichts wissen, wie er in seiner Antwort schreibt. Man verstehe zwar die Besorgnis und distanziere sich von jeder Form von Gewalt und Unterdrückung. Auch sei die Nutzung des öffentlichen Raums als Plattform für Aufrufe zu Gewalt zu verhindern.

Allerdings stelle die Verweigerung einer Bewilligung zu einer Standaktion einen Grundrechtseingriff dar, der gemäss Bundesverfassung nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig ist. Und diese seien im Fall des Islamischen Zentralrats nicht gegeben gewesen. Die Stadt habe im Vorfeld der Kundgebung abgeklärt, ob es sich beim IZRS um eine verbotene Organisation handelt. Dies sei nicht der Fall, betont der Stadtrat.

Eher restriktive Bewilligungspraxis

Zudem genüge die blosse Möglichkeit, dass es bei einer Veranstaltung zu rechtswidrigen Handlungen kommen könnte nicht, um ein Verbot auszusprechen. Die Stadt habe die Gesuchssteller zu einem persönlichen Gespräch eingeladen und dabei abgeklärt, was genau an der Standaktion gezeigt und verbreitet werden soll. Nach Rücksprache mit der Polizei wurden schliesslich drei Standaktionen bewilligt. Dabei seien keine Verstösse gegen die Bewilligung oder die Rechtsordnung festgestellt worden.

Die Stadt verfolge für Standaktionen auf öffentlichem Grund jetzt schon einen eher restriktiven Weg, heisst es in der Antwort. So hätten sich die Verantwortlichen des Islamischen Zentralrats anschliessend beklagt, dass sie «wie Schwerverbrecher» kontrolliert worden seien.

Eine weiterführende Einschränkung für solche Aktionen auf öffentlichem Grund ist gemäss Stadtrat weder angezeigt noch rechtlich haltbar. Solange die Organisation nicht vom Bundesrat verboten ist oder Anzeichen dafür bestehen, dass die Rechtsordnung verletzt wird.

Kritik von der SVP

Nicht einverstanden mit dieser Haltung ist SVP-Kantonsrat Pirmin Müller. Es gelte das Subsidiaritätsprinzip: Lokale Herausforderungen sollen lokal gelöst werden. «Die Stadt muss die Verantwortung übernehmen und bei Extremisten auch eine Bewilligung verweigern. Stattdessen versteckt sich der Stadtrat hinter dem Bund, erklärt der SVP-Politiker. Die Stadt drücke sich damit vor der Verantwortung.

«Die Stadt muss die Verantwortung übernehmen und bei Extremisten auch eine Bewilligung verweigern.»

Pirmin Müller, SVP

Dem Argument, dass auch Organisationen wie dem Islamischen Zentralrat die Grundrechte zustünden, widerspricht Müller. «Extremistische Organisationen, die unsere Grundrechte missachten und dagegen agieren, können sich nicht auf diese berufen. Der IZRS ist laut Experten eine antidemokratische und antifreiheitliche Organisation. Deshalb ist die Einschränkung ihrer Grundrechte gemäss Bundesverfassung rechtens und notwendig.» Deshalb müssen Standaktionen und Kundgebungen extremistischer Organisationen unterbunden werden, ist Müller überzeugt.

 

 

 

 

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